erstellt mit easyCMS
Titel112013

Antworten

Katja Kipping und Bernd Riexinger, Vorsitzende der Partei Die Linke. – Zusammen mit Gregor Gysi als Vorsitzendem der Bundestagsfraktion Ihrer Partei haben Sie den Entwurf eines Wahlprogramms vorgelegt; darin heißt es: »Solidarität muß neu erfunden werden.« Wie diese Erfindung funktionieren soll? »Die Gesellschaft muß Reichtum von oben nach unten verteilen.« Das wird dann aber in der Gesellschaft, so wie sie ist, eine immerwährende Aufgabe, möglicherweise als solche die PolitikerInnen ermüdend – stets entsteht wieder neuer Reichtum in der oberen Etage der Gesellschaft und die da unten müssen voller Sorge darauf warten, daß für sie etwas abfällt.

Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin der Grünen. –
»Bei uns bist Du entscheidend« – mit diesem Slogan sollen neue Mitglieder für Ihre Partei geworben werden, während bei den Sozialdemokraten bekanntlich ein »Wir« entscheidet, bei dem allerdings nicht bekannt ist, woraus dieses Kollektiv besteht. Die Grünen setzen also auf das Individuum. Näher darzulegen wäre nun, da ja gewiß nicht jedes Parteimitglied gleichermaßen entscheidend tätig werden soll, an wen als Entscheider gedacht ist.

Ernst-Reinhard Beck, »verteidigungs«-politischer Sprecher der Unionsfraktion. –
Was wird, wenn die »Sicherheitslage« in Afghanistan sich weiter verschlechtert, aus einheimischen Helfern der Bundeswehr dort? Zuflucht einräumen in der Bundesrepublik? »Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, wir ließen unsere Leute im Stich«, erklärten Sie. Schließlich sei »die Bundeswehr in jedem Konfliktgebiet auf Ortskräfte angewiesen«. Da haben Sie ein Dauerproblem deutscher militärischer Auslandseinsätze offengelegt – aber lösbar war es schon in Kolonialzeiten nicht.

Andreas Schockenhoff, Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. –
Über die Anschaffung von Kampfdrohnen für das deutsche Militär, schreiben Sie in der FAZ, sei »eine in Teilen sehr unsachliche Debatte entfacht«, die müsse nun »versachlicht werden«. Das erledigen Sie so: »Bei der Diskussion über die Ausstattung einer zukunftsfähigen Bundeswehr darf es keine Tabus geben ... Drohnentechnologie ist die militärische Technologie der Zukunft.« Damit ist doch alles gesagt. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, der sich demnächst mit diesem Thema beschäftigen wird, müssen sich nicht mehr den Kopf zerbrechen. Wer will schon die Zukunft verpassen?

Walter Hähnel (Lübeck). –
Wir kennen die Geburtsdaten der Ossietzky-Leser nicht, aber soweit wir wissen, sind Sie der älteste. Wir gratulieren Ihnen zum 100. am 20. Mai. Wenn Sie aus Ihrem Leben erzählen, hört man respektvoll zu: Wie Sie als Schüler zum anfangs SPD-nahen Internationalen Sozialistischen Jugendbund kamen, aus dem dann der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) hervorging – in wachsender Distanz zur SPD, die einen Unvereinbarkeitsbeschluß faßte (ein Streitpunkt war die Aufrüstung). Wie Sie die Schule verließen, weil Ihr Vater arbeitslos geworden war und Sie deshalb mitverdienen mußten. Wie Sie 1934 selber arbeitslos wurden und unter Zwang den sogenannten Freiwilligen Arbeitsdienst leisteten. Wie Sie 1937 verhaftet wurden und elf Monate in Haft blieben, darunter vier Wochen Einzelhaft im KZ Fuhlsbüttel, bis Sie mangels Beweisen von der Anklage der Vorbereitung zum Hochverrat freigesprochen wurden. Wie Sie als Soldat am »Gasschutz« mitarbeiten sollten, aber feststellen mußten, daß Versuche mit neuen Giftgasen gemeint waren. Wie Sie sich, als der Faschismus besiegt war, zunächst wieder der SPD zuwandten und als Stadtverordneter aktiv wurden, bis Willy Brandt die Große Koalition mit dem Altnazi Kurt-Georg Kiesinger einging – da traten Sie aus. Wie Sie lernten, Fossilien zu präparieren, und wie daraus Ihre Bücher »Mineralien und Steine« und »Muscheln und Schnecken« entstanden. Wie Sie in fernen Ländern geologisch und archäologisch forschten, bis Sie 84jährig nach Deutschland zurückkehrten und sich dann in Lübeck unter anderem in der VVN/Bund der Antifaschisten, bei attac und im allwöchentlichen politischen Gesprächskreis engagierten. Wir wissen von Ihnen auch, daß Sie Ossietzky von der ersten bis zur letzten Zeile lesen. Wenn Ihre Augen Ihnen das nicht mehr erlauben, wünschen wir Ihnen regelmäßige Vorlese-Hilfe.