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Titel1918

Böcke als Gärtner  (Conrad Taler)

Aus Münchner Sicht markiert nicht der Omphalos-Stein in Delphi den Mittelpunkt der Welt und auch nicht der Felsendom zu Jerusalem. München ist der Nabel der Welt. Damit sich das herumspricht, hat Horst Seehofer den Komödienstadel nach Berlin verlegt. Gespielt wird gerade »Der Bock als Gärtner« mit Hans-Georg Maaßen. In einer Hosenrolle glänzt Andrea Nahles gleich zweimal: Als Dorfdepp und Messdiener. Angela Merkel spielt die komische Alte. Regie: Horst Seehofer.

 

Nun muss man eines wissen: Die Lage der CSU ist wirklich betrüblich. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Als Alfons Goppel in Bayern regierte, machten sagenhafte 62,1 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei der CSU. Unter der Regentschaft von Franz Josef Strauß waren es immerhin noch 59 Prozent. Das war allerdings vor dem Fall der Mauer. Damals gab es für gottesfürchtige Wähler nur eines: entweder CSU wählen oder den Einmarsch der Russen in Kauf nehmen. Als dann Grüne und Freie Wähler in den Landtag einzogen, wunderte sich mancher: »Und der Russ’ is oiwei net do.«

 

Aber noch einmal zurück nach Berlin, wo aus dem Komödienstadel so etwas wie ein Tragödienstadel geworden ist und aus der Gaudi ein Trauerspiel, in dem es nicht mehr um Personen und Parteien geht, sondern um etwas viel Wichtigeres, um die Demokratie und ihr Ansehen. Der Schaden, den ihr die Beteiligten zugefügt haben, lässt sich mit Worten kaum beschreiben. Da wurde ein Mann, dem eine Nähe zur AfD nachgesagt wird, auf Druck der Öffentlichkeit als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz abgelöst, aber nicht in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, sondern zum Staatssekretär im Innenministerium befördert. Aus Verantwortung für das Land habe man nicht anders handeln können, sonst wäre die Koalition auseinandergebrochen, und das hätte Neuwahlen bedeutet. So die CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer in einem Rundbrief an die fassungslosen Mitglieder ihrer Partei.

 

Ähnlich argumentierte Andrea Nahles in einem Brief an die schockierten SPD-Mitglieder. Als sie damit nicht durchkam, machte sie eine Kehrtwende und erklärte sich damit einverstanden, den Ex-Präsidenten des Verfassungsschutzes zum Sonderberater des Innenministers im Rang eines Abteilungsleiters zu ernennen. Was der Öffentlichkeit als Meisterleistung der Staatskunst verkauft wurde, war in Wirklichkeit so etwas wie politischer Selbstmord auf offener Bühne. Natürlich hätte das Ende der Großen Koalition Neuwahlen bedeutet. Dürfen die nicht stattfinden, weil sie der AfD neuen Zulauf verschaffen könnten? Aber freie Wahlen sind bekanntlich eines der Merkmale, die einen demokratischen Rechtsstaat von einem autoritär regierten Staat unterscheiden. Wer das preisgibt, handelt nicht aus Verantwortung für das Land, sondern schadet ihm.

 

Und alles nur, weil in Bayern ein neuer Landtag gewählt wird und die CSU um ihre Alleinherrschaft fürchtet. Chaos werde ausbrechen, wenn über die bisherigen Parteien hinaus auch andere Parteien in den Landtag einziehen würden, verkündete Ministerpräsident Markus Söder während des Wahlkampfes immer wieder. Das zeugt nicht von Stärke, sondern von Misstrauen. Dabei steht eines schon jetzt fest: Die CSU wird auch den nächsten Ministerpräsidenten stellen. Wenn es bei den jetzigen Prognosen bleibt, würde sie zusammen mit den Freien Demokraten und den Freien Wählern über die erforderliche Mehrheit zur Regierungsbildung verfügen. Schon ein Zusammengehen nur mit den Grünen würde reichen.

 

Undenkbar ist das nicht. Schließlich sind die finsteren Zeiten vorbei, in denen ein hinterwäldlerischer Spießer im Satireblatt Simplicissimus 1923 räsonierte: »Mei’ Ruah möcht’ ich hamm und a Revolution. A Ordnung muaß sei’ und a Judenpogrom. A Diktator g’hört hera und glei davo’g’haut: Mir zoagen’s Enk scho’, wie ma Deutschland aufbaut!« Neun Jahre später erreichte die NSDAP bei der Landtagswahl in Bayern 32,5 Prozent und lag damit nur um ein Zehntelprozent hinter der Bayerischen Volkspartei.