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Titel1720

Mangelhaft: Plan für Atommüll aus Asse II  (Andreas Riekeberg)

Es geht um viel. Dennoch war nur ein regionales Rauschen im Blätterwald zu vernehmen. Am 10. Juli stellte die Bundesgesellschaft für Endlagerung in Wolfenbüttel den Rückholplan für Asse II vor und gab auch seine Standortentscheidung für ein neues Atommüll-Zwischenlager bekannt. Prominenteste Gäste: Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses, und Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD). Live zugeschaltet war Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium.

 

Flasbarth sorgte für Erstaunen im Auditorium, als er in der Auseinandersetzung um die Errichtung eines Atommüll-Zwischenlagers verkündete, die Bundesregierung stehe hinter der Entscheidung, möglichst unmittelbar am Schacht Asse II ein solches Zwischenlager zu errichten. Offenbar wurde unabhängig von dem Ergebnis eines Vergleichs möglicher Standorte im Kabinett bereits entschieden. Dann wäre der Standortvergleich der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) kaum mehr als ein Feigenblatt.

 

Für lange Gesichter bei der Geschäftsführung der BGE sorgte hingegen die Expertise der wissenschaftlichen »Arbeitsgruppe Option – Rückholung« (AGO). Die Wissenschaftlergruppe arbeitet dem Asse-II-Begleitprozess zu und nahm Stellung zum Rückholplan der BGE über die Bergung des Atommülls aus der Schachtanlage Asse II und den weiteren Umgang mit dem Müll (https://www.ptka.kit.edu/ptka-alt/wte/421.php).

 

Schon der Titel des Berichtes, moniert die AGO, werde »dem Anspruch nur zum Teil gerecht«, weil »kein klar umrissener Weg zu Vorbereitung, Durchführung und Abschluss der Rückholung beschrieben« werde. Es sei eine »Zusammenfassung lang bekannter Sachverhalte, keine Planung«.

 

Zur Frage, ob an der Asse ein Zwischenlager für Atommüll errichtet wird, stellt die Wissenschaftlergruppe fest, dass die BGE »die Forderung der Begleitgruppe und der AGO nach Berücksichtigung zweier konkreter Asse-ferner Standorte beim Standortvergleich nicht erfüllt«. Es sei »ein Verfahren gewählt [worden], das faktisch auf den Grundsatz hinausläuft ›ein geeigneter Standort genügt‹«.

 

Die AGO kritisiert auch, welche radioaktiven Emissionen in die Berechnung der Belastung für die Anwohner*innen eingehen: »Die Ableitungswerte der Schachtanlage [sind] kein geeigneter Schätzer für die Ableitung bei/nach Rückholung«, denn »unter den derzeitigen Lagerungsbedingungen ist von einer starken Rückhaltung der Radionuklide auszugehen. … Eine angemessen-konservative Berücksichtigung bei übertägiger Lagerung der Abfälle könnte ggf. auch zu einer Bewertung führen, bei der Asse-ferne Standorte günstiger abschneiden.«

 

Der BGE-Rückholplan diene im Wesentlichen dem Ziel, möglichst nah an der Asse ein Zwischenlager für Atommüll zu errichten: »Der Suchprozess scheint vorrangig am Aspekt der einfachen Durchsetzbarkeit orientiert.« Ferner hält die AGO fest, dass sie eine »Auslegung des Zwischenlagers auf die Lagerung von Kernbrennstoff [für] nicht nötig« erachtet. Die AGO sieht sogar die Gefahr, dass beabsichtigt werden könnte, »in Zukunft das Zwischenlager Asse für die Lagerung von Kernbrennstoffen zu nutzen«. Zu den zahlreichen mangelhaft ausgeführten Themenbereichen gehören nach ihrem Urteil unter anderem »Langzeitaspekte der Zwischenlagerung und alternative Optionen, Umwelt- und Strahlenschutzaspekte bei Standortauswahl und Rückholung, Technische Umsetzbarkeit von Rückholvarianten«.

 

Der Asse-II-Koordinationskreis (A2K) unabhängiger Bürgerinitiativen kann sich durch die Stellungnahme der AGO darin bestätigt sehen, den sogenannten Rückholplan der BGE zurückzuweisen, besonders in fünf Punkten:

Erstens bestehe eine tiefe Kluft zwischen dem Anspruch, den der Titel »Rückholplan« vermittelt, und dem Inhalt der BGE-Ausarbeitung. Zweitens verhalte sich die BGE ignorant gegenüber dem Verlangen aus der Region, zwei konkrete Asse-ferne Standorte für ein Atommüll-Zwischenlager in einen Vergleich einzubeziehen, und sie vernachlässige drittens die Emission radioaktiver Teilchen aus dem Atommüll. Viertens sei die durch die neue Strahlenschutzverordnung bedingte Umstellung der Art und Weise, wie aus gegebenen radioaktiven Emissionen die Belastung der Menschen in der Umgebung berechnet wird, weder öffentlich wahrgenommen noch werde im Rückholplan darauf hingewiesen, obwohl diese Umstellung zu unabsehbaren Konsequenzen für die Abschätzung führt, wie gefährlich Atomanlagen für Anwohner*innen sind. Und fünftens sei der sogenannte Rückholplan mehr daran interessiert, ein langfristiges Zwischenlager und eine Atommüll-Konditionierungsanlage an der Asse zu errichten, als am Schutz von Mensch und Umwelt vor Radioaktivität.

 

Heike Wiegel bekräftigt das Resümee des A2K vor der Landespressekonferenz in Hannover am 3. Juli: »Alles läuft bei diesem Rückholplan darauf hinaus, die Errichtung von Konditionierungsanlagen und die Zwischenlagerung von Atommüll an der Asse mit unzutreffenden Daten erzwingen zu wollen, ohne vorher die rechtliche Zulässigkeit der Planungen und der Rückholung insgesamt zu klären.«

 

 

Plan zur Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II – Rückholplan, Peine 2020, siehe unter: https://www.bge.de/fileadmin/user_upload/Asse/Wesentliche_Unterlagen/Rueckholungsplanung/Der_Rueckholplan/2020-02-19_Rueckholplan_Rev00.pdf; Stellungnahme des Asse II-Koordinationskreises (unabhängige Bürgerinitiatven gegen die Flutung von Asse II) zum BGE-Rückholplan: http://www.asse-watch.de/pdf/PM_A2K_2020-04-16_zu_BGE_Rueckholungsplan.pdf