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Titel1312

Gundula Gause  (Volker Bräutigam)

– die meist leise lächelnde Moderatorin des heute journal im ZDF – las am 5. Juni abends diese mutmaßlich aus eigener Feder stammenden Sätze – sie ist schließlich »Redakteurin im Studio« – vom Teleprompter ab: »Den USA ist erneut ein Schlag gegen Al Kaida gelungen. In Pakistan ist bei Angriffen mit Drohnen die Nummer Zwei des Terrornetzwerkes, al-Libi, getötet worden. Zunächst war nicht klar, ob al-Libi bei dem Angriff wirklich ums Leben kam. Doch am Abend kam die offizielle Bestätigung aus Washington. Nach dem Tod von Osama bin Laden ist dies ein weiterer Erfolg für US-Präsident Obama im Kampf gegen al Kaida.«

Nochmals die Kernaussagen: Den USA ist ein Schlag gelungen. Angriffe in Pakistan. Nummer Zwei des Terrornetzwerkes. Getötet. Kam ums Leben. Erfolg für Obama.

In jeder dieser Formulierungen steckt Infamie – Quintessenz aus Zynismus, Rechtsnihilismus, Rohheit, Ignoranz, Unaufrichtigkeit und Gedankenlosigkeit. Ich sehe in der ZDF-Meldung ein Musterbeispiel für den verbreiteten Gehorsams- und Vernebelungsjournalismus.

Kein Wort darüber, daß die US-amerikanischen Drohnenangriffe in einem nicht kriegführenden, einem verbündeten Land das Völkerrecht verletzen (s. Norman Paechs Klarstellungen in Ossietzky 12/12), daß diese mittlerweile gewohnheitsmäßig begangenen Kriegsverbrechen die wenigen noch verbliebenen Fundamente internationalen Rechts erschüttern, voran die Allgemeine Menschenrechtskonvention und die Genfer Konventionen. Gundula Gause verlor auch kein Wort darüber, daß US-Präsident Obama sich inzwischen wöchentlich Listen mit den Namen von Zielpersonen für seine per Drohnenangriff zu vollstreckenden Tötungsbefehle vorlegen läßt, die Delinquenten höchstselbst auswählt und per Unterschrift zum Abschuß freigibt – womit er längst zum vielfachen Schreibtischmörder geworden ist.

Seine Tötungs-, nein: Mordbefehle haben, wie britische Medien berichten, bereits eine höhere Anzahl als die seines Vorgängers George W. Bush erreicht. Über die vielen Opfer unter Unbeteiligten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, führen die Angreifer gar nicht erst Buch. Kollateralschäden. Der US-amerikanische Autor John Grant nennt Obama den »Killer im Weißen Haus«. Ähnlich deutlich drückt sich The Miami Herald aus, eine der großen US-Tageszeitungen: »Obamas Alternative zur Verhaftung und Anklage von Verdächtigen ist: Er läßt sie weltweit einfach umbringen. Inzwischen starben hunderte, möglicherweise sogar tausende, und die meisten waren unbewaffnete Zivilisten.« Obama habe mehr als 250 gezielte Tötungen mittels Drohnenbeschuss befohlen, »mehr als sechsmal so viele, wie der gesetzlose Saukerl Bush in seiner gesamten Amtszeit befahl.« (» ...more than six times as many as the lawless yahoo Bush ordered during his entire presidency.«) Die äußerst kritischen Beiträge in vielen US-Zeitungen unterscheiden sich nicht nur wohltuend von dem Geschreibsel deutscher Schmocks, sie beziehen sich auch auf ganz offizielle Angaben des Beraterstabes im Weißen Haus, für dessen Offenheit sie eine einfache Erklärung haben: Obama habe ersichtlich ein Interesse daran, im Wahljahr als »Starker Mann« zu erscheinen.

Präsident Barack Obama: Verfassungsrechtler, Friedensnobelpreisträger, Ankläger, Richter und Henker in Personalunion. Mit Worten wie »Tod«, »getötet« und »ums Leben gekommen« verschleiern Gundula Gause und ihre Kollegen in den Nachrichtenagenturen und allen deutschen Leitmedien, was Obamas Sache ist: Massenmord, illegale Racheakte, menschenverachtende Gewalttaten. So demonstrieren sie ihr berufsethisches und moralisches Versagen. Solche »Nachrichten« vergiften das politische Bewußtsein und Rechtsempfinden der Zuschauer. Einen quantitativen Meßwert kann man immerhin vermelden: Die niederträchtige Sendung hatte 3,21 Millionen Zuschauer, das entsprach zu jener spätabendlichen Stunde einem »Markt«-Anteil von 11,6 Prozent.

Claus Kleber, ZDF-Chefmoderator, hatte die Sendung wie folgt eingeleitet: »Guten Abend! Das war kein sonderlich aufregender Tag heute, politisch gesehen ...« Klar doch, an diesem Tag verreckten ja bloß ein paar Pakistani im Feuer US-amerikanischer Drohnen. Nicht sonderlich aufregend: Einen solch arrogant-verlogenen Spruch kann nur ein Journalist vom Schlage Klebers ablassen. Ein Träger bedeutender Journalistenpreise und -auszeichnungen. In unserer verkommenen Medienwelt schließt das Eine das Andere nicht aus, die Kombination ist symptomatisch.