erstellt mit easyCMS
Titel1217

Das Lachen ist vergangen  (Ralph Hartmann)

Im Weißen Haus, in Washington D. C. und im ganzen Gottes eigenem Land grassiert in diesen Tagen ein Begriff: special counsel (Sonderermittler). Die einen hoffen auf entlarvende Ermittlungsergebnisse, die dem gegenwärtigen Präsidenten noch weiter in die Bredouille bringen könnten, die anderen erwarten Resultate, die beweisen, dass er zwar kein Unschuldslamm ist, aber immer nach Recht und Gesetz gehandelt hat.

 

In der Tat, um gegen oder für Donald Trump zu ermitteln, gibt es genügend Gründe, vor allem zu der für das Staatsoberhaupt des »reichsten und mächtigsten Landes der Welt« entscheidenden Frage: Wie hält er es mit der Wahrheit? Die Washington Post hat sich die Mühe gemacht, das zu untersuchen. Sie kam zum Ergebnis, dass der US-Präsident allein in den ersten 34 Tagen seiner Amtszeit 133 falsche oder irreführende Behauptungen aufgestellt habe. Das seien knapp vier Unwahrheiten pro Tag. An vier Tagen habe Trump mehr als sieben Mal gelogen. Hat das Blatt Recht mit dieser Behauptung oder lügt es selbst? Ein special counsel könnte untersuchen, ob das Hauptstadtblatt nur Fake News verbreitete oder ob der 45. US-Präsident tatsächlich so ein schlimmer Lügenbold ist.

 

Untersucht werden könnte zum Beispiel auch, ob der präsidiale Immobilienmilliardär Staats- und Privatgeschäfte fein säuberlich auseinanderhält. Mischt sich der Meister aller Deals wirklich nicht in die privaten Geschäfte ein, die er offiziell einer von seinen Söhnen geleiteten Treuhandgesellschaft übergeben hat? Außerdem: Wie halten es die anderen Milliardäre in seiner Regierungsmannschaft?

 

Auch könnte ein special counsel aufklären, ob der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte berechtigt war, nach dem Anblick von Fotos der bei einem Giftgasangriff umgekommenen syrischen Kinder den Befehl zum Angriff mit Marschflugkörpern auf einen Luftwaffenstützpunkt in dem immer noch souveränen syrischen Staat zu geben? War das etwa gar kein zu verurteilender völkerrechtswidriger Aggressionsakt?

 

Aber gell, mit solchen Kleinigkeiten haben sich US-Ermittler und gar special counsels noch nie befasst. Weshalb dann ausgerechnet bei Donald Trump nachhaken, der im Vergleich zu George W. Bush noch immer ein Waisenknabe ist? Nein, und nochmals nein! Es geht um Wichtigeres, es geht um die mögliche Kumpanei des gegenwärtigen Präsidenten mit den Antichristen, den Erzfeinden wahrer Demokratie. Es geht um Russland und seinen Diktator Wladimir Putin. Hat sich dieser wider alle Regeln des Völkerrechts mit Cyberangriffen gegen die Demokratische Partei und deren Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt und so Donald Trump zum Sieg verholfen? Und mindestens genauso verbrecherisch scheint die Tatsache zu sein, dass einer der engsten Mitstreiter des jetzigen Staatsoberhauptes, Michael Flynn, noch vor seiner Berufung zum Sicherheitsberater mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak Kontakte und gar noch telefonische unterhalten hatte. Ein unglaublicher Verstoß gegen alle Regeln des Völkerrechts und der Diplomatie! Aus langjähriger eigener Erfahrung weiß ich, dass es Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und -mitgliedern wie überhaupt Politikern des Gastlandes streng untersagt ist, Kontakte zu Botschaftern zu unterhalten, ganz zu schweigen auf dem Wege von Fernsprecheinrichtungen.

 

Doch Flynns Vergehen, das mit seiner alsbaldigen Absetzung geahndet wurde, war noch nicht einmal der Höhepunkt sitten- und rechtswidriger Kontakte zu den Russen. Für diesen sorgte Präsident Trump höchstselbst. In einem Gespräch mit dem in Washington weilenden russischen Außenminister Sergej Lawrow ließ er sich dazu hinreißen, dem Gast äußerst sensible Geheimdienstinformationen anzuvertrauen. Der unerfahrene Lawrow unterschätzte diese Secret-service-Informationen, so dass er sie nicht einmal in seinen Reisebericht aufnahm. Das brachte ihm sogar eine Rüge Putins ein. Wörtlich erklärte dieser nach einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni: »Ich muss Lawrow eine Rüge erteilen, denn er hat mir keines dieser Geheimnisse mitgeteilt.« Auch die russischen Geheimdienste habe Lawrow über Trumps »Geheimnisse« im Ungewissen gelassen, so Putin weiter. »Das ist sehr schlecht von ihm.«

 

Der öffentlich so Getadelte nahm die Kritik mit einem Lachen zur Kenntnis. In seiner Naivität hatte er angenommen, dass die vertrauliche Information, nach der der IS plane, in Flugzeugen auch präparierte Laptops als gefährliche Sprengsätze einzusetzen, weltweit bekannt sei. Namhafte Juristen sind da anderer Meinung; so der bekannte ehemalige Harvard-Jurist und einer der bekanntesten Strafverteidiger der USA Alan Dershowitz gegenüber CNN: »Es handelt sich um die schwerwiegendste Anschuldigung aller Zeiten gegen einen amtierenden US-Präsidenten. Das darf man nicht unterschätzen.«

 

Wie dem auch sei, das fahrlässige Ausplaudern dieser »Information« durch Trump brachte das Fass seiner schlimmen Verfehlungen zum Überlaufen. Auf Anordnung eines stellvertretenden Justizministers wurde zur Aufklärung der vaterlandsverräterischen Kontakte des Präsidenten und seiner Gehilfen der eingangs erwähnte special counsel eingesetzt und mit dieser Aufgabe der frühere FBI-Chef Robert Mueller betraut. Gestützt auf einen erfahrenen Mitarbeiterstab ist er nun dabei, penibel alle Verfehlungen des Präsidenten aufzudecken. Nun gut, nicht alle, aber jene, die er gemeinsam nicht mit irgendeinem, sondern – und darin liegt das Schwerwiegende der Causa – ausgerechnet mit den Russen begangen hat.

 

In seinen vorsichtigen Andeutungen vor und nach seiner Wahl, die Beziehungen mit Moskau zu entspannen, hatte der allmächtige, aber politisch unerfahrene Trump schlicht und einfach außer Acht gelassen, dass nicht nur Barack Obama, unterstützt von Hillary Clinton, die US-amerikanisch-russischen Beziehungen in ein schwer begehbares Minenfeld verwandelt hatte, sondern dass das sogenannte Establishment der USA – von Ausnahmen während des Zweiten Weltkrieges und in der Zeit des trinkseligen Boris Jelzin abgesehen – tief vom Virus der Russophopie befallen war und ist. Gerade in den USA wie auch in der Bundesrepublik ist der abgrundtiefe Antisowjetismus längst wieder zum Antirussismus geworden. Das Vorrücken der von den USA geführten NATO-Streitkräfte an die russischen Staatsgrenzen ist dafür ein Menetekel. Trump hat es gewagt, wenigsten ansatzweise eine Verbesserung der Beziehungen zu Moskau ins Auge zu fassen. Das konnte nicht gut gehen. Nun soll der Sonderermittler versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen oder Voraussetzungen zu schaffen, um ihm das Handwerk zu legen.

 

Putin gestand, dass diese antirussische Hysterie, Trump nennt sie kurz »this Russia thing«, die Russen anfangs zum Lachen brachte. Aber heute sei es nicht nur traurig, es gebe Anlass zur Sorge, denn man frage sich, wozu diese Menschen noch in der Lage seien, die solchen Unsinn produzieren? Es überrasche ihn, »dass sie die innenpolitische Situation in den Vereinigten Staaten mit antirussischen Slogans zerrütten – entweder sind sie dumm und verstehen nicht, dass sie ihrem eigenen Land damit schaden, oder sie verstehen es genau, und dann sind sie gefährliche und skrupellose Leute«. Da ist ihm zu widersprechen. Politische Dummköpfe waren schon immer skrupellos.