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Titel1015

Cranachs Bild und Botschaft  (Peter Arlt)

Von den Wänden der »Säulenhalle« des Kunstmuseums Gotha funkeln die malerischen, hellen arabeskenhaften Figuren auf dunklem und farbigem Grund und viele grafische und numismatische Kostbarkeiten, künstlerische Preziosen, genau beleuchtet in der klar gegliederten Ausstellung »Bild und Botschaft. Cranach im Dienst von Hof und Reformation«. In Thüringen hielt sich Cranach oft auf, führte aus Gotha seine Frau heim, folgte als Hofmaler dem Herzog von Sachsen aus Wittenberg nach Weimar, wo er 1553 starb und begraben liegt.


Über den zentralen Saal scheinen Blätter zu fliegen, unter ihnen die historischen Flugblätter in Vitrinen, zusammengefügt wie das Bild einer Gelenkwelle einer bedeutenden Zeit politischer Entwicklung: der Reformation. In den propagandistischen Druckgrafiken und Spottbildern läßt Cranach Katholiken in die Hölle einfahren; konterkariert die Laster des Papstes, des Antichrist, mit den Tugenden Christi. Dagegen positioniert sich die katholische Seite schwächer; der lutherische Narren bleibt in künstlerischer Kraft weit hinter des Teufels mönchischer Sackpfeife zurück. Doch der Kaiser entscheidet nach der von Belagerungsbildern gezeigten Niederlage bei Wolfenbüttel (1542) den Krieg der Konfessionsparteien bei Mühlberg (1547) für sich.


Als um 1501 Lucas, mit Familiennamen Maler, in Wien eintraf, wo er sich nach dem Ort seiner Geburt zu nennen begann, kam er in engen Kontakt zu den Humanisten Conrad Celtis und Johannes Cuspinian, die er porträtierte und die ihn als neuen Apelles begrüßten. Cranach ist nicht allein aus dem Wechselverhältnis zu Martin Luther zu erklären, dem die Wartburg-Ausstellung »Cranach, Luther und die Bildnisse« gewidmet ist. Der Humanismus überwand die Spätgotik mit der Entdeckung der nackten menschlichen Gestalt und dem antiken Bildgut. Tugendgestalten wie Lucretia tragen symbolische Inhalte; Judith steht, wie der Kurator Timo Trümper aus Gotha nachweist, für göttliche Gerechtigkeit oder als »Warnung an den tyrannischen König«. Die Ehebrecherin (Gemälde aus Fulda), die nach mosaischem Gesetz zu steinigen wäre, wird von Jesus mit dem Hinweis, keiner sei ohne Sünde, nicht verurteilt. Nach seinem Ruf »Laßt die Kindlein zu mir kommen« umgibt Jesus ein kindlicher Trubel. Sie zu segnen ist eine lutherisch-cranachsche Gegendarstellung zu den Wiedertäufern.


Im Kopenhagener Gemälde »Venus mit Cupido als Honigdieb«, 1530, läßt der Renaissance-Künstler im weiblichen Akt Verführungskunst aufblitzen, um mit einer Inschrift vor ihr zu warnen. Denn die Biene straft den, der Honig nascht: »So verletzt auch uns die kurze, vergängliche Wollust, die wir begehren: Mit herbem Schmerz ist sie verbunden.« Für fürstliche Schlafzimmer entstanden erotische Sujets, viele Fassungen vom »Urteil des Paris«, gezeigt wird Gothas großformatige von Cranach d. J. Die Göttinnen sind schmuckbekleidete Damen, die unter Amors Beschuß die Sittsamkeit verlieren und in gezierten Posen den Schönheitsrichter Paris, ein Ritter im Wachtraum, beeindrucken. In der Wiederholung der Figuren im schlanken, verdrehten Typ mit den kurvenreichen Ein- und Auswölbungen von den Brüstchen über das Bäuchlein zu den aufreizenden Schenkelbögen zeigt sich die Manieriertheit der Cranachs. Das traf den höfisch galanten Ton der Zeit und begründete zudem das Selbstverständnis aristokratischen Lebens mythisch.


Es ist zu sehen, daß der Personalstil der Cranachs – eingeschlossen der Werkstatt – eine unverkennbare »visuelle Marke'« entwickelt hatte. Diesen Stil leitet Hanne Kolind Poulsen im Katalog von Luthers Bildverständnis ab, den »Zeichencharakter des Bildes im Sinne eines Anti-Realismus [zu gewichten], der als Schutz gegen Bildverehrung wirken sollte« und belehrende »Merkbilder« hervorbrachte. Die These ist unhaltbar, bedenkt man den Anti-Realismus gotischer oder früherer Kunst, die für die katholische Bilderverehrung entstanden war. Plausibler erscheint mir die flächige, schablonenhafte Vereinfachung und die variantenreiche Repertoire-Praxis begründet vor allem in der Nachfrage und der Manufaktur-arbeit. Außerdem zeigt die »Marke« mit der geschraubten, wieder gotischen Linie eine Annäherung an den Manierismus. Zwar schwenken die Cranachs nicht auf die Gegenreformation ein. Aber mit ihren Bildnissen von fürstlichen Auftraggebern, Protestanten wie Katholiken und den Bildthemen in katholischer Tradition wirkte die Werkstatt im Sinne des späteren Augsburger Religionsfriedens 1555 harmonisierend. Die Bilder waren für den evangelischen wie katholischen Bildgebrauch geeignet und könnten auf die Einheit des Glaubens gerichtet sein. Dennoch ist der Einfluß von Luthers Bildtheologie auf Cranachs Stil in Wittenberg spürbar. Ganz auf der Seite Luthers steht die Bildbotschaft »Gesetz und Glaube«, ein Schwerpunkt in Gotha, aber auch in Weimar, der dritten Cranach-Ausstellung. In Gotha wird mit den frühesten, prägenden Gemälden aus Gotha und Prag, 1529, ein einmaliger Vergleich geboten, wie der Mensch aus der Verdammnis zur Erlösung gelangt.


Und zu Beginn und am Ende: Im herrlichen »Selbstbildnis« des Älteren von 1531 sprechen aus der Neigung des Kopfes und den ruhigen braunen Augen Cranachs Geneigtheit und Abwägung, die dem Leiter der großen Malermanufaktur, einer Druckerei und Apotheke, dem Ratsherrn und mehrfachen Bürgermeister von Wittenberg eigen war, dem Fürsten zu Diensten und Thüringen eng verbunden.

Bis 19. Juli 2015, täglich 10 bis 17 Uhr, Herzogliches Museum Gotha, dort auch im Ausstellungskabinett »Meisterwerke der Grafik von Cranach«; »Cranach in Weimar« bis 14. Juli 2015, Di-So 9.30 bis 18 Uhr, Schiller-Museum und, Mo-Sa 10 bis 18, So 11.30 bis 18 Uhr, Herderkirche; »Die Lutherporträts der Cranach-Werkstatt« bis 19. Juli 2015, Wartburg Eisenach, täglich 8.30 bis 17 Uhr (letzte Führung), die Ausstellung ist im Rahmen des Führungs- und Museumsrundganges zu besichtigen.