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NATO übt Krieg gegen Russland  (Rainer Butenschön)

Die Vorbereitungen der NATO für einen Krieg gegen Russland erreichen einen neuen Höhepunkt. Im kommenden Frühjahr sind Deutsche in vorderster Front mit dabei, wenn beim Großmanöver »Defender 2020« Truppen aus 17 NATO-Staaten sowie Soldaten aus Finnland und Georgien in Richtung russischer Grenze marschieren. Im Baltikum, in Polen und in Georgien will die NATO im April und Mai eine der größten Kriegsübungen ihrer Landstreitkräfte seit dem Ende des Kalten Krieges durchführen.

 

Geplant ist die umfangreichste Verlegung von Soldaten aus den USA nach Europa in den vergangenen 25 Jahren. 20.000 Soldaten samt schwerem Kriegsgerät werden über den Atlantik geschickt, haben die US-Streitkräfte in Europa mitgeteilt. Fünf Kampfbrigaden mit insgesamt 37.000 Soldaten sollen zum Einsatz kommen. Dirigiert wird die Kriegsübung vom US-Heereskommando Europa in Wiesbaden-Erbenheim.

 

Deutschland dient als zentrale logistische Drehscheibe. 33.000 Stück Kriegsgerät werden auf Schiene und Autobahnen gen Osten transportiert. Das US-Kriegsgerät wird in Bremerhaven anlanden. In Garlstedt nördlich von Bremen, in Burg bei Magdeburg und auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz werden drei Convoy-Support-Zentren aufgebaut. Auf dem Truppenübungsplatz Bergen in der Lüneburger Heide wird eine große Tankanlage für die US-Marschkolonnen installiert. In Grafenwöhr in Bayern sollen im Rahmen des Manövers Gefechtsstandsübungen stattfinden.

 

Das Verteidigungsministerium in Berlin hat mitgeteilt, mit dem Großmanöver solle die »schnelle Verlegbarkeit größerer Truppenteile über den Atlantik und durch Europa geübt werden, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verfahren im Krisenfall funktionieren«. Dadurch könne die Bundesrepublik zeigen, wie sie zur »gemeinsamen europäischen und euroatlantischen Sicherheit« beitrage. Außerdem werde mit dem Transport der teilweise mehr als 130 Tonnen schweren Kampfpanzer auf Militärtiefladern auch die Belastbarkeit der Infrastruktur überprüft.

 

Die EU-Kommission hat für 6,5 Milliarden Euro ein Programm aufgelegt, um in der EU Straßen, Schienen und Brücken in Richtung Russland panzertauglich auszubauen.

 

Seit Anfang 2019 gilt zudem ein Rahmenfrachtvertrag zwischen der Deutschen Bahn AG und der Bundeswehr, wonach die Bahn Militärtransporten auf ihrem Schienennetz Vorrang einräumt. Der Vertrag läuft bis Ende 2020, kann aber immer wieder um ein Jahr verlängert werden. Für 2019 war nach Informationen der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen die Verlegung von »etwa 9700 Soldaten, 150 Kettenfahrzeugen, 3300 Radfahrzeugen, 1500 Anhängern und 1370 Containern Richtung Osten« vorgesehen. Im Jahr 2020 sollen Militärgüter binnen fünf Tagen in die baltischen Staaten transportiert werden. An den Standorten Bergen (Niedersachsen) und Deuten (Nordrhein-Westfalen) werden die Züge beladen, und von dort soll täglich jeweils ein Militärtransport nach Litauen in den Ort Šeštokai an der polnischen Grenze gehen. Die Strecke wird an der deutschen Grenze über Frankfurt (Oder) sowie über Kunovice in Tschechien führen. Während des Manövers kann es im zivilen Bahnverkehr zu Behinderungen und Verspätungen kommen.

 

Scharfe Kritik am NATO-Kriegsmanöver »Defender 2020« hat der Friedensratschlag geübt, die zentrale Versammlung deutscher FriedensaktivistInnen, der seit 26 Jahren jeweils am ersten Dezember-Wochenende in der Kasseler Universität stattfindet.

 

Der Friedensratschlag verabschiedete am 7. Dezember eine Resolution, in der es heißt, »Defender2020« sei »umweltzerstörerisch« und stehe der notwendigen »Deeskalation« sowie der »Einleitung vertrauensbildender Maßnahmen« im Verhältnis der NATO zu Russland »diametral entgegen«. Alle Friedenskräfte werden aufgerufen zu beraten, wie dem »NATO-Kriegsgerassel« phantasievoll, friedlich und couragiert begegnet werden kann. Während eines Russland-Workshops erinnerte Militärexperte Wilfried Schreiber daran, dass es keine militärische Sicherheit vor einer Atommacht wie Russland geben könne. Sicherheit könne vielmehr nur gemeinsam mit Russland hergestellt werden, wie dies Egon Bahr und Willy Brandt mit ihrer Ostpolitik praktiziert hätten. Unter Beifall plädierte Schreiber für eine »neue Entspannungspolitik«, diese sei die »Schlüsselfrage« jeder Friedenspolitik.

 

Erste Beratungen von KriegsgegnerInnen zu »Defender 2020« fanden bereits in Leipzig und Rothenburg/Wümme sowie Soltau statt.

 

Kritik hat auch der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagfraktion Die Linke, Alexander Neu, geübt: »Diese Übung wird auf russischer Seite zu Reaktionen führen, womit die weitere Eskalation vorprogrammiert ist«, erklärte Neu. »Deeskalation« scheine im Wortschatz der NATO nicht mehr zu existieren. Die Linke fordere, »sich in keiner Weise an der Übung zu beteiligen und auch nicht deutsches Territorium für dieses Säbelrasseln zur Verfügung zu stellen«.