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Titel2110

Biskupek als Gastgeber  (Lothar Kusche)

... am 22. Oktober werde ich 60 Jahre alt. Das Schillerhaus in Rudolstadt steht an diesem Tage ab eins zur Verfügung, um herumzustehen, zu sitzen, zu schwatzen ..., zu essen, zu lästern, zu trinken ... Für die Freitag-Gesellschaft am 22.10.2010 bitte ich um gefl. Rückmeldung, spätestens vierzehn Tage vorher, damit die Gaststätte weiß, wie viele Fettbemmen geschmiert werden müssen ...
Aus einem Rundbrief des Jubilars

Vor Jahren, genauer gesagt: am 16. April 1996, reiste ich zum ersten Mal von Berlin nach Rudolstadt; ich freute mich auf diesen Ort, von dem ich aus dem Lexikon wußte, daß er seit 1326 »als Stadt bezeugt ist, die 1404 und 1488 besondere Stadtrechte in Form landesherrlicher Statuten erhielt«, von denen ein Tourist heute nichts mehr merkt. Er muß in Rudolstadt nicht mal Kurtaxe zahlen wie im Ostseebad Nienhagen oder Kühlungsborn-Bukspitze. Im Bücherregal stehen, oft aufgeblättert, »Die lasterhaften Lieder«, Balladen aus dem Kleinen und Großen Testament des Francois Villon in freier Nachdichtung von Paul Zech aus dem Greifenverlag zu Rudolstadt 1952.
Von den ungefähr 31.600 Menschen, die damals in Rudolstadt lebten, kamen vierzehn Damen und Herren abends zu meiner Föjetong-Lesung; einer von denen war Matthias Biskupek, der mich dazu freundlich eingeladen hatte und ebenso in seiner Wohnung beherbergte und bewirtete. Familie B. behauste 1996 eine »Villa Erika« in der »einstigen Königin-Luise-, später Adolf-Hitler-, danach Stalin- und nunmehrigen Marx-Engels-Straße 4«. Nach einem kleinen Umtrunk zeigte mir mein Gastgeber im Parterre seine imposante Bibliothek, in der mein Nachtlager vorbereitet war, sauber und bequem inmitten vier oder fünf Meter hoher Bücherregale, die er mir bei Schlafschwierigkeiten zur Benutzung empfahl. Über einem Band der Tagebücher von Fritz Rudolf Fries (Friede seiner Asche) schlief ich schnell und friedlich ein.
Matthias hatte mit dem Frühstück auf mich gewartet, das sollte uns für einen, wie sich später zeigte, sehr interessanten und angenehmen Rudolstädter Spaziergang stärken. Der Tisch war mit Gebäck, Marmeladen, Wurst und Butter reich gedeckt. Tee oder Kaffee? fragte der Hausherr. Ich erinnerte mich sogleich an seine Begabung als fröhlicher Poet und eine Probe seines diesbezüglichen Schaffens in meiner Schreibtisch-Schublade:

Die boshaften Menschen
Ein heiteres Kaffeeliedchen von Matthias Biskupek

Ich sahch Sie ma was, das, will ich mah sahchen nu so
Da wohnt doch in mein Hinderstübchen einer unn so
Ein schunger Student, unn wenner mah muß, da rennder
Auf meine Tohledde, na mehrschdendeils hängt er
Nee, nich der Schunge, der Schlissel zum Kloh
Nur neilich isser bei mir angeeggt
Da brachder zwei Freunde zum Schgaad unn zum Bier
Nuu – habsch doch gleich
Den Schlissel versteggt
Da hamm se gedrambld, hinder der Dür

Refrain:
Es iss eine Bosheid under den Menschen
Bring Se mir noch a Gaffee – a Gännschn!
De Menschen sinn bööse, so bööse unn fies
Godd, wie schmeggd der Gaffeh scheen sieß
Sieße unn heeß musser sein
Unn Menschen gibbds.
Also neieiin.

Ich sahch Sie was, das will ich mah sahchn, nu ehm
Der eine hat ein kurzes, der andre ein langes Lähm
Da wohn so zwei Leude under mir unn die streiden
Sich weechen den Fremdgehn unn weehchen den Leuden
Unn einmal hör ich, da schreid der »Du Nudde
Wennschne Axt hädde, da schlahch ich Dir ...«
Nuu – habbsch gedacht, nuu – wenn er schon will
Ich bring den die Axt
Unn ward vor der Dür
Es gab so ä Gwiiigs-Gnaggs – unn dann wars schdill.

Refrain: Es iss eine Bosheid under den Menschen ...

M. B. ist nicht nur ein netter Gastgeber, sondern auch ein gebildeter und gesitteter Stadt-Führer. Er muß mir bald mal das Rudolstädter Theater zeigen. Beim Frühstück 1996 hatte ich mich übrigens für Tee entschieden.