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Titel0211

Antworten

Guido Westerwelle, militärfreundlich. – Beim Truppenbesuch sagten Sie: »Hier halten Männer und Frauen ihren Kopf hin, das wird in Deutschland zu oft vergessen.« Stimmt nicht. Das vergißt kein vernünftiger Mensch. Viele vergessen aber auch nicht, daß der Kopf vor allem zum Denken da ist und nicht zum Hinhalten.

David McAllister, vorausschauend. –
Als Sie mit einem Festakt im Plenarsaal des niedersächsischen Landtags, den deutschen Kronprinzen aus dem Fränkischen neben sich, 250 Bundeswehrsoldaten zum Einsatz nach Afghanistan verabschiedeten, wofür Karl-Theodor zu Guttenberg Sie als vorbildlich belobigte, riefen Sie den Soldaten zu: »Kommen Sie heil nach Hause, wir brauchen Sie.« Ja aber wozu? Haben Sie eine vertrauliche Information über ein weiteres militärisches Engagement fern der Heimat? Sehr wahrscheinlich ist es nicht, daß Washington seine Pläne vorab nach Hannover meldet. Eher ist zu vermuten, daß Sie sich zu Hause im Schutz einer Panzerdivision sicherer fühlen. Wer weiß, was auf Herzog Wittekinds Land noch zukommt.

Thomas de Maizière, reformfreudig. –
Großprojekte müßten beschleunigt werden, meinen Sie. Deshalb haben Sie, zuständig als Bundesinnenminister, einen Gesetzesentwurf anfertigen lassen, der das Planungsverfahren verkürzen und die Beteiligungsrechte von Bürgern einschränken soll. Die Behörden können dann, »wenn es besonders viel Einwände gibt« (also nicht etwa wenn besonders wenig Einwände gekommen sind, was plausibler wäre), von einem öffentlichen Erörterungstermin absehen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat Ihre Absichten begrüßt, sie würden »Bürokratieabbau« bringen. Die Proteste gegen »S21«, so werden Sie gedacht haben, hätten sich präventiv wegbeschleunigen lassen.

Sigmar Gabriel, fortschrittlich. –
Die von Ihnen geführte Partei benötigt einen »politischen Leitbegriff«, haben Sie herausgefunden und auch gleich einen angeboten: »Fortschritt«. Neu ist der nicht, deshalb soll er aufgefrischt werden: »Neuer Fortschritt«. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung räumte Ihnen eine Seite ein, um Ihre Vision zu erläutern. Zum Beispiel so: »Wir brauchen mehr Vorsorge, ohne daß die Nachsorge entbehrlich wäre.« Oder so: »Die Märkte haben dem Primat der Politik zu folgen und nicht umgekehrt.« Das werden diese sich gewiß zu Herzen nehmen. Auch zu »mehr Demokratie« soll Ihr Fortschritt führen: »Die Parteien müssen den Menschen die Welt und sich besser als bisher erklären ...« Da warten wir dann auf Ihren nächsten Versuch.

Angela Merkel, scheinkämpferisch. –
Mit einer »Mainzer Erklärung« möchten Sie das Profil der CDU für die kommenden Länderwahlen schärfen. »Kampfeslustig« soll Ihre Partei auftreten. Als Kernsatz haben Sie formuliert: »Wir geben ein klares Bekenntnis dazu ab, daß Deutschland ein Industrieland ist.« Eine seltsame Äußerung, wenn wir nicht wüßten, daß Sie diesmal vor allem die Grünen dämpfen wollen. Da macht es sich gut, eine neue Morgenthau-Legende unter die Leute zu bringen: Künast, Trittin, Roth und Özdemir seien darauf aus, die Bundesrepublik in ein Agrarland zu verwandeln. Aber wer weiß, vielleicht braucht Ihre Partei demnächst doch mal grüne Partner. Dann können Sie versöhnlerisch auf den »New Green Deal« verweisen, auch er enthält ein klares Bekenntnis: zum Ökoindustrieland. Und schon fügt sich das, was Sie Marktwirtschaft nennen, wieder zusammen. Profit lässt sich in vielen Farben machen.

Doris Schröder-Köpf, tüchtig. –
Mit Ihnen freuen wir uns darüber, daß Sie zum Mitglied des Aufsichtsrats der Warenhauskette Karstadt bestellt worden sind. So sind Sie nicht mehr auf das Nadelgeld Ihres Ehemannes Gerhard Schröder angewiesen. Wie aus der Süddeutschen Zeitung zu erfahren ist, erwartet der neue Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen, daß auch Sie sich für das Unternehmen engagieren, nachdem der Bundeskanzler a.D. bereits als politischer Berater eines von Berggruen gegründeten Instituts in den USA tätig ist. Selbstverständlich sind Sie für Ihre Kontrollaufgabe hoch qualifiziert – schon durch Ihre Heirat. Außerdem sollen Sie früher auch gelegentlich in Warenhäusern gesehen worden sein.

Lutz Hübner, unterschätzt. – Als Lothar Kusche in Ossietzky 25/10 über »das Stück ›Blütenträume‹ des angeblich meistgespielten Gegenwartsautors auf deutschen Theaterbühnen« berichtete, merkte der Redakteur an: »Wir können das nicht überprüfen.« Inzwischen ging unser Autor der Sache nach, und nun steht fest: Sie sind der meistgespielte Gegenwartsautor auf deutschen Theaterbühnen. Die (auch für das Programmheft zuständige) Chefdramaturgin des Berliner Renaissance-Theaters, Gundula Reinig, bezieht ihre Informationen regelmäßig von einem Bundesverband, der über die Spielpläne und Erfolge der Bühnen und ihrer Autoren genau Bescheid weiß und es den Dramaturgen bekannt gibt. Lothar Kusche sieht nun voraus: »Wenn Torsten Fischers effektvolle Inszenierung der ›Blütenträume‹ noch länger im R.-T.-Programm verbleibt, dürfte Lutz Hübners Position als meistgespielter Autor sich weiter festigen.« Angesichts solcher statistisch untermauerter Tatsachen erinnert sich Kusche an seinen früheren Nachbarn Professor Jürgen Kuczynski: »Er hat mir mal gesagt, als er schon 92 Jahre alt war: ›Die Statistik lügt nicht.‹ Kuczynski wußte sehr viel vom Leben und der sozialen Situation des Menschen; von der Statistik aber wußte er alles.«

Jury »Unwort des Jahres«. –
Diesmal entschieden Sie sich für »alternativlos«, ein Unwort, das regierende Politiker seit langem im Munde führen, um Kritiker mundtot zu machen. Aber so gering wie nie zuvor war diesmal die Zahl der eingesandten Vorschläge. Offenbar geht der Bevölkerung das Vertrauen darauf verloren, die Wortgewaltigen linguistisch zur Einsicht bringen zu können. Es muß alternative Mittel und Wege geben.