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Titel1118

Bienen und Natur, Merkel und Engels  (Manfred Sohn)

Am 16. Mai schloss die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Rede in der Haushaltsdebatte mit einem Loblied auf die Bienen, die für das stünden, »was wir unter Artenvielfalt« verstünden. Dieser Passus hat vor allem unter ihrer grünalternativen Anhängerschar viel Zustimmung gefunden. Vielleicht hätte der eine oder die andere etwas genauer hinhören sollen auf das, was sie dort verkündete. An das Lob gegenüber den possierlichen Tierchen schloss sich nämlich die Formulierung an, sie stünden nicht nur für Artenvielfalt, sondern für das, was wir »unter Natur, darunter, wie sie funktionieren muss und soll … verstehen«.

 

Wie Natur »funktionieren muss und soll« – das ist eine enthüllende Formulierung. Könnte die Natur lachen, würde sie es laut tun – denn sie wird niemals zum Maßstab ihres »Funktionierens« das machen, was sie aus Sicht der Kanzlerin einer der großen kapitalistischen Nationen zu tun und zu lassen hat.

 

Vielmehr verhält es sich weiterhin so wie Friedrich Engels in seiner »Dialektik der Natur« (MEW 20) ausführte:

»Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, daß sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem sie ihnen mit den Wäldern die Ansammlungszentren und Behälter der Feuchtigkeit entzogen. Die Italiener der Alpen, als sie die am Nordabhang des Gebirgs so sorgsam gehegten Tannenwälder am Südabhang vernutzten, ahnten nicht, daß sie damit der Sennwirtschaft auf ihrem Gebiet die Wurzel abgruben; sie ahnten noch weniger, daß sie dadurch ihren Bergquellen für den größten Teil des Jahrs das Wasser entzogen, damit diese zur Regenzeit um so wütendere Flutströme über die Ebene ergießen könnten. Die Verbreiter der Kartoffel in Europa wußten nicht, daß sie mit den mehligen Knollen zugleich die Skrofelkrankheit verbreiteten. Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.«

 

Solange im Gegensatz dazu Regierungschefs davon träumen, der Natur vorschreiben zu können, wie sie zu funktionieren habe, wird es wohl weiter ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben, auf welche Weise sich die Menschheit selbst zugrunde richtet: Durch einen großen Krieg oder durch die allmähliche Zerrüttung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen.