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Titel132013

Straßenkämpfe  (Kurt Pätzold)

In Wallerfangen, das ist ein kleiner Ort im Saarland nahe der deutsch-französischen Grenze, gibt es eine Franz-von-Papen-Straße. Benannt wurde sie nicht, wie die lokalen Autoritäten kürzlich die Mitglieder des saarländischen Landtages wissen ließen, nach jenem einstigen Reichskanzler und Vizekanzler im Kabinett Hitler, der mit vollständigem Namen Franz Joseph Hermann Michael Maria von Papen, Erbsälzer zu Werl und Neuwerk hieß, 1945 zu den Angeklagten des Hauptkriegsverbrecher-Prozesses gehörte, dort zwar, weil die Mithilfe bei der Etablierung der faschistischen Diktatur nicht als Straftatbestand galt, unbestraft blieb, über dessen unheilvolle Rolle in der deutschen Geschichte jedoch über alle politischen und ideologischen Grenzen hinweg kein Zweifel besteht.

Warum diese aufklärerische Hilfe? Weil in einer Debatte der Abgeordneten, als auf den Straßennamen verwiesen wurde, niemand gewußt oder jedenfalls niemand angemerkt hatte, daß mit diesem Franz von Papen vor Ort gerade nicht des Vaters, sondern des Sohnes gedacht wird, der seit 1930 auf dem Wallerfanger Hofgut derer von Papen lebte. Das war so schlimm oder gar folgenreich nicht. Denn es war von keinem Volksvertreter gefordert worden, die Regierung möge aus Gründen – sagen wir – des Nachweises lückenlos bewältigter Vergangenheit die Ortsoberen anregen, den Straßennamen zu ändern. Warum auch, wenn die Deutschen in vielen ihrer im alten Bundesgebiet gelegenen Städte noch immer mit Hindenburgstraßen leben? Warum sollen da die Wallerfanger? Und wie gesagt, gemeint haben die Straßentäufer den Sohn, worüber ein zusätzliches Täfelchen samt Erwähnung von dessen Hauptverdienst dem Ortsfremden ja Aufschluß geben und jeden Irrtum verhindern könnte.

Daß die Abgeordneten in Saarbrücken sich überhaupt mit der Benennung von Straßen und Plätzen befaßten, verursachte ein Anstoß aus Völklingen. Dort hatte eine über die Stadt hinaus ruchbar werdende Debatte dem Namen eines Stadtteils gegolten, der nach wie vor Hermann-Röchling-Höhe hieß, nach einem Manne, über den in Rede und Schrift und anhand von Dokumenten seit Jahrzehnten bekannt und belegt ist, daß er die Kennzeichnung Kriegsverbrecher uneingeschränkt verdient. Als solchen hatte ihn ein französisches Militärgericht zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Spät, um das zu schwache Wort doch zu benutzen, hatten die Abgeordneten des lokalen Parlaments beschlossen, sich von dieser Ehrung, denn das bedeutete die seinerzeitige Namensgebung doch, zu trennen. Allerdings nicht ganz. Sie entschieden am 31. Januar dieses Jahres, einzig den Hermann zu streichen, daraus folglich eine Ehrung der ganzen alteingesessenen Großindustriellenfamilie zu machen und es jedem Völklinger zu überlassen, fällt der Name, damit den Hermann (1872–1955) als geehrt anzusehen oder dessen Vater Carl (1827–1910), der zu seinen anderen Betrieben 1881 das Eisenwerk in Völklingen gekauft hatte und ausbauen ließ.

Die Mehrheit des Stadtparlaments, die mit ihrer inkonsequenten Entscheidung glaubte, ein Stück Lokalgeschichte gemeistert zu haben, stieß jedoch auf Widerspruch. Die ihn erhoben, reichten dem Landtag einen Gesetzentwurf ein, dessen Annahme es seinen Mitgliedern ermöglicht haben würde, im Falle, die örtlichen Autoritäten verweigerten sich der Demokratisierung ihres Stadtbildes, einzugreifen. Damit kam die Opposition, zu der sich Piraten, Linke und Grüne zusammengeschlossen hatten, bei den Regierungsparteien aber schlecht an. Ihr Antrag fiel durch. Denn, so die Argumentation, es solle weder den Kommunalpolitikern noch den Bürgern der Orte etwas vorgeschrieben werden. Sie müßten erst einmal über die Geschichte aufgeklärt werden, eine Empfehlung, die jedenfalls verriet, wie die regierenden Landespolitiker über den bisherigen Erfolg darauf gerichteter Anstrengungen dachten, selbst wenn nicht tiefere Einsichten, sondern einzig die bloße Kenntnisnahme und Würdigung von Tatsachen gefordert war. Was die Völklinger Bürger betraf, war sich der Sprecher der Sozialdemokraten in dieser Sache vollkommen unsicher. Daß deren Befragung im Hinblick auf die Benennung der Höhe unterblieben sei, erschien ihm weise. Denn man hätte ja nicht ausschließen können, daß die Befragten vor Ort gar für die Beibehaltung des vollen Namens eingetreten wären.

Zahlreicher als die Straßenkämpfe, die sich die Polizei bei Provokationen von Nazis nicht mit diesen, sondern mit antifaschistischen Gegendemonstranten liefert, sind momentan jene um die Gestaltung der öffentlichen Räume in vielen Gemeinden hierzulande. Die achtzigsten Jahrestage der Ereignisse von 1933 schufen den Damen und Herren der legislativen und der exekutiven Obrigkeit reichlich Gelegenheit, beispielsweise dem Herrn Kulturstaatsminister, sich zu dem Ungetanen hier und dort klar zu äußern. Doch lag denen vor allem daran, das Gedenken zu nutzen, um die Totalitarismusdoktrin aufzupäppeln.