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Titel1711

Frieden schaffen mit deutschen Waffen?  (Jürgen Rose)

Jürgen Trittin lügt. Wider besseres Wissen bezeichnet der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag die von der Bundesregierung erteilte Genehmigung zur Lieferung deutscher Kampfpanzer an Saudi-Arabien als »Bruch mit den bisherigen Traditionen deutscher Nahost-Politik« und behauptet wahrheitswidrig: »In solche Gebiete wird solches Gerät nicht geliefert.« Die Parteivorsitzende Claudia Roth heuchelt. Sie deklamiert theatralisch: »Wenn nun 200 Kampfpanzer an Saudi-Arabien geliefert werden sollen, dann ist das illegal« – als hätten sich die Grünen als Partei des organisierten Menschenrechtsbellizismus um Grundgesetz und Völkerrecht gesorgt, als sie in Komplizenschaft mit der SPD die Bundesrepublik Deutschland entgegen der jahrzehntelang tradierten »Kultur der militärischen Zurückhaltung« in drei Angriffskriege verwickelten. Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, wirft Nebelkerzen. Er schwadroniert, die Ausfuhrgenehmigung sei »ein Bruch mit der bisherigen Praxis, keine Rüstungsgüter in Krisengebiete zu exportieren«, und fordert die Bundesregierung mannesmutig zu mehr Transparenz bei Rüstungsexporten auf. Und mein Genosse Gernot Erler, der als Vorsitzender des Förderkreises »Darmstädter Signal« untragbar wurde, nachdem er, als Staatsminister im Auswärtigen Amt an die Pfründe der Macht gelangt, gemeinsam mit seinem Chef Joseph Fischer von US-Außenministerin Madeleine Albright im Krieg gegen Jugoslawien gelernt hatte, die Bombe zu lieben, sollte einfach mal die Klappe halten.

Um nicht mißverstanden zu werden: Hier geht es nicht darum, einen schmutzigen Rüstungsdeal schönzufärben, dessen Fragwürdigkeit sich inzwischen herumgesprochen hat. Am pointiertesten formuliert der Linkspartei-Vorsitzende Klaus Ernst: »Nun gibt es die tödlichsten Panzer für die schlimmsten Unterdrücker.« Daran ist nicht zu deuteln. Aber führende Politiker von SPD und Grünen tun jetzt so, als würden sie sich über das Vorgehen der gegenwärtig amtierenden Bundesregierung entrüsten, und spekulieren darauf, daß ihr ebenso erregtes Publikum längst vergessen hat, für welche sinistren Rüstungsgeschäfte die jetzigen Wortführer verantwortlich zeichneten, als sie noch selbst die Regierung stellten.

Ein Paradebeispiel liefert der schon genannte Volker Beck im Freitag. Wortreich kritisiert er durchaus zu Recht den Leopardensprung nach Riad. Irgendwann muß ihm beim Schreiben der Gedanke an die politische Urteilskraft seiner Leserschaft gekommen sein, da er schließlich einräumt, daß er (wie seine Parteifreunde Trittin und Roth, versteht sich) als Mitglied einer ehemaligen Regierungspartei selbst »im Glashaus« sitzt. Denn: »Rot-Grün hat selbst Rüstungsexporte genehmigt, die auf öffentliche Kritik stießen. So haben wir U-Boote an Israel geliefert, das aufgrund dauerhafter Drohungen darauf angewiesen ist, sein Existenzrecht zu verteidigen.« Was der Grünen-Politiker so vorbehaltlos rechtfertigt, erweist sich bei näherer Betrachtung als reichlich widersprüchlich. Erstens liegt Israel unbestreitbar im Nahen Osten, deutsche Rüstungswertarbeit hat also in der Vergangenheit keineswegs einen Bogen um diese Region gemacht. Ebenso zweifelsfrei liegt Israel mitten in einem Krisen- und Kriegsgebiet, ein Umstand, der nicht nur Trittin und Roth widerlegt, sondern auch die Rabulistik eines Volker Beck. Denn in Bezug auf Saudi-Arabien zitiert er aus den geltenden Rüstungsexportrichtlinien: »Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht« und »in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden«; eben diesen Tatbestand läßt er aber im Falle von Waffenlieferungen an Israel völlig außer acht. Verschärfend kommt hinzu, daß es sich bei Israel um einen Staat handelt, dessen Gründung, wie der israelische Historiker Ilan Pappe akribisch dargelegt hat, mit der »ethnischen Säuberung Palästinas« einherging. Der Umstand, daß Israel seit Jahrzehnten ostentativ gegen das Völkerrecht verstößt und lediglich die Menschen- und Bürgerrechte des jüdischen Bevölkerungsteils, nicht aber die von christlichen und muslimischen Arabern, Drusen, geschweige denn die der Palästinenser achtet, entlarvt den instrumentellen Charakter der rot-grünen Menschenrechtsrhetorik im Falle Saudi-Arabien (und nicht nur da).

Wer die Universalität von Menschenrechten postuliert, darf nicht mit zweierlei Maß messen. Beck aber treibt es noch schlimmer, indem er das Essentielle des U-Boot-Deals wegläßt, so daß aus seiner halben Wahrheit eine ganze Lüge wird.

Die rot-grüne Bundesregierung hat nämlich damals nicht nur irgendwelche U-Boote geliefert, sondern der Atommacht Israel damit wissentlich und vorsätzlich Trägersysteme für ihr nukleares Waffenarsenal verfügbar gemacht. Dank der auf deutschen Werften für die Aufnahme der atomaren Bewaffnung eigens zugerichteten U-Boote des Typs U-212A (brennstoffzellengetrieben, wochenlang tauchfähig, praktisch unverwundbar und dadurch eines der gefährlichsten Waffensysteme der Welt) besitzt Israel die Option, seine militärische Vorherrschaft in der Region mittels nuklearer Vernichtungsdrohung auf Dauer unangreifbar abzusichern – ein wahrlich beeindruckender Erfolg verantwortungsvoller deutscher Rüstungsexportpolitik unter Rot-Grün als Beitrag zum Frieden in Nah- und Mittelost.

Aber auf solche Petitessen kommt es Volker Beck ohnehin nicht an, denn er fordert nicht etwa einen generellen Exportstopp für deutsche Waffen, sondern begnügt sich damit, für mehr Transparenz und weniger Geheimniskrämerei auf diesem Sektor zu werben. Mittels derartiger argumentativer Nebelkerzenwerferei versucht er, von der zwingenden Konklusion seiner Einlassungen abzulenken: nämlich daß es in seinen Augen auch Waffengeschäfte und Rüstungsexporte geben kann, die sich rechtfertigen lassen – wenn sie denn nur transparent sind. Kriterien für »gute« und »schlechte« Waffendeals? Keine.