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Titel1909

Der Kriegsprediger vom Kölner Dom  (Otto Köhler)

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner besitzt einen juristischen Freibrief. Man darf ihn nicht einen Haßprediger nennen.

Im Januar lud der Kardinal die Bundeswehr – wieder einmal – zu einem Soldatengottesdienst in den Kölner Dom. Und er predigte.

Es sei legitim, predigte der Kardinal den Soldaten, wenn »ungerechte Gewalt durch Gegengewalt eingedämmt wird«. Die Soldaten, die vor ihm saßen, wußten genau: Sie sind die legitime Gewalt, die die ungerechte Gewalt des Taliban bekämpft, am Hindukusch, dort wo unsere Freiheit verteidigt wird. Es sei legitim, wenn neu aufflammende Gewalt, so predigte der Kardinal den Soldaten, »im Keim erstickt wird«.

Am Freitag, 4. September 2009, wurde diese Gewalt im Keim erstickt. Zwei Tankwagen mit Benzin. Sie stecken fest. Um sie herum Afghanen, die sich an den Wagen zu schaffen machen. »Eine Bedrohung für unsere Soldaten«, sagt später der Verteidigungsminister.«

Bevor da Gewalt gegen den deutschen Soldaten aufflammen kann, muß sie im Keim erstickt werden.

Und der deutsche Offizier entschied: Bombe drauf, damit die ungerechte Gewalt des Taliban im Keim erstickt ist.

125 Männer, Frauen und Kinder. Im Keim ersticken. Ich hoffe, daß dieser Kardinal nicht noch einen Freibrief hat: so zu sprechen und zugleich seinen Kritikern jeden Hinweis darauf verbieten zu lassen, wessen Sprache er da spricht. Es ist die Sprache der Nazi-Wehrmacht, die 1939 den legitimen Widerstand der Polen gegen den Überfall Hitlers und seiner Generale mit Sturzkampfbombern gegen Warschau zerschlug und unbeteiligte Zivilisten massenweise an die Wand stellte und erschoß.

Am 7. September 2009 haben deutsche Soldaten einen mutmaßlichen Piraten erschossen. Auf der Flucht. Der Segen des Kardinals ist ihnen gewiß. Wie sprach er im Januar in seiner Predigt vor den Soldaten: Die Männer und Frauen, die sich für die Sicherheit von Schiffsbesatzungen vor der Küste Somalias einsetzten, gäben ein Beispiel des Heiligen Martin.

Dieser Kardinal hat keine Ahnung von seinen Heiligen. Ja, der Heilige Martin war Soldat der römischen Armee, aber er verweigerte die Waffe, er war ein sanfter Deserteur. Der Siebte Band meiner »Realencyclopädie für das katholische Deutschland«, erschienen in Regensburg im Jahre 1848, nennt den Heiligen Martin »das Licht der Abendländischen Kirche im 4. Jahrhundert« und vermerkt: »Als damals bei einem Einfalle der Deutschen in Gallien Geschenke unter die Soldaten vertheilt wurden, wollte Martin aus Zartgefühl an den, fernere Waffenführung bezweckenden, Belohnungen keinen Theil nehmen. Mit der Bitte, den ihm bestimmten Theil einem anderen zuzuwenden, suchte er zugleich um die Freiheit an, in Zukunft allein unter den Fahnen des Heils« – er meinte Christus – »zu dienen. Da man ihm aber vorwarf, er verlange seine Entlassung aus Furcht vor der auf den folgenden Tag bestimmten Schlacht, antwortete er mit unerschrockenen Muthe: ›Wenn man mein Begehren der Feigheit zuschreibt, verlange ich an die Spitze des Heeres gestellt zu werden, ohne Waffen, ohne Schild und ohne andere Verteidigung als die des Namens Jesu und des Kreuzzeichens, und ich will mich in die dichtesten Reihen des feindlichen Heeres stürzen.‹ In derselben Nacht aber« – so fährt meine »Katholische Realencyclopädie« fort – »machten die Deutschen noch Frieden, und Martin erhielt ohne Mühe den verlangten Abschied.«

Das war der Heilige Martin, Herr Kardinal. Teilen Sie Ihr festliches Gewand und geben – wie Martin von seinem Mantel – eine Hälfte den frierenden Armen auf der Domplatte. Schreiten Sie zum Appellhofplatz, knien Sie nieder vor dem Deserteursdenkmal, tun Sie Buße. Und, Herr Kardinal, entweihen Sie nie wieder den Kölner Dom mit Ihren Soldatengottesdiensten.

Anläßlich der Errichtung des Deserteurdenkmals am Kölner Appellhofplatz, nahe dem Dom, sprach Ossietzky-Mitherausgeber Otto Köhler vor dem Friedensforum Köln darüber, »wie der Krieg immer wieder in deutsche Köpfe kommt«.