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Titel1308

Antworten

Deutsche Gerichtsbarkeit. – Zu den Errungenschaften, die wir Ihnen verdanken, gehört die Entscheidung, daß sich strafbar macht, wer die Nationalfarben – die auf die 1848er Revolution zurückgehen und damals noch nichts mit Fußball zu tun hatten – als Schwarz-Rot-Gelb bezeichnet. Das Problem ist nun aber, daß gerade gegenwärtig überall in Deutschland Fahnen rausgehängt, runtergelassen oder aufgespannt werden, die eindeutig schwarz-rot-gelb sind. Die Ossietzky-Redaktion hat eine Stichprobe gemacht und nach Prüfung von 100 Fahnen an parkenden Autos in der Nähe des Berliner Hauses der Demokratie und Menschenrechte feststellen müssen: Ausnahmslos bestehen sie aus schwarzen, roten und gelben Streifen. In keinem Fall ist Gold zu entdecken. Welchen Schluß sollen wir daraus ziehen? Machen sich die Besitzer der Autos strafbar? Oder die Verkäufer der Fahnen? Und wer noch? Wenn Sie alle Schuldigen zu einer Geldstrafe von je 100 Euro verurteilen, kommen bestimmt viele Millionen Euro zusammen, denn dieser Mißbrauch eines nationalen Symbols unter Verwendung der Farbe Gelb hat in den letzten Wochen epidemische Ausmaße angenommen und ist auch anläßlich der bevorstehenden Olympischen Spiele wieder massenhaft zu befürchten. Durch systematische Verfolgung und Aburteilung können Sie also dem Fiskus ordentlich Geld zukommen lassen, und Sie würden damit sicher eine abschreckende Wirkung erreichen. Freilich dürfen Sie dann auch die Bundesregierung nicht schonen, die seit der Entwicklung ihres Corporate Design 1999 die Farben Tiefschwarz, Verkehrsrot und Rapsgelb verwendet. Oder wollen Sie uns einen ganz anderen Schluß nahelegen? Wollen Sie uns etwa mit strafrechtlichen Sanktionen dazu erziehen, eine Farbe anders zu nennen, als wir sie sehen? Verlangen Sie einen Wahrnehmungsfehler oder eine bewußte Lüge als Beweis rechter nationaler Gesinnung? Ein dritter möglicher Schluß empfiehlt sich: In Zukunft dürfen nur noch solche BRD-Fahnen verwendet werden, deren drittes Drittel aus Goldfäden gewebt ist. Zu teuer? Nein: Besser ist doch, wir opfern der Nation Edelmetall als unseren klaren Blick und unsere Wahrhaftigkeit. Ein Beispiel: Wenn alle deutschen Ehefrauen und Ehemänner ihre Eheringe hergäben, um unser Land in echtem deutschem Goldglanz erstrahlen zu lassen …– das wäre eine Tat, die gewiß noch viele spätere Generationen mit Stolz darüber erfüllen würde, Deutsche zu sein.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung für Hindukuscheroberer. –
Sie haben Sorgen, die Sie mit extra langem Atem sogar in die Überschrift packen: »Erst lesen, dann warnen, dann schießen. Deutsche Soldaten haben strengste Vorschriften für den Einsatz der Waffe. Jetzt wird Kritik laut.« Die schärfsten Kritiker sind Sie von der Sonntagszeitung. Sie monieren, daß die deutschen Soldaten am Hindukusch in den beiden afghanischen Hauptsprachen, Paschto und Dari, vor dem Schießen erst aufsagen müssen: »Vereinte Nationen – stehenbleiben oder ich schieße.« Wobei das Problem hinzukomme, daß »Feldwebel mit sächsischem oder schwäbischem Akzent« das Paschto-Wort für schießen (»dasee«) nicht korrekt aussprechen könnten. Ihnen mißfällt es, wenn unsere Jungs erst nach diesen umständlichen Präliminarien tun dürfen, was sie gelernt haben: die Leute totschießen – zumal nun auch für Sie, die FAS, »deutlicher wird, daß die Deutschen am Hindukusch nicht nur Brunnen bohren, sondern auch kämpfen«. Wissen Sie was? Fragen Sie doch einmal das Verteidigungsministerium, wieviele Gefangene die berühmte Einsatzgruppe E der Bundeswehr, das »Kommando Spezialkräfte« (KSK), bisher in Afghanistan gemacht hat. Beziehungsweise ob. Uns sagen die Presseoffiziere darüber nix. Aber Sie, vom zuverlässigen Blatt, erfahren vielleicht, daß das KSK nur Analphabeten einstellt, die durch das Lesen von Sonntagsvorschriften für den Schußwaffengebrauch gar nicht erst verwirrt werden können.

Herfried Münkler, Starpolitologe. –
Als professoraler Leitartikler der Frankfurter Rundschau nehmen Sie die Volksabstimmung in Irland zum Anlaß, Alternativen der europäischen Politik zu beschreiben. Entweder: »Intensivierung des Demokratieprozesses, mehr Transparenz, mehr Referenden und mehr politische Partizipation«. Oder: »Europa als Eliteprojekt…, getragen durch den entschiedenen Willen zur Selbstbehauptung in einer globalen Welt«. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten werde man sich entscheiden müssen. Sie empfehlen die zweitgenannte. Die Offenheit, mit der Sie postdemokratische Lösungen offerieren, ist bemerkenswert.

Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, EU-Parlamentarier. – Bei der weithin üblichen Schelte der störrischen Iren haben Sie sich als gelernter grüner Basisdemokrat besonders ruppig geäußert: Jetzt müsse »Härte gezeigt werden« – als »Antwort auf eine skandalöse Entscheidung«. Schon vor dem Referendum hätte den Iren gesagt werden müssen: »Raus oder rein bei der EU.« Offenbar haben Sie nicht mitbekommen, daß über einen »Reform«-Vertragsentwurf abgestimmt wurde, nicht über die EU-Mitgliedschaft.

Berthold Huber, Gewerkschaftsvorsitzender. –
Viel Medienbeifall haben Sie für Ihren distanzierenden Brief an Lothar Bisky und Oskar Lafontaine bekommen; »die IG Metall wendet sich ab von der Linkspartei«, so die Berichterstattung. In Ihrem Schreiben beteuerten Sie, »Aufstände und Permanentdemonstrationen« seien nicht »die richtige Strategie für die Gewerkschaften«. Das war überflüssig. Kein Mensch erwartet von einer Gewerkschaft, der Sie vorsitzen, derlei Eruptionen.

Horst Köhler, möglicherweise weiterhin Bundespräsident. –
Eine »Agenda 2020« haben Sie in Ihrer jüngsten Berliner Rede gefordert, weil die Agenda 2010 so erfolgreich gewesen sei. »Wer nicht lange nach einem guten Arbeitsplatz suchen muß, braucht auch keine Angst vor Hartz IV zu haben«, so eines Ihrer Argumente. Zeitgleich sprach der Chef der Bundesagentur für Arbeit von einer »leider schlechten Nachricht«: Nur drei bis vier Prozent der arbeitsuchenden EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld II konnten in einen sozialversicherungspflichtigen Job vermittelt werden. (Und dann steht immer noch dahin, ob es sich um existenzsichernde Arbeitsplätze handelt.) Peinlich für Sie, daß im Bundespräsidialamt niemand tätig ist, der den höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik über die Fakten in den sozialen Niederungen informiert.

Landgericht Hamburg. – Eine Klage des Unternehmens Ixion gegen die Redakteurin der Website Labournet haben Sie abgewiesen; es ging unter anderem darum, ob im Zusammenhang eines betrieblichen Konfliktes die Manager als »Kapitalisten« bezeichnet werden dürfen. Wir wissen nicht so recht, was wir von Ihrer Entscheidung halten sollen. Manche Kapitalisten könnten erleichtert sein, wenn gerichtlich festgestellt ist, in der Verwendung des Wortes liege nichts Ehrenrühriges.

Ossietzky-Leserinnen und -Leser. – Einige von Ihnen scheinen – wie wir gelegentlichen Anfragen entnehmen – übersehen zu haben, was wir in Heft 3/08 annonciert hatten: Für das Problem, daß die Ossietzky-Hefte nicht von selbst jahrgangsweise schön aufrecht im Regal stehen, gibt es eine – inzwischen schon vielhundertfach erprobte – Lösung, nämlich einen Schuber aus leichter, aber stabiler roter Pappe mit schwarzer Aufschrift »Ossietzky«. Ein Jahrgang paßt genau in einen Schuber. Unser Verlag verschickt zwei Schuber für zusammen 5 Euro zuzüglich 1,45 Euro Versandkosten.