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Der Nothelfer des Kapitalismus  (Werner Rügemer)

Wir alle kennen sie, die Todsünden der Marktwirtschaft. In der Diskussion über Mindestlöhne und über Gehälter der Topmanager werden sie immer wieder abwehrend beschworen: Staatseingriffe. Todsünden gegen die reine Lehre!

Doch was passiert gleichzeitig? Bittend und bettelnd hängen dieselben Topmanager dem Staat in den Ohren: Greif ein! Rette uns! Gib uns Milliardenkredite! Sonst bricht das Finanzsystem zusammen! Sonst geht die Marktwirtschaft zugrunde!

Vor fünf Monaten brach in den USA die Hypothekenkrise aus. Die Banken hatten Millionen von Amerikanern günstige Kredite aufgedrängt. In den USA sind die Mieten so hoch, daß der Kauf von Eigenheimen auf Kredit vielen jungen und weniger vermögenden Familien als die billigere Lösung erschien. Doch die gewinngeilen Banken vergaben die Kredite ohne die üblichen Sicherheiten, ohne Eigenkapital der Kreditnehmer, ohne Einkommensnachweis, anfangs mit märchenhaft niedrigem Zinssatz.

Die Banken wußten, daß das nicht gutgehen würde. Sie bündelten Zehntausende solcher Kredite und verkauften sie mit einem Risikoabschlag an andere Banken weiter. Banken aus aller Welt kauften diese Spekulationsobjekte, und zwar über Tochterfirmen, sogenannte »Besondere Zweckgesellschaften«, die nicht in den offiziellen Bilanzen auftauchen. Das machten auch deutsche Banken. Sie gründeten »Besondere Zweckgesellschaften« in einer Finanzoase und kauften milliardenschwere Bündel fauler Kredite, und zwar selbst wieder mit Hilfe von Krediten, die sie bei anderen Banken aufnahmen.

Im August 2007 begann die Krise. Amerikanische Haushalte konnten schon bei den ersten Zinserhöhungen nicht mehr zurückzahlen. Die Aufkäufer der faulen Kredite wie die Düsseldorfer Industrie- und Kreditbank (IKB) standen vor der Pleite. Als erste schlug ausgerechnet die Deutsche Bank Alarm und rief nach dem Staat: Die IKB könne die Kredite an die Deutsche Bank nicht zurückzahlen, der Staat müsse helfen.

Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sprang ein. Die Besonderen Zweckgesellschaften der IKB mit den phantasievollen Namen »Rhineland Funding« und »Rhinebridge« wurden zunächst mit einer Bürgschaft von zwei, dann drei und inzwischen schon fünf Milliarden Euro gestützt.

Dasselbe geschieht überall in der westlichen Wertegemeinschaft. Denn die so gut bezahlten Topmanager können oder wollen nicht sagen, wie viele aufgekaufte faule Kredite in den hunderten ihrer »Besonderen Zweckgesellschaften« stecken. Deshalb haben die staatlichen Banken, die KfW, die Europäische Zentralbank, die amerikanische Federal Reserve und so weiter bisher hunderte Milliarden Euro Staatsgeld in die Privatbanken gestopft. Das Bundesland Sachsen hat eine Ausfallbürgschaft über fast drei Milliarden Euro für seine Sächsische Landesbank übernommen, der schon beschlossene Landeshaushalt ist Makulatur.

Staatliche Hilfen für bankrotte Privatbanken werden damit nicht zum ersten Mal vergeben. Beispiel Berliner Bankenskandal: Erst wurden die Banken des Bundeslandes privatisiert, dann gingen sie pleite, seitdem werden sie auf Jahrzehnte hinaus mit Milliardenbeträgen aus dem Landeshaushalt gestützt. Sozialausgaben werden gnadenlos gekürzt. Die Propheten der reinen Marktwirtschaft fordern das als das Selbstverständlichste der Welt.

Der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo ermittelt gegen die Banken wegen »Verschwörung zur Ausraubung von Hausbesitzern«. Doch ihm stellt der Staat keineswegs die notwendigen Mittel zur Verfügung. Der langjährige Finanzguru der westlichen Welt, Alan Greenspan, bis vor kurzem Chef der US-Zentralbank, weiß, daß das Problem sowieso ein bißchen größer ist: »Wenn die Krise nicht bei den faulen Hypothekenkrediten ausgebrochen wäre, dann bei anderen solcher weiterverkauften Finanzprodukte«, sagt er.

Aber das macht den Verschwörern nichts aus. Sie haben ja ihren Staat und die Steuerzahler.

Die Todsünden der Wirtschaft sind nicht Staatseingriffe, wo sie sinnvoll und notwendig sind, sondern die spekulativen Praktiken der überbezahlten Topmanager, die nur mit Hilfe des Staates überleben.