erstellt mit easyCMS
Titel122013

Eine Enthüllungsgeschichte  (Katharina Schulze)

Und wenn er nur jene 1000 (tausend!) Feuilletons geschrieben hätte, die die legendäre Wochenpost in den Jahren zwischen 1968 und 1988 unter dem Titel »Mit beiden Augen« gedruckt hat – der Platz im Literatenhimmel wäre ihm sicher. Doch Heinz Knobloch ist ein ungewöhnlich fleißiger Mann gewesen, ein äußerst gewissenhaft recherchierender und vielseitig interessierter dazu. Er hat mehr als fünfzig Bücher veröffentlicht: vor allem Feuilletonsammlungen mit so charmanten Titeln wie »Herztöne und Zimmermannssplitter«, »Stäubchen aufwirbeln«, »Mißtraut den Grünanlagen«; Biographisches: »Herr Moses in Berlin« – eine Würdigung des jüdischen Aufklärers, Philosophen und Schriftstellers Moses Mendelssohn, »Meine liebste Mathilde« – Sympathieerklärung für eine Frau, die Rosa Luxemburg ihren »guten Engel« nannte, »Der beherzte Reviervorsteher« – die Geschichte des ungewöhnlich couragierten Polizisten Grützfeld, der in der Pogromnacht 1938 den Brand der Synagoge in der Oranienburger Straße verhinderte; Autobiographisches: »Eierschecke – Eine Dresdner Kindheit«, »Das Lächeln der Wochenpost – Wie unsereins Zeitung machte«. Auch ein Lehrbuch hat Knobloch verfaßt: »Vom Wesen des Feuilletons«. Und er ist Mitautor eines Kochbuchs: »Weltreise mit Messer und Gabel«. Zudem hat der bekennende Feinschmecker die nördliche Eierscheckengrenze definiert, die am Börderand, bei Haldensleben zu suchen wäre.

Die Leserschar der Knoblochschen »Kritzelfrüchte« ist sechsstellig. Frauen und Männer aller Altersgruppen waren gleichermaßen berührt von den detailgetreuen und selbstironischen Reflexionen ihres Alltags wie vom unaufdringlichen Bemühen des Autors, Interesse für manches Fremde und besonders immer wieder Verständnis zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Deutschen zu wecken. Und nicht zuletzt war es der Humor, von dem sich die Leser angesprochen fühlten, beziehungsweise von dem, was sie »zwischen den Zeilen« entdeckten.

Wohlwollend auch die Reaktionen gesellschaftlicher und staatlicher Institutionen: der Verleihung des FDGB-Literaturpreises folgten der Heinrich-Heine-Preis, der Goethepreis der Stadt Berlin, der Lion-Feuchtwanger-Preis der Akademie der Künste der DDR, der Nationalpreis für Kunst und Literatur. 1994 kamen der Moses-Mendelssohn-Preis für Toleranz und 1998 der Verdienstorden des Landes Berlin hinzu. Das Mendelssohn-Buch wie auch das über Mathilde Jacob wurden im Westen veröffentlicht. Dennoch blieb Knobloch dort drüben weitgehend unbekannt. Die Zeiten und der Literaturbetrieb wurden lauter. Um Kno, der zeitlebens zu den Leisen zählte, wurde es stiller. Im Jahre 2003 ist Heinz Knobloch verstummt. Seine Urne wurde wunschgemäß im Familiengrab in Dresden-Tolkewitz beigesetzt.

Ein reger Freundeskreis – der Verleger, der Buchhändler, einige Kollegen – hält die Erinnerung wach an den Mann, der kein Schriftsteller sein wollte, aber einer der wichtigen war. Seit seinem 80. Geburtstag heißt die Grünanlage dem Haus gegenüber, in dem er seit 1957 wohnte, Heinz-Knobloch-Platz. Zum 10. Todestag soll an dem Gebäude eine BERLINER GEDENKTAFEL angebracht werden. Diese spezielle Form einer Ehrung wurde 1987 in West-Berlin zur 750-Jahrfeier der Stadt ersonnen und inzwischen auf die östlichen Stadtbezirke ausgedehnt. Denn: »Einziges Kriterium der zu Ehrenden sind die Leistungen für oder in Berlin. Politische Überzeugungen oder Alibifunktionen bleiben unberücksichtigt. Grundsätzlich sollen nur Personen bzw. Institutionen mit einer Gedenktafel bedacht werden, die auch von überregionaler Bedeutung sind.« Soviel aus den Richtlinien der Historischen Kommission, die das Prozedere überwacht.

Selbige Voraussetzungen nachzuweisen, fiel dem Freundeskreis nicht schwer. Er hat zudem eine Erklärung zur Übernahme der Kosten abgegeben und 2500 Euro gesammelt und die Zustimmung des Stadtbezirks Pankow eingeholt. Die weiße Tafel aus Königlich-Preußischem Porzellan wird einmal in den Besitz des Bezirksamtes übergehen. Schwieriger war es, dem Vorstand der Ersten Wohnungsbaugenossenschaft Pankow die Erlaubnis abzuringen, daß vier Befestigungsschrauben in die gerade frisch gedämmte Hausfassade gebohrt werden dürfen. Es wurden »Kältebrücken« befürchtet. Schließlich mußten sich die Freunde nur noch über den Text der Tafel verständigen – und zwar mit der Historischen Kommission. Über die erste Zeile – »Du überlebst, wenn du nicht alles machst, was befohlen wurde« (ein Knobloch-Zitat) – und über die letzte – »Gefördert durch die GASAG Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft« (ein bekannter Preis-Treiber) – war man sich schnell einig. Nicht aber über die weiteren Angaben. Der Freundeskreis hätte gern erwähnt gesehen, daß Heinz Knobloch 38 Jahre für die Wochenpost gearbeitet und den Heinepreis sowie einen Nationalpreis bekommen hat. Die Herren der HiKo konzentrieren sich auf die beiden post-DDR-Auszeichnungen und die Mitteilung »Publizistisch wirkte er in der Tradition der ›Berliner Aufklärung‹«. Richtig bemerkt. Der Satz wird dennoch den einen oder anderen Betrachter der Gedenktafel ins Grübeln bringen. Der Freundeskreis mag durchsehen: Besser eine fragwürdige Tafel, als gar keine. Im Dienste der Sache – wie man einmal sagte – war er zu jedem Kompromiß bereit. Wieder einmal haben die Sieger der Geschichte gewonnen.

»Helf er sich!« würde Knobloch gesagt haben.