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Titel1811

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Gudio Westerwelle, noch Außenminister. – Die »Jagd« auf Sie läuft, so verkünden die Konzernblätter und beteiligen sich daran als Treiber. Auch eine Ergebenheitsadresse an die NATO-Sieger bringt Ihnen keine Schonung. Immerhin ist eine Kopfprämie auf Sie nicht ausgesetzt; zudem wohnt der Jagdgesellschaft ja ein gelernter Bundeswehrstabsarzt bei, Ihr Parteivorsitzender und Kabinettskollege Philipp Rösler. Zu rechnen haben Sie vermutlich mit einem Abschuß ohne Exitus.

Peter Keitel, BDI-Präsident. – An Ihrer maßgeblichen Meinung stets interessiert haben wir Ihre Lageeinschätzung zu Libyen aus der Sicht des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) zur Kenntnis genommen: »Der Umbruch bietet auch wirtschaftliche Chancen – auch für deutsche Unternehmen. Selbstverständlich stehen deutsche Unternehmen bereit und strecken die Hand aus...« Damit Mißverständnisse erst gar nicht aufkommen, haben Sie erläutert: »... nicht als Hilfsorganisationen, sondern als faire Partner.« Nun bot zwar Libyen schon unter Gaddafi Chancen für ausländische Unternehmer, auch für deutsche, und die wurden sehr engagiert wahrgenommen, aber Sie haben Recht: Was Sie »Umbruch« nennen, also die weit- und tiefreichenden Zerstörungen in Libyen, haben geschäftlich hochinteressante Effekte, »Wiederaufbau« nach einem Krieg ist unternehmerisch so etwas wie ein Gesundbrunnen. Da kann man beide Hände ausstrecken. Und auch »fair« sein – wer bestellt und bezahlt, wird beliefert; das Umbrechen, bei dem es nicht fair zuging, ist ja bereits erledigt. Ob alle geschäftlichen Hoffnungen auf einen neuen Markt in Libyen sich erfüllen werden, ist allerdings ungewiß. Im umbrochenen Irak zum Beispiel ist nicht so viel zu holen, wie erst erwartet wurde. Das Wegbombardieren eines politischen Systems läuft eben manchmal nicht zielsicher ab. Eine Branche aber gibt es, die in jedem Fall wohlgemut in die Zukunft blicken kann: die Rüstungsindustrie nebst Waffenhandel. Da werden auch die neuen Machthaber in Libyen Bedarf haben, für den internen Gebrauch.

Werner Hoyer, Staatsminister im AA. –
In einem (ansonsten nicht dissidentischen) Beitrag zur derzeitigen Debatte über die deutsche Außenpolitik »gratulieren« Sie zwar der NATO »zum Erfolg in Libyen«, schreiben dann aber: »Jetzt müssen wir ... aus dem Umgang mit dem Fall Libyen lernen. Dabei gilt es nicht zuletzt den Fehler zu vermeiden, aus dem Einsatz der NATO in Libyen das Konzept des militärisch erzwungenen »regime change« wieder hoffähig werden zu lassen.« Das ist – bei aller Diplomatie in der Formulierung – ein in der Sache bemerkenswerter Satz, verglichen mit dem nachholenden Feldgeschrei anderer deutscher Politiker, Expolitiker und JournalistInnen.

Ulrike Winkelmann, taz-Redakteuerin. – Störrisch ist er, der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, er will einfach nicht einsehen, daß die Bundeswehr in Libyen hätte mitmischen sollen, obwohl Sie doch in Ihrem Interview mit ihm recht nachdrücklich formuliert haben: »Die Frage nach den zivilen Opfern beiseitegestellt – mit UN-Mandat in fünf Monaten von Diktatur zu Demokratie: Wer wollte etwas dagegen haben?« Ja wer denn, wenn wir Ströbele mal beiseite lassen. Jedenfalls nicht diejenigen, die beim Bombardieren ums Leben gekommen sind. Die sind nicht mehr in der Lage, ihre Meinung über Diktatur und Demokratie oder ein UN-Mandat zu äußern.

Humanistische Union. –
Sie werden 50. Wir gratulieren. Ein halbes Jahrhundert lang haben Sie sich um die Bürgerrechte in der Bundesrepublik verdient gemacht. Sie sind damit die älteste Bürgerrechtsorganisation im Lande, zugleich sind Sie aber auch die jüngste, nämlich die mit den geringsten Nachwuchssorgen. Ursprünglich sahen Sie eine Hauptaufgabe darin, Ausgänge aus dem schwarzbraunen Adenauer-Staat freizuschaufeln. Erfreulicherweise haben Sie Ihren antiklerikalen Angriffsgeist noch nicht ganz verloren, sondern weisen zum Beispiel gelegentlich wieder darauf hin, daß der ins Grundgesetz übernommene Weimarer Verfassungsauftrag, Kirche und Staat zu trennen, nach 92 Jahren weiter unerfüllt ist, so daß Jahr für Jahr, um nur ein Beispiel zu nennen, mehr als 460 Millionen Euro aus staatlichen Steuergeldern den Kirchen zufließen – ohne Zweckbestimmung, ohne Verwendungsnachweis. Aber Regierungen und Parlamentsmehrheiten neigen hierzulande ohnehin nicht zur Verfassungstreue, wie dem seit anderthalb Jahrzehnten alljährlich erscheinenden »Grundrechte-Report« zu entnehmen ist. Sie leisten die Hauptarbeit für Entstehung und Verbreitung dieses alternativen Verfassungsschutzberichtes. Hervorzuheben ist auch Ihre jüngste Aktion in Berlin: Vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus haben Sie geprüft, wie es die Parteien mit den Bürgerrechten halten. Sie fragten unter anderem nach verdachtsunabhängigen Kontrollen und anhaltsloser Videoüberwachung, nach Namensschildern für Polizisten und verbindlichen Bürgerentscheiden. Die Antworten der Parteien liegen vor. Was besonders auffällt: SPD und CDU sind sich allemal einig – gegen die Bürgerrechte.

Berliner Wähler. –
Lassen Sie sich von Plakaten beeinflussen? Wie werden Sie dann entscheiden? Mit der Parole »Pankow ist es wert« wirbt ein Kandidat der Grünen. Was es ihm wert ist und wieviel, bleibt offen. Die CDU teilt mit, daß unter Rot-Rot die Gewalt an den Schulen um 520 Prozent gestiegen ist. Die NPD fordert »Gas geben!« Die FDP läßt wissen, wie sie es mit der Integration hält: Sie finde es nicht so nett, wenn man als Berliner in einer Pariser Bäckerei nach Schrippen frage statt nach Croissants; offenbar hat sie was dagegen, daß in Berlin so viele Menschen gern französische Blätterteighörnchen bestellen. Die Linkspartei verkündet: »Privat ist Katastrophe« und verheißt: »Mehr Klasse in der Schule«, womit aber wohl nicht mehr Klassen, also kleinere Klassen gemeint sind. Die SPD hat auf alle ihre Plakate die Parole »Berlin verstehen« drucken lassen, ohne zu erläutern, an wen sich dieser Wunsch richtet. Mit Versprechungen halten sich SPD, Grüne und Linke zurück. Die CDU dagegen plakatiert progressiv: »Damit sich was ändert!« und die Grauen Panther behaupten gar, nur wenn man wählen gehe, könne sich etwas ändern – als spräche nicht die Lebenserfahrung dagegen.