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Titel1408

Attentat auf unsere Kultur  (Otto Köhler)

»Wohlig«, so berichtete der Schriftsteller Wolfgang Schneider am ersten Juli-Samstag in der Welt über einen Besuch im Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud in London, »wohlig erinnere ich mich meines Erschreckens, als ich in einem der halbdunklen Räume plötzlich dem lebendigen Humphrey Bogart gegenüber stand, der dann doch nicht lebendig, sondern bloß eine Nachbildung war. Der dortige Hitler war von allen wächsernen Nachbildungen, die ich von dem Kerl kenne, die mit der größten Annäherung.« Und in seiner Liebe zu Wachskabinetten konnte der Schriftsteller dem nun auch in seiner reichshauptstädtischen Wirkungsstätte Berlin ausgestellten Adolf Hitler durchaus etwas abgewinnen. Nur, so urteilte er, »einige Bannerträger der politischen Korrektheit finden dies einen Skandal.« Doch während Welt-Autor Schneider an jenem Samstagmorgen sich mutmaßlich noch dem wohligen Schlaf des politisch Unkorrekten hingab, hatte der Attentäter schon zugeschlagen. Um 10.06 Uhr öffnete die gepriesene Berliner Dependance erstmals ihre Pforte. Um 10.09 Uhr geschah das erste erfolgreiche Attentat auf den Führer. Der 41jährige Frank L. schwang sich über den schützenden Tisch und riß Adolf Hitler den Kopf ab. Der Attentäter wurde nach kurzem Kampf festgenommen.

Da L., wie auffallend schnell bekannt wurde, vorbestraft ist, muß ihn die ganze Härte des Gesetzes treffen. Das Delikt, das rechtzeitig auf die kriminelle Disposition des Attentäters hätte aufmerksam machen müssen, ist kein geringes: Gegen ihn ist ein rechtskräftiges Urteil wegen Schwarzfahrens ergangen, eine schwere Straftat, die zum Beispiel im national weitgehend befreiten Sachsen dazu führen kann, daß eine Mutter vierzehn Tage nach Geburt ihres Säuglings ohne Aufschub die darob verhängte Gefängnisstrafe absitzen muß. Kein Zweifel also an der kriminellen Energie des Attentäters. Unser aller Linksparteichef Lothar Bisky nannte seine Untat sogar »kulturlos«.

Aufsehen erregte es, daß sich inzwischen der Staatsschutz in die Ermittlungen gegen den Attentäter eingeschaltet hat. Aber dagegen ist nichts einzuwenden. Adolf Hitler war immerhin Führer und Kanzler des Deutschen Reiches, unser damaliges Staatsoberhaupt. Auch unser nunmehriger Staat weiß, was rechtens ist. Der Witwe des am Attentat auf den Führer vom 20. Juli beteiligten und hingerichteten Generals Helmuth Stieff wurde jahrelang ihr Pensionsanspruch verweigert, weil – wie die Bundesbehörden geltend machten – »doch in jedem Lande der Versuch, das Staatsoberhaupt zu beseitigen, mit den höchsten Strafen geahndet« werde.

So gesehen müßte den Mann, der Hitler am ersten Juli-Samstag 2008 den Kopf abriß, wie einst in Wolfgang Staudtes unvergeßlichem Film »Rosen für den Staatsanwalt« als einzig angemessene Sühne die Todesstrafe treffen.