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Titel1715

Frieden von Innen heraus – Johann Gottfried Herder  (Veit Noll)

In die Friedensdiskussion um 1794 reiht sich auch der Humanist und Superintendent von Sachsen-Weimar-Eisenach Johann Gottfried Herder (1744–1803) ein. Seine Konzeption erscheint 1797 in der »Zehnten Sammlung« der »Briefe zu Beförderung der Humanität«.


Zunächst erzählt Herder die Geschichte eines Friedensversuches indianischer Stämme. Man wählte einen Stamm aus und setzte diesen als unbewaffneten Friedensstifter in die Mitte. Der Stamm wurde mit einem Mittel versehen, den anderen das Zuhören zu erleichtern, sowie mit lindernder Medizin. So konnten kriegerische Konflikte zwischen den anderen Stämmen vermieden, gelindert und entschärft werden. Diese Friedensstiftung scheiterte, als man den Friedensstamm kampffähiger machte und mit einem Kriegsbeil versah.


Sodann nimmt Herder auf ein unveröffentlichtes Manuskript eines namentlich nicht genannten Freundes Bezug. Der Krieg zwischen den Menschen sei danach eine Naturerscheinung, wie Pest und Erdbeben. Im Menschengeschlecht seien zerstörende und erhaltende Kräfte angelegt. Diesen Kriegsfatalismus ließ Herder mit der eigenen Grundvorstellung, dass Krieg Menschenwerk sei, nicht gelten. Allgemeine Menschenvernunft und Billigkeit seien notwendig, um Frieden zu stiften. So entwickelte er die Vorstellung einer Friedensfrau (pax sempiterna) – in Anlehnung an den unbewaffneten friedensstiftenden indianischen Stamm – und skizzierte ihre sieben für den Frieden nötigen Gesinnungen:
Erstens: Der Krieg als Angriffskrieg – nicht die erzwungene Selbstverteidigung – ist zu verurteilen, da er der angegriffenen und der angreifenden Nation Mord und Verwüstung (Krankheiten, Hunger, Raub, Gewalttat, Verödung der Länder, Verwilderung der Gemüter, Zerstörung der Familien, Verderb der Sitten) bringe. Jeder einzelne edle Mensch solle diese Friedensgesinnung verbreiten.


Zweitens: Der Heldenruhm des Soldaten solle nicht als solcher gelten und vermindert werden. Der Länder erobernde Heldengeist sei ein Würgeengel der Menschheit.


Drittens: Eine »Staatskunst«, die auf Krieg ausgerichtet sei, gelte es zu entlarven und die Abscheu vor ihr zu vermitteln.


Viertens: Der Begriff des Patriotismus müsse gereinigt werden. Das Erobern fremder Länder sowie die Einmischung in ausländische Streitigkeiten dürften nicht als solcher gelten. Wie Banditen und Meuchelmörder müssen diejenigen erscheinen, die für oder gegen ein fremdes Volk die Ruhe ihrer Mitbürger untergraben.


Fünftens: Das Gefühl der Billigkeit gegen andere Nationen beinhaltet die Achtung ihrer Rechte und Wohlfahrt, ihrer Sitten und Meinungen, ihrer Götter und Nationalheiligtümer in der Religion, ihrer Kunst, ihrer Vorstellungsart und Lebensweise.


Sechstens: Gegenseitig fairer und wohltätiger Handel ohne Unterjochung einer anderen Nation und bei Freiheit der Transportwege über Meer und Ströme werde die Menschen vereinigen und dem Verhältnis der Völker wohltätig sein.


Siebtens: Der Kornstengel und der Ährenkranz als Symbole der schaffenden Arbeit, der nützlichen Tätigkeit, müssen das allgemeine Ansehen erhalten, nicht das verheerende Schwert, das Kriegsbeil. Der Arbeitende, nicht der Krieger sollte Achtung genießen. Die Vernunft, verbunden mit der Wahrnehmung durch Auge und Ohr, solle die Völker über das Tatsächliche des Krieges aufklären und als Arbeitende mit den Früchten nützlicher Arbeit einander näherbringen.


Herder formuliert diese Gesinnungen für das werktätige Volk. Er folgt damit seinem Gedanken, dass Philosoph und Plebejer einen Bund miteinander schließen müssten. Vernunft und interessierte Tatkraft sind zu vereinen. Von den Staatsregierungen selbst erwartet er keinen Fortschritt, es sei denn, sie werden – ohne Wissen und wider Willen – veranlasst, der Stimme ihrer eigenen Nation beziehungsweise der Stimme der Nationen zu folgen.


Herders Grundgedanke besteht darin, dass der Friede von Innen heraus, also im eigenen Land und im Bündnis der Völker durch tätige Vernunft, allgemeine Billigkeit und Humanität geschaffen werden müsse. Es handelt sich dabei um die aktivierende Einsicht in die verwüstenden Folgen des Krieges, der die Früchte nützlicher Tätigkeit vernichte und das menschliche Zusammenleben auch im Innern (Gemüter, Sitten, Familien) tiefgreifend störe.


Kant denkt primär rechtlich (Friedensvölkerrecht, Staatsrecht), auch wenn er ebenso wie Herder von den destruktiven Folgen von Krieg und Militär für die Allgemeinheit ausgeht und ebenso den Handelsgeist zwischen den Nationen als friedensstiftend ansieht. Herder spricht in erster Linie das Bewusstwerden und die notwendige Aktivität des arbeitenden Volkes an.


Diese Denkweisen der beiden Philosophen sind zeitbezogen unmittelbar praktisch. Die Verfassung der BRD verbietet in Artikel 26 die Durchführung des Angriffskrieges, selbst den Versuch dazu und sogar dessen Vorbereitung. Die Paragraphen 80 und 80a des Strafgesetzbuches stellen solche Handlungen als Offizialdelikte unter Strafe, das heißt, sie sind von Amts wegen zu verfolgen. Auch die Aufstachelung zum Angriffskrieg steht unter Strafe.


Das beinhaltet den Verfassungsauftrag, die in der BRD Schuldigen der Angriffskriege gegen Jugoslawien und Afghanistan zur Rechenschaft zu ziehen, und bedeutet weiterhin, dass der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen den Irak zu verurteilen und in der NATO ein Ausschlussverfahren gegen die USA einzuleiten ist. Andernfalls muss die BRD aus diesem Bündnis austreten. Die Beteiligung an einem Bündnis, welches den Angriffskrieg eines ihrer Mitglieder zulässt, widerspricht dem Grundgesetz der BRD. Entsprechend sind auch die verfassungswidrigen Kriegsübungen in der Colbitz-Letzlinger Heide einzustellen. Die dortige Übung der »Festnahme« von Führungskräften im asymmetrischen Krieg in Anderswo oder die Übung des Krieges im urbanen Zentrum haben ganz sicher nichts mit der militärischen Verteidigung der BRD zu tun. Da bleibt dem Plebejer für Frieden und Recht genug zu tun.