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Titel1514

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Thomas Oppermann, historisierender Sprachprüfer. – Ein Landtagsabgeordneter der Linkspartei hat per Facebook den Bundespräsidenten als »widerlichen Kriegshetzer« bezeichnet. Das sei eine »unglaubliche Schmähkritik«, haben Sie im Bundestag erklärt, sie liege auf der derselben Linie wie die »Strategie der Nazis in der Weimarer Republik gegen den Reichspräsidenten Friedrich Ebert«. Ihre Beurteilung wirft viele Fragen auf. War es nicht so, daß Deutschnationale und Nazis dem sozialdemokratischen Politiker in der Sache den genau entgegengesetzten Vorwurf machten, nämlich: Er habe gegen den kriegführenden deutschen Staat gehetzt? (Allerdings warf man dies Ebert zu Unrecht vor, er war durchaus militärgläubig.) Und was die Äußerung des linken Abgeordneten angeht: Das Wort »widerlich« enthält laut dem »Deutschen Wörterbuch« mehrere Möglichkeiten der Ausdeutung, eine davon ist »unerträglich«. Ob Gauck allerdings der Rolle des »Hetzers« zuzuordnen ist, läßt sich bezweifeln; er pflegt eher als Prediger aufzutreten. Was seinem Anliegen, den »Waffengang« für das Normale in der deutschen Weltpolitik zu erklären, ja auch durchaus nützlich ist. Der Christdemokrat Jürgen Todenhöfer hat den Bundespräsidenten als »Dschihadisten« abgebildet – vielleicht trifft das den Sachverhalt? Nicht hinterfragt haben Sie, wieso Gauck in demselben Interview, das linke Kritik hervorrief, die kriegerische deutsche Politik in Kaisers und Hitlers Zeiten auf den Begriff »Imponiergehabe« brachte. (Das sei heute nicht mehr zeitgemäß, versicherte er.) Sprachprüferisch hätten Sie da bemerken können, daß damit staatsverbrecherische Kriege, auch die der Nazis, auf unglaubliche Weise verharmlost werden.

Annette Schavan, Rompilgerin. –
Der Bundestag hat Ihren Abschied mit Segenswünschen begleitet, der Verlust der regulären Doktorwürde (das Ehrendoktorat bekamen Sie dann als Trostpflaster) bescherte Ihnen das Amt einer Botschafterin der Bundesrepublik am Heiligen Stuhl. Fiskalisch ist das sinnvoll; sonst müßte der Staat Ihnen eine Pension und einer anderen Person das Botschaftergehalt zahlen. Vorsorglich hatten Sie sich schon der italienischen Sprache genähert, aber beherrschen Sie das Kirchenlatein? In historischen theologischen Quellen ließen sich gewiß Gedanken finden zu Ihrem einstigen Promotionsthema, den Theorien über Gewissensbildung. Das würde die Chance einer Kernsanierung Ihrer Studie bringen. Kritiker Ihrer Entsendung nach Rom meinen, es fehle Ihnen die diplomatische Vorbildung. Ach was, der jetzige Papst hat keine Vorliebe für solcherart Firlefanz. Achten sollten Sie nur darauf, daß er Sie nicht ansteckt mit seinen Zweifeln an Glaubenssätzen der Marktwirtschaft. Dann wäre Ihnen nicht einmal die Freundschaft der Kanzlerin weiterhin sicher.

Jürgen Habermas, Diskurskünstler. –
Vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten bei der Europawahl hatten Sie sich einen Durchbruch zur europäischen Demokratie erhofft, zum souveränen Parlamentarismus. Im liberalen Feuilleton, soweit noch existent, fand Ihr Gedankenspiel kurzzeitig Interesse. Und dem SPD-Vorsitzenden gab es Gelegenheit, Intellektualität vorzuweisen. Jetzt, seit der Leerung der Urnen, geht das europäische Politikgeschäft wieder seinen gewohnten Gang. Ihr Hoffnungsträger darf vermutlich noch mal für eine Halbzeit den Parlamentspräsidenten darstellen; im EU-Parlament wird weiter eine matte Große Koalition ihr Pensum erledigen; als EU-Kommissionspräsident wurde ein konservativer, von Skandälchen behafteter Routinier ausgekungelt. Die Entscheidungen werden anderenorts getroffen, kein Anzeichen für eine europäische Demokratisierung ist zu erblicken. Offenbar haben Sie geglaubt, Marx auf den Kopf stellend, sich als philosophischer Interpret Europa verändern zu können. So kann auch ein kluger Mensch irren. Die Machtinhaber im europäischen Territorium sind durch Gedankenkünste nicht aus ihren Bahnen zu bringen.

Raymond Kurzweil, Singularitanier. – Kleinigkeiten sind Ihre Sache nicht, Sie kümmern sich als leitender Google-Entwickler lieber um Großformatiges. In einem einmaligen Schöpfungsakt, den Sie »Singularität« nennen, wollen Sie schon in absehbarer Zeit vergleichsweise doofe biologische Systeme überwinden und an ihre Stelle hyperintelligente, sich selbst replizierende Hochleistungsrechner von kosmischen Ausmaßen setzen, sozusagen durchgeistigte Materie und Energie des Universums auf nanotechnologischer Grundlage. Bei Ihren Forschungen sind Sie derzeit auf Drittmittel aus der Industrie angewiesen, die sich spätere Profite verspricht. – Doch halt, wem nützt die künftige Geldmacherei nach dem baldigen Ende des Menschen? Die klugen Computer der nahen Zukunft werden mit bunt bedruckten Geldscheinen doch wohl nichts anfangen können? Würde es, Herr Kurzweil, nicht der Anstand gebieten, den Herren und Damen Investoren klipp und klar mitzuteilen, daß ihr Kapital in den Silicon-Valley-Sand gesetzt ist?

Rand Paul, US-Senator und Augenarzt. –
Sie haben vielen die Augen geöffnet: Ein Grund für das Erstarken von ISIS (»Islamischer Staat im Irak und in Syrien«) seien Waffenlieferungen der USA an ISIS-Partner. »Wir sind mit ISIS in Syrien verbündet« und kämpfen gegen die dortige Regierung »auf derselben Seite«, erläutern Sie. Im Irak hingegen wolle Ihr Land die – inzwischen als Terroristen bezeichneten – ISIS-Kämpfer stoppen. Das halten Sie für »einen echten Widerspruch in dieser ganzen Politik«. Recht haben Sie, doch daß die Vereinigten Staaten in der Wahl von Bündnispartnern nicht zimperlich sind, ist bekannt. Und daß die USA in »Verbündeten« auf einmal zu bekämpfende »Terroristen« sehen, kommt zum wiederholten Male vor. Diese Politik ist nicht nur widersprüchlich, sondern für viele von ihr betroffene Einheimische leider tödlich.

Ossietzky-Leserinnen und -Leser. –
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