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Titel1311

Gott und die Homosexualität  (Hartwig Hohnsbein)

Der Deutsche Bundesjugendring ist das Netzwerk der deutschen Jugendverbände. Unter seinem Dach sind 45 konfessionelle, ökologische, kulturelle und politische Zusammenschlüsse mit etwa 5,5 Millionen Jugendlichen vereint, unter denen der Bund der Deutschen Katholischen Jugend mit 650.000 Mitgliedern und die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland mit 1,2 Millionen Mitgliedern mehr Jugendliche vertreten als jeder andere Verband. Unter den 36 Organisationen der Evangelischen Jugend ist wiederum der CVJM-Gesamtverband in Deutschland mit seinen 330.000 Mitgliedern, seinen 850 hauptamtlichen Mitarbeitern und weiteren 500.000 Jugendlichen, die jährlich an seinen Veranstaltungen teilnehmen, die weitaus größte Jugendorganisation in Deutschland. Seit April hat der Christliche Verein Junger Menschen einen neuen Generalsekretär, Roland Werner. Er will die Zusammenarbeit des CVJM mit den Amtskirchen verstärken, das Bibellesen unter seinen Mitgliedern mit Kampagnen fördern und seine Arbeit mehr als bisher in den Medien präsentieren.

Werner ist ein guter Organisator und ein emsiger Bücherschreiber; 58 seiner Buchtitel sind im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek ausgewiesen. Seinen Doktortitel verdankt er einer sprachwissenschaftlichen Arbeit aus dem Gebiet der Afrikanistik, doch sein Aufstieg bis an die Spitze des deutschen CVJM ist wohl eher mit seinen Schriften zur Homosexualität und seiner zupackenden Arbeit innerhalb der evangelikalen Bewegung zu erklären.

Sein Organisationstalent wurde 2008 im Zusammenhang mit dem evangelikalen Christival in Bremen bekannt (s. Ossietzky 6/08), wofür er als Leiter dieses frommen Spektakels die ebenfalls evangelikal angehauchte damalige Familienministerin Ursula von der Leyen als Schirmherrin hatte gewinnen können und deshalb posaunte: »Die Bundesregierung steht voll hinter uns.« Pech für ihn, daß ein ursprünglich geplantes Seminar über die angebliche Heilbarkeit von Homosexualität auf Grund starken öffentlichen Drucks, insbesondere des Grünen-Politikers Volker Beck, abgesetzt werden mußte. Dabei war und ist es gerade das »Thema Homosexualität«, das nach Werners Auffassung »heute so brennend ist wie wenige Themen sonst«. So steht es im Schlüsselsatz zu Beginn seiner Schrift »Homosexualität und Seelsorge« (1993), die für seine Glaubensgenossen in ihrem unermüdlichen Kampf gegen »praktizierte Homosexualität« zu einem Standardwerk geworden ist. Ganz eng an der Bibel orientiert, die für ihn »in allen Fragen der Lebensführung irrtumslos ist«, weiß er, daß »Geschlechtsumgang zweier Männer« von Gott persönlich verboten wurde, also »Sünde«, ja eine Todsünde ist, die nach 3. Mose 20,Vers 13 mit dem Tode bestraft werden muß (s. Roland Werner: »Homosexualität und Seelsorge«, S. 100 f.). Dennoch, und auch das weiß Werner aus den göttlichen Geheimnissen, ist das noch nicht Gottes letztes Wort. Halleluja! Rettung ist möglich, denn »homosexuelle Gefühle sind erworben, nicht angeboren«, haben also nach seinem »Glauben« keine »genetischen Ursachen«.

Damit setzt sich sein Glaube zwar über alle wissenschaftlichen Erkenntnisse der Genetik hinweg, wonach »als gesichert angenommen werden kann, daß eine genetische Veranlagung ... für Homosexualität besteht« (s. Wikipedia, Homosexualität, Genetik) – doch das ist ja gerade das Wesen des Glaubens, wie er ihn versteht. So kann Jesus sein Erlösungswerk beginnen. Er wird aus »der Bindung an die Sünde herausretten« und hineinführen in das »eheliche Einswerden von Mann und Frau, das unter dem segnenden Ja Gottes steht«. Bloß: Was wird aus denen, die sich aus ihrer Homosexualität nicht »herausretten« lassen? Sie müßten, die Bibel fordert es ja, irgendwie zu Tode gebracht werden. In früheren Zeiten, als die Kirchen noch mächtig waren, war das auch in unserem Lande möglich; heute gibt es hier für die Bibeltreuen ein Problem.

Als Geschäftsführer der größten deutschen Jugendorganisation wird Werner seinem Bibelglauben zur Homosexualität treu bleiben, und seine Schriften dazu werden noch mehr wahrgenommen als bisher. Der aberwitzige Kampf gegen die Homosexualität wird wohl wieder ein fester Bestandteil christlicher Jugendarbeit werden, wie er es bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts war, ebenso wie damals der Kampf gegen die Onanie ein fester Bestandteil christlicher Unterweisung war; kaum ein Konfirmand konnte sich dem entziehen, bisweilen mit traumatischen Folgen.

Die Evangelische Kirche hat im Dezember 1932, in der »Urteilsverwirrung unserer Tage«, »Richtlinien« zu den »Fragen der geschlechtlichen Sittlichkeit« für alle Gemeinden herausgebracht. Die Aussagen über die Homosexualität gipfeln in der Forderung: »Homosexuelle Vergehen sind schwere Sünde; die Kirche muß strenge gerichtliche Strafe fordern.« Bald danach wurden die Gesetze dazu verschärft ... Diese »Richtlinien« blieben in der kirchlichen Praxis, besonders auch in der Jugendarbeit, bis weit über 1945 hinaus unangefochten. Auch Nikolaus Schneider, der jetzige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, dürfte das wissen. Er selbst ist beim CVJM »groß geworden« und nahm deshalb auch die Amtseinführung des neuen Generalsekretärs vor: wegen der »Verantwortungsgemeinschaft von Kirche und CVJM«.

Ein Nachtrag: Einen Tag später wurde in Ungarn eine neue Verfassung verabschiedet, deren Autoren an die Zeit der faschistischen Diktatur in Ungarn vor 1945 anknüpfen. Atheisten, Roma und Homosexuelle werden das zu spüren bekommen. Während UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, es gebe weltweit Besorgnis über diese Verfassung, jubelte die Ungarische Evangelische Allianz, weil das Christentum, »Grundlage unserer Zivilisation«, wieder die »nationale Identität« schaffen soll. Die Ungarische Allianz ist mit der Deutschen Evangelischen Allianz, der Dachorganisation der Evangelikalen, eng verbunden, in deren Hauptvorstand Werner berufen wurde. Ein kritisches Wort zu dieser Verfassung ist weder von ihm noch von seinem Hauptvorstand bekannt geworden. Glaubensbrüder ...