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Titel1809

Merkels Tischgesellschaft  (Gerhard Zwerenz)

Die Kanzlerin schloß mit Medwedjew milliardenschwere Wirtschaftsverträge ab. Der Russe bestieg seinen Flieger zurück nach Moskau, die polizeiliche Ehrenformation genoß den Abend beim Bier, und Frau Merkel wollte eben nach Meckpom aufbrechen, da drang Minister Jung ins Haus ein. So geht das nicht, schnaubte er, mit Handelsabkommen fängt es an, dann gibt es wie früher Freundschafts- und Nichtangriffsverträge! Die Kanzlerin hätte am liebsten ihre Beraterin Fürstin Gloria mit Jung reden lassen, die heikle Gespräche leicht aufs Katholische zu lenken versteht. Doch Gloria besichtigte eben ihre Schlösser. Warum so aufgebracht, erkundigte Angela sich friedfertig bei Jung und bot ein Glas hessischen Weißwein an. Der Minister blieb abstinent und erklärte sicherheitshalber: Wir sind in der NATO! Ob ich meine Beraterin Alice Schwarzer anrufe? überlegte die Kanzlerin. Schwarzer und Jung? Das riecht nach kriegerischer Männerfeindschaft in den eigenen Reihen. Der Minister geriet jetzt in rhetorischen Eifer. Unsere Soldaten stehen vom Balkan bis zum Hindukusch auf Wacht, rief er, unsere Tornados schützen den baltischen Luftraum! Wenn erst die Ukraine und Georgien zur NATO gehören, kommt der Luftraum bis zur Wolga hinzu, und wir sind endlich wieder eine ernstzunehmende Weltmacht. Die Kanzlerin fragte schnippisch: Mit Panzern aus dem Kleintierzoo? Der Minister errötete. Immer diese Frotzeleien wegen seiner niedlichen Dingos, Mungos, Marder und Füchse! Frau Kanzlerin, empörte er sich, unser neuester Panzer heißt Puma und stammt aus der Familie der Löwen. Vonwegen Kleintierzoo! Früher, dachte Merkel, hatten wir Tiger, Panther, Königstiger, und die bösen Russen schlugen mit T 34 und Stalinorgeln zurück. Doch sie verbot sich die ungebührlichen Erinnerungen an Krieg und Niederlage, die ihr wohl wegen der östlichen Sozialisation durch den Kopf schossen. Von jetzt an war klar: Jung sah zu alt aus, bei der nächsten Regierungsbildung bekäme Fürstin Gloria sein Ministerium. Das müßte selbst den Fremdgänger Seehofer so verblüffen, daß er mal für drei Minuten die Klappe hielte.

Selbstverständlich ist das alles Boulevardgeschwätz. Es geht um außerordentlich ernste Fragen hoher Politik. Wie lösten das die Vorfahren? Der Alte Fritz mittels Tabakkollegium. Hindenburg, indem er Hitler zum Reichskanzler ernannte. Adenauer ließ Globke freie Hand. »Die schmutzigen Hände« – das Stück von Sartre, wurde lange nicht aufgeführt. Basta-Schröder verteilte Zigarren fürs Bierholen. Was bleibt da einer ehrgeizigen Kanzlerin von heute übrig? Die schräge Vera Lengsfeld ging mit ihrem vierbusigen Plakat in die Wahlschlacht, das erinnert an Thüringer Kartoffelklöße. Angela lächelte evangelisch und dachte sich eine honorige Dauerrunde aus: Alice Schwarzer, Fürstin Gloria, die Springer-Witwe, Augsteins Witwen, überhaupt, an Witwen ist kein Mangel – was aber geben deren Dekolletés außer trüben Aussichten her? Köpfe statt Brüste? Da ist auch nicht viel zu erwarten. Kapital statt Politik? Angela rief kurz entschlossen den Josef Ackermann, einen Gastarbeiter aus der Schweiz, an. Der reagierte entzückt: Kostenlos 30 Freunde einladen? Sehr gern! 100 Prozent Rendite. Bald schon wußte es die ganze Halbwelt der bildungsfernen Reichen und hinterzogenen Geldsäcke. Derart entstand Merkels postmoderne Tafelrunde. Ackermann wurde dafür eigens 60 Jahre alt. FAZ-Schirrmacher kellnerte. Merkels Eheprofessor lauschte, unterm Tisch campierend, den rege ausgetauschten Staatsgeheimnissen. Er ist sauer wegen der Gattin listiger Übermacht. Von der femininen Viererbande Angela-Gloria-Alice-Vera ist die Rede. Die feministische Revolution steht vor der Tür. Wir haben den heimlichen Lauscher unter Vertrag. Soviel sei schon verraten: Die Chirurgen für Geschlechtsumwandlungen bekommen zu tun. Als erster drängt Ackermann unters Messer. Als Josefine Ackermann hat er größere Chancen für die Aufnahme in Merkels ständige Tafelrunde. Frau Ackermann finanziert mit ihren Boni den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Demnächst gründen die fünf Damen die Deutsche Bankpartei (DBP). Und wir alle wollen unsern Kaiser Wilhelm wiederhaben und singen die verbotene erste Strophe unserer Nationalhymne – endlich sind wir frei dazu.