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Neuseeländisches Anti-Kriegsstück  (Bronwyn Tweddle)

1991, New Zealand International Arts Festival: Jim Moriarty spielt auf der Bühne des Downstage Theaters »Michael James Manaia« – die Hauptfigur des gleichnamigen Theaterstückes von John Broughton. Manaia ist ein Halb-Maori und Vietnamkriegsveteran, schwer gestört, kratzt sich ständig und artikuliert sich fast nur durch Fluchen. Es ist eines der wichtigsten Stücke in der neuseeländischen Theatergeschichte, wurde als erstes Maori-Stück von der Mainstreampresse wahrgenommen und im Jahre 1991 zum Edinburgh Festival eingeladen. Die Frage, der sich das Stück widmet, lautet: Was hatte ein Maori in Vietnam zu suchen?

Neuseeland unterzeichnete im Jahre 1951 mit Australien und den USA den ANZUS-Pakt. 1965 suchten die Amerikaner Alliierte für den Krieg in Vietnam, und die konservative National Party mit dem Premierminister Keith Holyoake stimmte zu. Neuseeland hatte zuvor schon Soldaten in den Koreakrieg (1950) und nach Malaysia (1956) geschickt. Der Vietnamkrieg führte zu schweren Protesten in der Bevölkerung bis, nach einem Regierungswechsel im Jahre 1972, der neue Premierminister Norman Kirk (Labour Party) die Truppen aus Vietnam abzog.

Michael James hat sich zur Armee gemeldet, um seinem Vater zu entfliehen; einem gewalttätigen Mann, der trinkt und seinen lebenslustigen Sohn für jugendliche Verfehlungen hart bestraft. In der 1991er Inszenierung zeigte das Bühnenbild als einziges Requisit einen riesigen Engel. Dessen Bedeutung wird am Ende des ersten Aktes klar: Der mittelalterliche Holzengel war eine Kriegsbeute. Der Vater hatte im Zweiten Weltkrieg gekämpft und war mit dabei, als das mittelalterliche Kloster von Monte Cassino in Italien gesprengt wurde. Der Engel repräsentiert das Erbe des Sohnes vom Vater: Nach ihren Kriegserfahrungen können beide Männer auf Streß nur mit Gewalt reagieren. Der väterlichen Gewalt fiel Michael James Bruder Matti zum Opfer, und er wurde mit diesem Engel begraben. Michael James sieht in seinem Vater den Verantwortlichen für den Tod seines Bruders. Später tötet er seinen eigenen Sohn.

Die Geburt, sonst Symbol für Hoffnung und Neubeginn, wird im Stück zum Auftakt einer Tragödie. Nach vier Fehlgeburten wurde das Kind grauenhaft verstümmelt geboren, Folge des Krieges. Die Amerikaner hatten elf Million Gallonen des chemischen Kampfstoffes Agent Orange über Südvietnam versprüht, um den Dschungel zu entlauben. Dabei vergifteten sie auch die eigenen Soldaten: Folge waren Krebs, Fehlgeburten, Totgeburten und behinderte Kinder. Michael James Wut über die Ungerechtigkeit gipfelt im Mord am langersehnten Kind.

Das Stück hat an Aktualität nicht verloren, anstelle der Vietnamerfahrungen könnten ebenso die Erfahrungen eines Soldaten in einem anderen Konflikt stehen. Die Uraufführung im Jahre 1991 war während des Golfkrieges. Es folgen die Jugoslawien-Kriege, der Irak-Krieg, der Afghanistan-Krieg. Für das Jahr 2012 ist eine Neuinszenierung des Stückes angekündigt (Regie: Nathaniel Lees für das Taki Rua Theater, Hauptrolle: Te Kohe Tuhaka), wieder auf der Bühne des Downstage Theaters beim New Zealand International Arts Festival.