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Titel1320

Stich ins Wespennest  (Conrad Taler)

Die Redensart, nach der man von einem Schwein kein Kalbfleisch erwarten darf, bringt die Probleme, die sich aus der Existenz und den Aufgaben des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) ergeben, auf den Punkt. Von Leuten, die darauf gedrillt werden, Dinge zu tun, die ein normaler Mensch niemals tun darf und auch nie tun würde, denen eingebläut wird, das Denken den Pferden zu überlassen, weil die einen größeren Kopf hätten, von denen kann man nicht erwarten, dass sie den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen, wie Bundesinnenminister Hermann Höcherl (CSU) sich 1963 ausdrückte, als der ihm unterstellte Verfassungsschutz beim rechtswidrigen Abhören von Telefongesprächen erwischt worden war. Alle politisch Verantwortlichen, die mit dem Laden zu tun haben, mussten das von Anfang an wissen.

 

Nun ist die Eliteeinheit wieder einmal ins Gerede gekommen und mit ihr der Militärische Abschirmdienst (MAD), von dem sich herausgestellt hat, dass manche seiner Leute mit dem rechten Klüngel beim KSK unter einer Decke stecken. In einem zwölfseitigen Brief an Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gab ein Hauptmann des KSK laut Spiegel einen düsteren Einblick in die geheime Welt der Einheit, in der einige die Bindung an die freiheitliche Grundordnung verloren hätten. Dort herrscht nach seiner Darstellung ein Kadavergehorsam, der jeglichen Widerspruch verstummen lasse. Niemand traue sich, offenkundig rechtsextreme Kameraden oder Dienstvergehen zu melden.

 

Neu ist das nicht. Auch Kramp-Karrenbauers Vorgängerin Ursula von der Leyen musste sich als Verteidigungsministerin mit rechtsextremen Vorkommnissen bei der Bundeswehr herumschlagen. Sie wurden wie üblich als bedauerliche Einzelfälle abgetan und hatten keinerlei erkennbare Konsequenzen. Dabei wird es wohl auch bleiben angesichts der Leisetreterei der neuen Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl (SPD). »Mir ist etwas sehr, sehr wichtig, und das möchte ich auch zu Beginn sagen«, meinte sie am 15. Juni im Deutschlandfunk. »Es gibt keinen Generalverdacht, weder gegenüber dem KSK noch gegenüber der Bundeswehr insgesamt.« Das seien Einzelfälle. Untersucht werden müsse auf jeden Fall, ob es rechtsextreme Strukturen oder Netzwerke gebe. Die Idee, über eine Auflösung der Truppe auch nur nachzudenken, wies die Sozialdemokratin weit von sich.

 

Da war ihr Vorgänger Hans-Peter Bartels schon viel weiter. Als er von der Welt am 18. Mai gefragt worden war, ob es ihn wundere, dass es beim KSK ungeachtet einer sorgfältigen Auswahl immer wieder rechtsextremistische Vorfälle gebe, gab er eine aufschlussreiche Antwort. Danach stand immer im Vordergrund, die »Härtesten der Harten« auszuwählen und sie in der Ausbildung noch härter zu machen. »Wenn das die Philosophie ist, dann kann das im Kopf von einigen Soldaten dazu führen, dass sie glauben, sie müssten auch politisch die Härtesten sein. Und dann kommen einige auf seltsame Bezüge zur deutschen Vergangenheit oder andere krude Theorien.« Das gelte nicht für das ganze KSK, aber eben doch für zu viele, als dass man es als bedauerliche Einzelfälle abtun könnte.

 

Was die seltsamen Bezüge zur deutschen Vergangenheit angeht, so haben sie ihre Wurzeln nicht unbedingt nur bei ausgewiesenen Rechtsextremisten, sondern auch in den Köpfen demokratischer Politiker und hochgestellter Militärs. Alfred Dregger, Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag von 1982 bis 1991, hielt Hitlers Angriff auf die Sowjetunion im Nachhinein für prinzipiell richtig.

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Zu spät

Ach, wie war es ehedem

für die Bundeswehr so schön.

Haupt und Glieder kerngesund.

Heut’ jedoch läuft nichts mehr rund.

 

Selbst beim schmucken KSK

täglich Stunk und viel Trara.

Alle sind zwar gut gewillt,

werden aber rechtsgedrillt.

 

Von der Leyens Ursula

kam der Sache schon mal nah.

Jetzt versucht es Annegret,

aber leider viel zu spät.

 

Nichts wird richtig aufgeklärt,

wer auch immer sich beschwert.

Weiß man doch: Beim Militär

tun sich Demokraten schwer.

C. T.

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In seinem Buch »Der Preis der Freiheit« bedauerte er nur, »dass dieser Krieg nicht als Befreiungs-, sondern als Eroberungskrieg konzipiert« worden sei. Das sei »ebenso dumm wie verbrecherisch« gewesen (München 1985, Seite 11). Ähnlich äußerte sich der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Heinz Trettner. Er sah es als bewiesen an, »dass der Krieg gegen die Sowjetunion – anders als es die Umerziehungspropaganda behauptet – in erster Linie ein nur schweren Herzens begonnener, aufgezwungener Präventionskrieg war« (Bonner Generalanzeiger vom 11. März 1997).

 

Niemand fühlte sich aufgerufen, diesen kruden Theorien entgegenzutreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel steckte den Kopf in den Sand, als sie 2009 im Internationalen Congress Centrum Berlin sagte: »Es gibt keine Umdeutung der Geschichte.« Natürlich gibt es sie. Ganz ohne Grund dürfte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wohl nicht ein Forschungsprojekt auf den Weg gebracht haben, bei dem der Umgang des Präsidialamtes mit der NS-Vergangenheit untersucht werden soll. Es geht um etwaige personelle oder ideelle Kontinuitäten, um Reden, Staatsbesuche, Termine im Inland und Ordensverleihungen.

 

Auch in diesem Fall kein Echo. Nur als die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dazu aufrief, Rassismus und Gewalt bei den deutschen Sicherheitskräften, insbesondere bei der Polizei, durch eine unabhängige Stelle untersuchen zu lassen, war die Aufregung groß. Manche empfanden das als populistisch. Dabei war es nur, siehe KSK, der sprichwörtliche Stich ins Wespennest. Wie heißt es doch so treffend bei Stefan Zweig: »Es ist niemals überflüssig, das, was wahr ist und gerecht, so lange zu wiederholen, bis es sich Geltung erzwingt.« (»Ein Gewissen gegen die Gewalt«, Frankfurt/Main 2006, Seite 160).

 

In seiner Textsammlung »Das dünne Eis von gestern und heute« (Verlag Ossietzky, 14 zzgl. 1,50 Versand) geht Conrad Taler im Beitrag »Immer nur Einzelfälle« auf die lange Geschichte der Bagatellisierung rechtextremistischer Vorkommnisse ein.