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Titel1108

Damit die Kirche immer reaktionärer wird  (Werner René Schwab)

Mehr als Worte und Versprechen zeigen Personalentscheidungen, welchen Kurs die Herrschenden einschlagen wollen. Das gilt nicht nur für Staaten, es gilt auch für Religionsgemeinschaften, namentlich für die katholische Kirche. Der Vatikan ist politisch und wirtschaftlich zu mächtig, als daß es uns gleichgültig sein dürfte, welche Politik er fördert und welche Haltung er dem Kirchenvolk als vorbildlich, also nachahmenswert predigt. Man muß sich nur anschauen, wie in den letzten Monaten hohe Ämter besetzt wurden, um bestätigt zu finden, was die Zeitung Le Monde schreibt: »Stets setzt sich Benedikt XVI. zugunsten des reaktionärsten Teils seiner Kirche ein.« Kaum eine Gelegenheit läßt der deutsche Papst sich entgehen, jene Geistlichen in entscheidende Positionen zu hieven, die die einst von Papst Johannes XXIII. begonnene Erneuerung nicht nur stoppen, sondern sogar zurückdrehen wollen – auch für künftige Zeiten.

Der neu ernannte Nuntius in Berlin, Jean-Claude Périsset, verkündete bei seinem Amtsantritt: »Die Autonomie der Ortskirche muß stets in die Einheit der Gesamtkirche eingehen und in ihr sein, und dafür trägt Rom und mithin ich die Verantwortung.« Zwar sei ökumenische Arbeit begrüßenswert, aber »die von Jesus vorgegebene Linie interpretiert nun einmal allein das römische Lehramt«. Und zwar auf allen Gebieten.

Der neue Münchner Erzbischof Reinhard Marx, zuvor Bischof von Trier, ist bekannt und bei progressiven Pfarrern sogar gefürchtet wegen seines kompromißlosen konservativen Kurses, der sich unter anderem darin zeigt, daß er mißliebigen Theologie-Professoren die Lehrerlaubnis entzieht. Mitglied der Glaubenskongregation, eines der wichtigsten vatikanischen Entscheidungsgremien, wurde vor kurzem der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der ganz im Sinne des Papstes zum Beispiel nichts von einem Mitspracherecht der Kirchengemeinderäte hält. Chef dieser Kongregation und damit Nachfolger des zum Papst avancierten Josef Ratzinger ist der einstige Rottenburger Bischof Walter Kasper. Der hatte sich bereits einen entsprechenden Ruf erworben, als er – noch nicht lange Priester – zu seinem sogenannten Patronatsherrn, Fürst von Waldburg-Zeil, eilte und ihn um Einwilligung für Protestaktionen gegen den Film »Die Sünderin« bat, weil darin für Sekundenbruchteile eine nackte Hildegard Knef zu sehen war. Auch heute noch sind die Verbindungen Kaspers zum deutschen Hochadel eng, ebenso wie beispielsweise die des Bischofs Müller zu der in Regensburg residierenden Familie Thurn und Taxis.

Zum Erzbischof von Utrecht und damit Vorsitzenden der niederländischen Bischofskonferenz wurde Wilhelm Jacobus Eijk ernannt, der sich durch seine Intoleranz als Bischof von Groningen hervorgetan hatte. Und der neue Bischof von Chur erließ als Dank für den ihm verliehenen Hirtenstab umgehend ein Predigtverbot für Laientheologen.

Der bisherige Bischof von Praga, Glodz, durfte zum Erzbischof von Danzig aufsteigen, obwohl der bisherige Erzbischof den Papst eindringlich gebeten hatte, gerade diesen »Mitbruder« nicht zu ernennen. Glodz hat sich bei Benedikt XVI. dadurch empfohlen, daß er den erzreaktionären und antisemitischen Sender Radio Maryja fördert, dessen Leiter (ein Priester) übrigens vor einigen Monaten vom Papst in Privataudienz empfangen wurde und für sich und sein Wirken den apostolischen Segen erhielt.

Auffallend ist, daß sich die römische Kurie bei der Durchsetzung ihrer reaktionären Ziele vor allem auf Europäer stützt. Mehr als die Hälfte der unter Benedikt ernannten neuen Kardinäle kommen aus dem alten Kontinent. Ihr Vorzug ist, daß sie nicht wie viele Geistliche in den »Entwicklungsländern«, die die Not und das Elend der armen Menschen ständig sehen, sozialrevolutionär angehaucht sind. Von ihnen würde sich auch keiner zum Staatspräsidenten einer linken Koalition wählen lassen wie Ex-Bischof Lugo in Paraguay und sich mit den Armen verbünden. Was Ratzinger als Kurienkardinal und engster Berater von Johannes Paul II. begann, setzt er als Papst verstärkt fort. Und macht, wie allein schon seine Personalpolitik zeigt, kein Geheimnis daraus. Ein Kirchenführer, von dem die Menschheit noch viel zu befürchten und nichts zu erhoffen hat.