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Titel1811

Am Strand  (Wolfgang Bittner)

Wir waren genervt, urlaubsreif. Also schlug meine Frau zwei Wochen Badeferien an der Schwarzmeerküste vor, und kurz entschlossen buchten wir einen sogenannten »Last Minute«-Urlaub. Eine wirklich gute Wahl! Ein echter Erlebnisurlaub voller Überraschungen und Prüfungen lag vor uns. Meine Frau und ich lieben Herausforderungen.

Was tut man nicht alles, um sich zu erholen! Leider hatte unser Flieger mehrere Stunden Verspätung, und nach dem überaus gründlichen Sicherheitscheck lagen die urlaubsreifen Nerven gänzlich blank. Schließlich kamen wir im Morgengrauen doch noch an, und die Entspannung konnte beginnen. Zugleich begann ein Urlaubsabenteuer, von dem wir noch lange zehren werden.

Haben Sie schon einmal mit Geckos in einem Bett geschlafen? Oder sich mit Kakerlaken im Glas die Zähne geputzt? Kennen Sie die Berührung mit Feuerquallen und Seeigeln? Und haben Sie schon einmal ein beim Flambieren in Brand geratenes Tischtuch gelöscht? Unvergeßlich die Entsetzensschreie der Tischnachbarn und die Geistesgegenwart der Kellner, wahrer Meister im Umgang mit Fleischspieß und Feuerlöscher!

Die Küste, an die uns »Last Minute« gebracht hatte, muß früher wirklich schön gewesen sein. Jetzt wurde die Bucht von den Prachtbauten der Hotels gesäumt, Nachempfindungen des Orients mit Säulen, Balustraden, Erkern, Kuppeln, Zinnen, Spiegelverglasungen und Türmchen im Minarettstil. Bezaubernd! Die Architekten hatten sich ihre Kinderträume erfüllt. Und bei diesem Anblick wurden auch wir unvermittelt in unsere Kindheit zurückversetzt.

Den Gästen stand nun der ganze Strand mit Tausenden von Sonnenschirmen und Liegen zur Verfügung. Schilder wiesen darauf hin, daß er einer »Beach Company« gehört, die ihn verwaltet. Unsere anfängliche Empörung über die Preise wandelte sich in Begeisterung, als wir hörten, daß viele der Einheimischen von Seeräubern früherer Zeiten abstammten. Phantastisch, diese Reality! Wir erfreuten uns an den wundervoll röhrenden »Speedboats«, die vor der Küste Wettrennen veranstalteten, und am Anblick anderer erlebnishungriger Urlaubsgäste, die beim Parasailing wie getrocknete Heringe am Himmel hingen. So trieben wir unsere Abenteuerstudien.

Unser etwas bescheideneres Hotel lag nur eine Gehstunde vom Strand entfernt. Es war in einem Neubaugebiet in Hufeisenform um einen Swimmingpool gebaut, an dem sich auch eine nette kleine strohgedeckte Bar befand. Hier saßen schon am frühen Morgen und bis in die späte Nacht die tapferen Trinker in ihren Badehosen. Zu den Bier- und Cocktail-Gesprächen, die das ganze Hotel erfreuten, kam die beliebte Techno-Musik vom Band.

Auch beim Frühstück, das – abgesehen von reichlich gebratenem Speck – leider ein wenig dürftig ausfiel, begleitete uns der herzerregende Techno-Sound. Dazu Fernsehen: Leichtbekleidete Models schürzten ihre aufgeblasenen Oberlippen und schwangen ihre gewaltigen Busen. Spannend die Kommentare unserer Tischnachbarn, einer Gruppe von Kegelbrüdern aus Villingen-Schwenningen.

Am Strand hatten wir uns auf zwei Liegen eingemietet. Dort verbrachten wir die abenteuerlichen Nachmittage. Danach bummelten wir auf der Erlebnispromenade von einem Lädchen zum anderen, um die reizenden Souvenirs für unsere Lieben daheim zu erstehen. Anschließend gab es das deftige Schwarzmeer-Menü mit Wein und Wodka. So verbrachten wir zwei spannende Wochen und freuen uns schon jetzt auf den »Last Minute«-Urlaub im nächsten Jahr, inzwischen fit für das Dschungelcamp.