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Titel217

Marktkonformer Umweltschutz  (Heidrun Jänchen)

Die EU will invasive Arten bekämpfen – wenn sie keine wirtschaftliche Bedeutung haben. Bereits 2014 hatte das Europäische Parlament invasiven Arten den Kampf angesagt. Im August trat die schwarze Liste der unionsweit als invasiv geltenden Arten in Kraft. Für sie gilt seither ein Handels-, Haltungs- und Transportverbot. Auch Maßnahmen zur Bekämpfung sind vorgesehen, solange Arten noch nicht als allgemein etabliert gelten.

 

Experten halten invasive nichteinheimische Arten für einen der wichtigsten Gefährdungsfaktoren für die biologische Vielfalt, zusammen mit Lebensraumvernichtung und Umweltverschmutzung. Wie bereits Charles Darwin bei der Untersuchung von Finken auf den Galapagos-Inseln feststellte, ist räumliche Isolation eine wesentliche Voraussetzung für die Herausbildung von Arten. Erst seit dem 18. Jahrhundert hat der Mensch die räumliche Trennung der Ökosysteme immer weiter aufgehoben, indem er exotische Pflanzen und Tiere einführte. Die Globalisierung beschleunigt den Prozess.

 

Nur wenige Spezies wurden versehentlich nach Europa eingeschleppt – wie die Chinesische Wollhandkrabbe in Ballastwassertanks oder der Asiatische Laubholzbockkäfer in Verpackungsholz. Die meisten Arten wurden absichtlich aus wirtschaftlichen Interessen oder wegen ihres dekorativen Wertes eingeführt. Der in China beheimatete Götterbaum etwa wurde schon im vorletzten Jahrhundert in Wien als Futter für den Ailanthus-Spinner angepflanzt, um eine eigene Seidenproduktion zu entwickeln. Im Gartenbau sind Exoten wegen auffallender Blüten beliebt. Amerikanischer Mink und Waschbär kamen durch die Pelztierzucht nach Europa.

 

Nicht jede Art entwickelt invasives Potential. Über 3000 gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten leben nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz wild in Deutschland. Davon gelten 808 als etabliert und nur etwa fünf Prozent wegen schädlicher Auswirkungen auf die heimischen Ökosysteme als invasiv. Das betrifft vor allem Arten, die sehr gut an das Klima angepasst sind, sich stark vermehren und keine Fressfeinde in Europa haben. Zwischen der ersten Einführung und der Etablierung einer Art in der freien Natur vergehen mitunter hundert und mehr Jahre, sodass die Folgen heutigen Handelns kaum abschätzbar sind. Zudem verbessert der Klimawandel für kälteempfindliche Spezies die Lebensbedingungen.

 

Gegen das Vorhaben einer EU-weiten schwarzen Liste gab es von Anfang an Widerstand aus Forstwirtschaft, Gartenbau und Pelzhandel. Alle bisherigen Listenentwürfe provozierten reihenweise Stellungnahmen und Kritiken, etwa vom deutschen Zentralverband Gartenbau, der die Zusammenstellung »willkürlich« nannte und mehr oder weniger für jede Art entweder eine Einzelfallentscheidung auf nationaler Ebene oder den Nachweis forderte, dass sich die Art wirklich »unionsweit« invasiv verhält. Ähnliche Angriffe gab es in anderen Ländern. Der gemeinsame Tenor: Naturschutz ist gut, wenn er das Geschäft nicht gefährdet.

 

Die Liste von insgesamt 37 Arten ist deshalb nicht mehr als ein kleinster gemeinsamer Nenner. Der amerikanische Mink, eine der problematischsten invasiven Arten, ist ein Beispiel für erfolgreiche Lobbyarbeit. Obwohl er den europäischen Nerz schon weitgehend verdrängt hat und als Räuber Bestände bodenbrütender Vögel und kleiner Reptilien gefährdet, fehlt er in der Negativliste. EU-weit werden jährlich über 40 Millionen Mink-Felle produziert, davon allein 18 Millionen in den 1533 dänischen Farmen – das entspricht einem Exportvolumen von rund 4,5 Milliarden Euro. Mit Nutria und Waschbär sind zwei Arten in die schwarze Liste aufgenommen worden, die für die Pelzbranche nur eine geringe Bedeutung haben. So werden nur rund 140.000 Waschbärfelle pro Jahr vermarktet. Der amerikanische Hummer wurde nach einem Bericht der britischen Financial Times auf Druck Kanadas von der Liste gestrichen.

 

Auch Bäume und Sträucher fehlen bislang vollständig. Enthalten sind vor allem Wasserpflanzen, die nicht wirtschaftlich nutzbar sind. Obwohl etwa Götterbaum, Robinie und Eschenahorn in weiten Teilen Europas wilde Populationen entwickelt haben und durch Dominanzbestände wertvolle Ökosysteme schädigen, überwogen offenbar die ökonomischen Interessen. Besonders die Robinie weckt wegen der hohen Beständigkeit des Holzes, die man sonst nur bei Tropenhölzern findet, Begehrlichkeiten. Aber auch Baumschulen und Gartenbaubetriebe haben Interesse an exotischen Arten, die sich teurer vermarkten lassen als einheimische Gehölze.

 

Dabei sind neben den ökologischen längst auch negative ökonomische Auswirkungen feststellbar. Österreich ist schon vor einigen Jahren dazu übergegangen, den Götterbaum im Nationalpark Donau-Auen aktiv zu bekämpfen. Wegen der hohen Regenerationsfähigkeit können die Bäume nur durch manuelles Ringeln – Abschälen der Rinde – zum Absterben gebracht werden. In ihrer Doktorarbeit ermittelte die Biologin Hilda Luz Lezcano Cáceres für Hessen einen jährlichen Aufwand von rund fünf Millionen Euro für die Beseitigung des Götterbaumes vor allem aus Gleisanlagen. Für die gesamte EU rechnet man mit rund zwölf Milliarden Euro Schaden pro Jahr durch invasive Pflanzen und Tiere.

 

Immerhin lässt die »Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten« ausdrücklich eine spätere Erweiterung der Listen und schärfere nationale Regelungen zu. Zwei europäische Frühwarnlisten enthalten rund 350 weitere Arten, die als invasiv bekannt sind.

 

Auch in Deutschland existieren wesentlich umfangreichere Listen invasiver Pflanzen und Tiere. Das vom Bundesamt für Naturschutz erstellte und 2015 erschienene Management-Handbuch führt 168 Arten auf. Der Gesetzgeber hat jedoch versäumt, darauf im Bundesnaturschutzgesetz direkt Bezug zu nehmen. Dadurch bleibt diese Aufstellung im Konfliktfall eine unverbindliche Empfehlung. Das Gesetz macht sogar eine ausdrückliche Ausnahme für »in der Land- und Forstwirtschaft angebaute Pflanzen«. Für sie gilt nicht einmal die Verpflichtung, Bestände von möglicherweise invasiven Arten zu beobachten. Während man einen privaten Gartenbesitzer für eine Robinie in seinem Garten belangen kann, ist die massenhafte Pflanzung in Forsten dadurch erlaubt.

 

Obwohl die EU-Verordnung über Prävention und Management ein Schritt in die richtige Richtung war, sind durch die Negativliste viele Erwartungen von Umweltschützern in der Union enttäuscht worden.