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Titel1112

Eine Partei zum Abgewöhnen  (Arno Klönne)

Fehlt der Partei Die Linke das auch bei politischen Unternehmen stets gesuchte Alleinstellungsmerkmal für den Marktauftritt? Das kann man ihr nicht mehr nachsagen. Rangeleien innerhalb des Spitzenpersonals sind im parteipolitischen Betrieb üblich, aber die PDL ist inzwischen absolut Spitze, wenn es um die öffentliche Darbietung solcher Rivalitäten und das Bedienen der interessierten Medien mit Äußerungen dieses Hahnen- und manchmal auch Hühnerkampfes geht. Von der Bild-Zeitung bis zur FAZ sind die Redaktionen für Informationen aus dem Leben dieser Partei sehr aufgeschlossen, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um gesellschaftspolitische Aussagen, sondern um abwertende Personalia. Die PDL garantiert in dieser Hinsicht Transparenz, da können die Piraten nicht mithalten. Freilich sind nicht alle Aktivisten der linken Partei mit der unfreundlichen Nachrede über Parteifreunde beschäftigt, die macht vielen von ihnen vielmehr Verdruß. Also produzieren sie kluge Texte, wie die PDL einem weiteren Niedergang entgehen könne. Daran haben die Medien kein Interesse, warum auch. Die meisten Mitglieder der Partei wiederum haben leider nicht die Zeit und Muße, solche Ausarbeitungen zu studieren, zudem gibt es reichlich davon, die PDL zeichnet sich durch ein Höchstmaß innerparteilicher Zirkel aus, und alle möchten ausführlich ihre Meinung darlegen. Wer an dem Diskurs in der PDL kenntnisreich teilnehmen will, muß auch die nahestehenden Blogs verfolgen, da wird richtig losgeschimpft, über die eigenen Leute.

All diese Betätigungen haben eine Voraussetzung, die möglicherweise nicht hinreichend bewußt ist: Eine Partei muß existieren, einigermaßen ansehnlich, damit man über sie und ihre AnführerInnen streiten oder Nachteiliges verbreiten, Rettungspapiere schreiben oder seinen innerparteilichen Ärger äußern kann. Die Weiterexistenz der PDL ist aber von keinem höheren Wesen garantiert, und derzeit gibt es manche Anzeichen dafür, daß die Partei den Boden unter ihren Füßen verliert. Sie benimmt sich so, als wollte sie Wählerinnen und Wählern sowie ihren Mitgliedern das Interesse an einer linken parteipolitischen Option oder einem Engagement für eine linke Partei nachhaltig abgewöhnen.

Der Stimmenverlust der PDL bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wiegt weitaus schwerer als die Mißerfolge der Partei in einigen anderen »alten« Bundesländern, nicht nur der Quantität der Stimmen wegen. Wo soll eine parteipolitische Linke sich entwickeln und festigen, wenn nicht in einem sozialen Raum, in dem die Mehrheitsbevölkerung auf Lohnarbeit angewiesen ist, »prekäre« Lebenslagen besonders stark verbreitet und andererseits außerparlamentarische und parteienunabhängige linke Aktivitäten keineswegs verschwunden sind?

Die nordrhein-westfälische Wahlniederlage der PDL hat kaum etwas mit spezifischen Verhaltensweisen der Partei oder ihrer Parlamentsfraktion in diesem Bundesland zu tun, verursachend waren generelle Konstruktionsfehler der Linken als parteipolitisches Modell. Indem sich PDS und WASG vereinigten, fanden zwei Organisationen zusammen, die sehr stark durch kritische Reaktionen auf politische Wege der SPD bestimmt waren. Auf unterschiedliche Weise: Die PDS hatte in ihrer Startzeit eine Chance gerade auch darin, daß der sozialdemokratische Parteivorstand, den Vorwurf der Kumpanei mit »Kommunisten« fürchtend, SED-Mitgliedern den Zugang zur SPD versperrte. CDU und FDP waren im Umgang mit den »Blockparteien« geschickter.

Die WASG entstand als Protestpartei vornehmlich von Sozialdemokraten gegen die Agenda-Politik der Regierung Schröder und Co. In beiden Fällen enthielt die Parteinahme gegen sozialdemokratische Entscheidungen eine Fixierung auf die SPD, die Hoffnung, diese nach links hin zu locken oder zu drängen, sie wieder »echt sozialdemokratisch« machen zu können, als Juniorpartner mit ihr zu kooperieren und zu regieren.

Eine solche Ausrichtung der PDL lenkte und lenkt von dem Versuch ab, die linke Partei als selbständige und neue gesellschaftspolitische Kraft zu entwickeln, mit langfristiger Perspektive, die politische Kultur in der Bundesrepublik verändernd. In dem Maße, wie die SPD unter Sigmar Gabriel sich wieder stärker als »Sozialstaatspartei« präsentierte und Hannelore Kraft die Rolle einer »Mutter der kleinen Leute« übernahm, ergab sich ein Rückstrom von Wählerinnen und Wählern zur SPD. Die PDL hat ihnen, so wie sie ist, keinen alternativen politischen Zusammenhang bieten können, und so lehnen sie sich wieder an die Sozialdemokratie an. In der Führungsschicht der PDL, vornehmlich – aber nicht nur – bei früheren PDS-Angehörigen, war stets das Motiv wirksam, im etablierten Politiksystem »anzukommen«, bei den einflußreichen Medien Anerkennung zu finden, »gesellschafts«- und regierungsfähig zu werden. Dies hinderte daran, sich mit dem Trend zur »Postdemokratie« im Parteien- und Parlamentsbetrieb gründlich auseinanderzusetzen, alternative Ideen demokratischer Politik zu entwickeln und auszuprobieren, auch daran, eigene Formen von Öffentlichkeit zu suchen. Die PDL wurde nicht zu einer »Partei neuen Typs«, sie blieb ermüdend konventionell. An ihrer Gründung und ihrem Aufbau wurden außerparlamentarische Initiativen nicht beteiligt, es gab keine Aufforderung an parteipolitisch ungebundene Bürgerinnen und Bürger mit kapitalismuskritischer und kriegsgegnerischer Einstellung, diese Partei als »Prozeß« mitzugestalten.

Nachdem sich herausstellte, daß die PDL insofern mit den herrschenden Politikgewohnheiten konform ging, lag es nahe, daß Wählerinnen und Wähler, denen die gegenwärtige Art von Demokratie undemokratisch vorkommt, abströmen – hin zu den Piraten, die erst einmal nonkonform erscheinen, oder in die verdrossene Enthaltsamkeit bei Wahlen, mit dem Gefühl: Die PDL ist auch nicht anders als die anderen Parteien. Weshalb sollte man ihr die Stimme geben oder gar ihr Mitglied werden?

Fazit: Diese Partei hat selbst das meiste dazu getan, nach einigen Erfolgen wieder an Rang zu verlieren. Ihr Programmpapier schützt nicht vor diesem Bedeutungsverlust. Ein neuer Parteivorstand kann den Fall nach unten verlangsamen – oder beschleunigen, je nach den agierenden Personen. Aber selbst die besten Vorständler verändern nichts an den Strukturschwächen dieser Partei. Sie wird sich, wenn sie Bedeutung gewinnen will, von unten her neu erfinden müssen. Das ist dringend zu wünschen. Als mal herangezogene, dann wieder verstoßene Hilfstruppe für die SPD ist die PDL überflüssig, die Sozialdemokraten können selbst für sich sorgen, sie haben Spitzenkräfte, die zu vielem fähig sind, wie etwa Peer Steinbrück. Eine auf die kleine Schar gelernter Kommunisten zusammengeschrumpfte PDL wäre ebenfalls überflüssig, es gibt die DKP. Die Bundesrepublik, für die politische Entwicklung in Europa ein höchst einflußreicher Akteur, braucht eine auf eigene Kraft setzende, lebhaft sich rührende und um sich greifende Linke, auch im parteipolitisch-parlamentarischen Terrain. Übrigens: Die PDL ist, trotz manchem Murren einiger ihrer Profipolitiker, dabei geblieben, ein kriegerisches Engagement der Bundesrepublik abzulehnen. Das hat keine WählerInnen von ihr weggetrieben.