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Titel1614

Antworten

Erika Steinbach, Nervensäge. – Mit Ihrem Verzicht auf die Wiederwahl als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen ziehen Sie die Konsequenz aus der nicht mehr zu übersehenden Bedeutungslosigkeit Ihres Vereins. Als politische Hilfstruppe werden die Vertriebenen, soweit noch vorhanden, nicht mehr gebraucht. Die Oder-Neiße-Grenze ist kein Reizthema mehr und für die Nachkommen der Gutsbesitzer im Osten ist nichts mehr zu holen. Was die historische Einordnung der Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg angeht, so hat die Berliner Vertreibungsstiftung inzwischen die Weichen ganz in Ihrem Sinne in Richtung Geschichtsrevision gestellt. Aber das funktionierte erst nach Angela Merkels energischem: Jetzt halt endlich die Klappe, Erika!

Tom Buhrow, Intendant des Westdeutschen Rundfunks. – Sie haben die Streichung von 500 Stellen angekündigt. Unter anderem soll der »Bericht aus Brüssel« entfallen. Wie Ihr Fernsehdirektor Jörg Schönenborn mitteilte, ist auch geplant, die Lokalberichterstattung einzuschränken. Wir finden das konsequent, nachdem schon die Westdeutsche Zeitung Lokalredaktionen abbauen will und der Essener Funke-Konzern die Redaktion der Westfälischen Rundschau aufgelöst hat. Die Monopolisierung der Medien muß weitergehen; das scheint ein ehernes Gesetz zu sein. Ein »verkürztes und verjüngtes Programm«, so verheißen Sie, werde »mehr Spaß« bringen. Klar. Am besten verzichten Sie ganz darauf, das Publikum mit Politik zu behelligen. Fragt sich nur, warum Sie nicht gleich mit RTL zusammentun. Ein Einheitsprogramm mit viel Spaß und viel Werbung – das wäre das billigste, das profitabelste. Lassen Sie doch einfach Bertelsmann machen!

Willi Steul, Intendant des Deutschlandradios Kultur. – Mit der Absetzung der Sendung »2254 Nachtgespräche« haben Sie einen starken Beitrag zur Entdemokratisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geleistet. 22 Jahre lang konnten sich Hörerinnen und Hörer unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 in lebhafte Diskussionen einschalten und tatsächlich sogar auch mal non-konforme Meinungen beisteuern. Das konnten Sie offenbar nicht länger dulden. Es paßt zu Ihrem Vorgehen, daß Sie eine Studie, die der sogenannten Programmreform zugrunde liegen soll, geheimhalten. Wir aber halten es mit denen, die sich jetzt mit einer Petition gegen den Bevormundungsfunk wehren (Adresse: www.rettet2254.info).

Heiko Maas, Bundesjustizminister. – Um Ihre Reputation sind Sie nicht ohne Geschick bemüht, aber nun steht Ihnen Unangenehmes bevor: Der Bundesnachrichtendienst will Deutschland endlich auf NSA-Niveau bringen bei der Megaschnüffelei. Milliarden von Daten aus dem Internet sollen »echtzeitnah« erfaßt und ausgewertet werden, mit der Software Hana des Unternehmens SAP SE. Die Festplatte ist zu langsam, mit dem RAM-Arbeitsspeicher würde alles ganz fix gehen. »Stärken Sie die Unternehmensleistung durch kraftvolle Lösungen« heißt die Devise bei SAP. Einige Bedingungen muß der BND noch bei der Hardware klären, doch das ist nur eine Kostenfrage; da wird sich der Bundeshaushälter nicht lumpen lassen. Aber wie steht es mit der rechtlichen Seite, wenn die sozialen Netzwerke querdurch ausgespäht werden? Das ist Ihr Problem. Zu dem Projekt des BND sagen Sie: »Auch Geheimdienste müssen sich an die Gesetze halten.« Na ja, zumindest dürfen sie Gesetze nicht so brechen, daß es allzusehr auffällt. Und wenn dieses Risiko besteht, müssen eben Gesetze novelliert oder neu ausgedeutet werden, nach intensiver Abwägung selbstverständlich. Sich darum zu kümmern wird in Sachen BND-Echtzeit-Internetüberwachung demnächst Ihre Aufgabe sein. Gewiß werden Sie dabei berücksichtigen: Die Bundesrepublik braucht beim Ausspähen gleiche Augenhöhe mit den USA. Die NSA muß dann nicht erzürnt sein. Es gibt ja den nordatlantischen Datenaustausch.

Carsten Luther, Zeit-Redakteur. –
Das schreckliche Ende eines Passagierfluges kann, so werden Sie es sich zurechtgedacht haben, ein neues Kapitel in der Zeitgeschichte einleiten: »Dieser Abschuß ändert alles«, titelten Sie. Egal, wer geschossen hat; jetzt – so ihre Hoffnung – werde der Westen davon abkommen, mit Putin und Rußland »zu weich« umzugehen: »Keine Sanktion ist zu hart.« Nicht nur wirtschaftliche Strafmaßnahmen haben Sie im Sinn, die Beteiligung von NATO-Staaten an den »Militäroperationen« in der Ukraine dürfe nun »kein Tabu mehr sein«. Da befinden Sie sich im Einklang mit vielen journalistischen Kollegen. »Der Krieg ist zurück ... Der Todesflug könnte dem Westen die Augen öffnen«, hieß es zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung. Neue Stahlgewitter kündigen sich an, in deutschen Redaktionsstuben herrscht erwartungsvolle Stimmung, Krieg hat bekanntlich reinigende Fähigkeiten. Und eine Abkommandierung an die Ostfront hat auch ein Außenpolitiker der Zeit nicht zu befürchten.

Sigmar Gabriel, Vizekanzler. – Auch Sie haben sich, im Gespräch mit dem Spiegel, für härtere Sanktionen gegen Rußland eingesetzt; man solle den Oligarchen westliche Konten sperren, ihnen hier keine Einreiseerlaubnis mehr geben. Nachteile für die europäische Wirtschaft müßten in Kauf genommen werden. Ihre Begründung: »Auf den Schultern der Oligarchen ruht die russische Politik.« Offenbar hoffen Sie auf eine Revolution gegen Putin, durch Schaden klug gewordene Oligarchen sollen seinen Sturz organisieren. Aber so etwas kann Schule machen, demnächst kommen Oligarchen im Westen auf die Idee, es gegenüber hiesigen Regierungen auch mal mit dieser Methode zu versuchen, das soll es ja schon mal gegeben haben, durchaus mit Effekt. Bleiben Sie vorsichtig – niemals die Leute mit dem ganz großen Geld verärgern!