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Titel212013

Bemerkungen

Wunderglaube
Die Leitzeile für den Standardbericht der Deutschen Presseagentur dpa über den diesjährigen Tag der Einheit: »Deutschland feiert das Wunder der Wende«. Mit menschlichem Verstand und Wissen also ist das Ende der DDR nicht zu erklären. Wie steht es in dieser Hinsicht mit dem vorhergegangenen Ereignis, der Teilung Deutschlands? Wie auch immer – danach ging es auch schon mal »übernatürlich« zu, das Wirtschaftswunder fand statt. So birgt die Geschichte ihre Geheimnisse.

A. K.


Der olivgrüne 3. Oktober
Zum zweiten Mal gab es den »etwas anderen nationalen Feiertag«.Auf dem Markt in Kalkar am Niederrhein und vor der von-Seydlitz-Kaserne am Stadtrand versammelten sich an diesem 3. Oktober wieder Protestierende. Hier ist weithin unbeachtet das weltweit agierende NATO-Luftkommando eingerichtet worden (s. Ossietzky 7/12).

Es war im Herbst 2011, da erfuhren aufmerksame Leser des Regionalblattes Neue Rhein/Ruhr Zeitung, daß in Kalkar im Luftstreitkräfte-Hauptquartier die Bundesluftwaffe und die NATO den ganz großen Krieg proben. Sie proben einen Krieg, der von heute auf morgen, ohne Beteiligung von Parlament und Regierung durch die NATO ausgelöst und geführt werden kann. Vom Kriegspielen »so nah dran an der Realität wie möglich« berichtete das Provinzblatt. Vom Krieg gegen ein Gebiet, das »ganz wie Nahost« aussieht, und von illegalen Abschüssen von Zivilflugzeugen, die angeblich mit Sprengstoff beladen waren, war ganz offen die Rede.

Das Projekt in Kalkar wurde in den Medien kaum beachtet. Unbeachtet blieb bisher auch, wie die rot-grüne Landesregierung und das Landesparlament an diesem Kriegsprojekt und anderen mitwirken. Es gibt alarmierende Entwicklungen:
Der Griff des Militarismus nach Nordrhein-Westfalen wird enger. Er zeigt sich in einem Kooperationsvertrag mit der Truppe zur Kriegspropaganda und in der Werbung für die Bundeswehr an Bildungseinrichtungen. Er zeigt sich im Aufbau der Heimatschutzkompanien und der Reservistenarmee zum bewaffneten Einsatz der Bundeswehr auch im Innern. Der Rüstungsexport selbst in Spannungsgebiete wird ausgebaut, auch von Nordrhein-Westfalen aus. Für Rheinmetall sind Aufträge zur Entwicklung deutscher Kampfdrohnen geplant.

Die jetzige rot-grüne Landesregierung richtete Briefe an den Bundesverteidigungsminister, um die Truppenstärke in Nordrhein-Westfalen zu erhalten. Letztlich wurde sie sogar aufgestockt. So in Kalkar, wo 400 Uniformträger im Rahmen der Bundeswehrreform zusätzlich eingesetzt werden.

Seit dem 1. Juli nun steht in Kalkar/Uedem ein riesiges NATO-Luftkommando bereit, um Luftoperationen, ja den Krieg weltweit zu führen, auch Kampfdrohnen einzusetzen. Die beiden vordringlichen Aufgaben des Ministers und hiesigen Wahlkreis-MdB Ronald Pofalla – hier das Luftkommando mit aufzubauen und per NSA, BND und Verfassungsschutz für die umfassende Bespitzelung der Bürger zu sorgen – können eines Tages zusammengefaßt werden: Denn die NSA-Spitzelergebnisse dienen den USA in Somalia, Pakistan, Jemen und Afghanistan bereits zur Zielbestimmung für tödliche Drohneneinsätze. Sollten künftig in Deutschland sogenannte Terrornester entdeckt werden, dann können diese bald zu Zielen der von Kalkar aus gelenkten Drohnen werden. Das ist Mord auf Distanz per Knopfdruck.

Nahezu 1.000 Soldaten können im Auftrag der NATO in kurzer Zeit von Kalkar aus den Krieg auslösen oder in ihn aus der Ferne eingreifen. Es wäre ein Krieg von deutschem Boden aus, ein Krieg, der auch unser Land zum Kriegsschauplatz macht. Es ist daran zu erinnern: »Raketen sind Magneten.«
Ulrich Sander


»Erkenne dich selbst«
Das rosarote und grüne Buhlen um eine Regierungsbeteiligung in der Merkel-Republik ist, selbstverständlich mit vielen Ziergesten, nach der Bundestagswahl in vollem Gang. Das rituell aufgesetzte Pokerface der Akteure kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß keine grundlegenden politischen Unvereinbarkeiten zwischen den »regierungsfähigen« Parteien bestehen. Zu bemerken war dieser Umstand schon während der Wahlkampfinszenierungen: Man verlegte sich auf Nebenkriegsschauplätze, um davon abzulenken, daß es bei den großen gesellschaftspolitischen Fragen, seien sie nun arbeitsmarkt-, wirtschafts-, informations- oder außenpolitischer Art, keine nennenswerten Divergenzen gibt.

Die grüne Partei hat sich am »Rücktrittsdienstag« nach der Wahl überraschend schnell wahlkämpfend erfolgloser Repräsentanten entledigt. Anleitend dabei sind Stimmen aus Kretschmanns »Ländle«, die Partei müsse viel stärker auf einen wirtschaftsliberalen Kurs einschwenken, schließlich rekrutiert sich die Stammklientel vornehmlich aus dem gutverdienenden freiberuflichen und administrativen Mittelstand. Zwar werden taktische Bedenken geäußert derart, daß eine Koalition mit der CDU derzeit unklug sei. Aber da geht es um eine Schamfrist, und der Partei ist auch in kurzen Zeiträumen eine große taktische Wendigkeit zuzutrauen. Gelang doch beim rosarot-grünen Bündnis unter Schröder recht umstandslos die militärpolitische »Fischerisierung« und auch die Anpassung an den Prekarisierungskurs der Agenda 2010. Nun soll die grüne Partei »näher an die Wirtschaft rücken«. Auf dem Führungstreffen bemühte Kretschmann das antike Delphi und riet seiner Partei: »Erkenne dich selbst.« Das geschieht nun – die Grünen stellen sich ein auf die »Machtoption« eines Juniorteilhabers am christdemokratischen Regierungsgeschäft.
Carsten Schmitt


Demophobie
Spiegel online berichtet: »Seehofer wettert gegen SPD-Basisvotum zu Großer Koalition.« Der Mann hat Erfahrung. Nichts ist beim Regieren so hinderlich wie das gemeine Volk.
Günter Krone


Frauenglück durch Koalition?
Die SPD-Führung hat es nicht leicht. Sie muß jetzt vielen murrenden Mitgliedern der Partei das Gefühl verschaffen, der Eintritt in eine von Angela Merkel geführte Regierung sei der richtige Weg, um dem Gemeinwohl zu dienen. Und selbstverständlich auch dem Ansehen der Sozialdemokratie zu nutzen.

Also gilt es, Forderungen herauszustellen, die dann als im Koalitionsvertrag erfüllt und somit wie ein Erfolg der SPD herausgestellt werden können.

Und schon ist sie wieder da – die »Frauenquote«. Sie war schon einmal Gegenstand gesetzgeberischer Versuche im Bundestag.

Worum geht es dabei? Sollen endlich Millionen von Arbeitnehmerinnen bei der Lohnhöhe und den kleinen Aufstiegschancen gleiches Recht und gleiche Chancen wie die männlichen Beschäftigten erhalten? Wer sich auf die mediale Präsentation des Themas verläßt, wird dies meinen. Aber das ist trügerisch. Die SPD-»Frauenquote« hat zum Ziel, schrittweise einen weiblichen Anteil von 40 Prozent bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten durchzusetzen, und zwar in börsennotierten AG-Unternehmen. Es geht also um einige tausend lukrative Positionen.

Für einen Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU ist die Forderung sehr geeignet, weil sie auch in diesen Parteien Sympathie genießt, zum Beispiel bei Ursula von der Leyen.

Da wird eine »rote Linie« für die Koalitionsverhandlungen vorgetäuscht, die gar nichts Dramatisches hat. Und auch nichts »Rotes«, denn zu fragen ist, welches Glück wohl die vielen Malocherinnen, deren Stimme der SPD zufiel, von wenigen Gewinnerinnen ganz oben in den DAX-Aufsichtsräten zu erwarten haben.
M. W.


Die Mehrheit nutzen
»Ich lebe gern in einer Republik, in der die Mehrheit Rot-Rot-Grün wählt«, schrieb mir unsere Freundin F. kurz nach der Wahl. Sie war erleichtert. Ich freute mich mit ihr. Und sogleich waren wir uns einig, daß Sozialdemokraten, Linke und Grüne nun verpflichtet seien, ihre übereinstimmenden Versprechen aus dem Wahlkampf zu erfüllen. Unsere Aufgabe schien uns zu sein, sie mit dieser Erwartung zu konfrontieren und einen entsprechenden Aufruf an die drei Vorstände und Fraktionen zu senden: Tut, was Ihr uns verheißen habt, Bringt unverzüglich Gesetzentwürfe ein, beschließt einen menschenwürdigen Mindestlohn, senkt – nach jahrelanger Umverteilung von unten nach oben – die Steuerlasten für 90 Prozent der Bevölkerung, erhöht sie für die wohlhabenden zehn Prozent, sorgt für bezahlbare Mieten und auskömmliche Renten. Habt Ihr nicht im Wahlkampf immer wieder beteuert: »Es geht um die Inhalte«? Na, also! Solche Gesetze könnt Ihr beschließen, ohne deswegen eine Koalition eingehen zu müssen. Nachher mag es zu einer Großen Koalition kommen oder zu einer schwarz-grünen Koalition oder zu einer CDU/CSU-Minderheitsregierung.

Der Gedanke an eine rosa-rot-grüne Koalition lag nicht fern, aber schnell wurde uns bewußt, daß führende Politiker von Sozialdemokraten und Grünen im Wahlkampf und auch wieder am Abend des Wahltages klargestellt hatten, ihre militärpolitischen Positionen seien unvereinbar mit denen der Linken. Nichts hätte F. und mir ferner gelegen, als die Linke von ihrem Nein zu Aufrüstung, Rüstungsexporten und militärischen Interventionen abzubringen. Überhaupt: In einer durch und durch vom Kapital beherrschten Gesellschaft gehört eine sozialistische Partei in die Opposition. Da kann sie einiges bewirken – zum Beispiel auch daß sich andere Parteien, um Wähler zu gewinnen, linke Wahlaussagen aneignen.

Ich gebe die Frage an die Ossietzky-Leser weiter: Sollten wir jetzt nicht als erstes fordern, daß die Bundestagsmehrheit die versprochenen Sozialgesetze beschließt? Ich fürchte, die Gelegenheit wird so bald nicht wiederkommen. Vor allem die Gewerkschaften, die ihre Mitglieder zur Stimmabgabe für eine neue Politik aufgerufen haben, sollten selbstbewußt genug sein, das Verheißene einzufordern.
E. S.


Alles wird gut
Gregor Gysi hat, obwohl er ja sicherlich nicht unterbeschäftigt ist, über Deutschland nachgedacht und Antworten auf die Frage »Wie weiter?« versucht. Ein Buch ist dabei herausgekommen, das seine Vorzüge hat: Es werden vernünftige Vorschläge zu einer Reihe von Detailfragen der Politik skizziert, von der Justizreform bis zum Mindestlohn. Und das in verständlicher Sprache. Gysi stellt auch weitergehende Konzepte kurz vor: Die Macht der Konzerne will er beschneiden, prekäre Arbeit nicht hinnehmen, Altersarmut verhindern, den Rüstungsexport beenden, die NATO auflösen. Und weitere Dinge auf den Weg bringen, damit es hierzulande und international human und solidarisch zugeht.

Aber wie ist so etwas durchzusetzen? Gysi meint, indem »Politik das Primat über die Wirtschaft« erhalte. Leider ist in dem Buch nicht zu erfahren, auf welche Weise das nun zustande gebracht werden kann. Auch nichts darüber, wie denn »die Wirtschaft« reagieren würde, wenn ein solcher Umbruch in den Machtverhältnissen von »der Politik« angezielt würde. Und wer könnte den Anlauf dazu riskieren?

Gysi ist da optimistisch, er setzt offenbar auf Einsicht und Eifer aller, die irgendwie am Prozeß des Politikmachens beteiligt sind. Da kommen uns, mißtrauisch wie wir nun einmal sind, heftige Zweifel an. Sind denn alle diejenigen, die vom Primat »der Wirtschaft« profitieren, aus der Gesellschaft verschwunden? Auch jene Politiker, die wiederum aus eben diesem Primat ihren Nutzen ziehen und ihm ungern zu Leibe rücken würden?

Von der Unruhe stiftenden Frage, ob es sich möglicherweise in Deutschland (und nicht nur hier) um eine Klassengesellschaft handelt, bleiben LeserInnen des Buches von Gysi verschont.
A. K.

Gregor Gysi: »Wie weiter? Nachdenken über Deutschland«, Das Neue Berlin, 192 Seiten, 12,99 €


Berlin – Wladiwostok per Rad
Von Omsk nach Nowosibirsk: Viele Kilometer nichts, wo man anhalten könnte. Tut man’s, fallen saugende Riesenfliegen oder eine andere, in Augen und Gehörgänge gehende Fliegenart über einen her.

Ein schnelles Foto, ein Schluck aus der Flasche und weiter. Der Sog der vorbeirauschenden Lastkraftwagen befreit für kurze Zeit von der Last, ständig Motor sein zu müssen.

Unterwegs treffe ich einen Schweizer, Michael. Er will mit seinem Rennrad in einem Monat von Wladiwostok nach Archangelsk – rund 10.000 Kilometer. Jeden Tag mehr als 250 Kilometer – Wahnsinn! Ohne Sprachkenntnisse sitzt er nur im Sattel. Das Zelten hat er aufgegeben. »Ein bißchen Komfort muß sein, Dusche, Bett. Wenn man nur nicht so abgezockt würde.«

Die Hotelmanager nehmen von ihm oft 40 Euro »für null Komfort«. Ich sage: »Gestern ist es mir auch so gegangen. Nur zum vollen Preis zu mietende Zwei-Bett-Zimmer, die zuzüglich zu zahlende Dusche auf dem Hof konnte ich vom Preis absetzen, weil sie, nach europäischem Standard, inbegriffen sein sollte. Der gegen Infektionen oder Rutschgefahr unterzulegende Lattenrost schmierig, daß man sich die Infektionen durch Anfassen holen konnte.« – Das ist es, was mich ärgert: Viele Preise sind auf europäisches Niveau hochgeschraubt, jedoch ohne vergleichbare Leistung. Da wird einem, in einem anderem Hotel, das Doppelzimmer zum zweifachen Preis vermietet mit dem Hinweis, sonst einen zweiten Gast mit einzuquartieren (eine in Rußland übliche Praxis, pro Bett zu vermieten), obwohl weitere Zimmer frei sind. Schlimmer noch: Wegen Baumaßnahmen soll ich mich im Handwaschbecken des Gastraumes waschen. Die Toilette, nur über den von Baufahrzeugen zerfurchten Acker zu erreichen, ist ein in den Beton gehacktes Loch. Aber die Bauarbeiter dürfen Dusche und WC benutzen. Ich beschwere mich. »Na gut, weil Sie es sind …« Gönnerhaft schaltet man den Pumpengenerator an.

In einem anderen Hotel, weit und breit nur Pampa, sagt man mir, daß man nur Gäste mit russischem Paß aufnehme. Ich weigere mich, im Dunkeln weiterzufahren. Die Dame an der Rezeption, eine Rußlanddeutsche, schreibt mich auf ihren Paß ein.

Und dann treffe ich wieder auf Leute wie die Wirte vom »Dalnoboischtschik« (»Fernfahrer«), die mich auf Kosten des Hauses bewirten und neugierig befragen.

Auch Sergej, mein neuer Gastgeber von »couchsurfing«, ist ein Prachtkerl, stellt mir seine Wohnung samt Waschmaschine, PC und Wohnungsschlüssel zur Verfügung; macht sich Gedanken darüber, wie er mir die Zeit in seiner Stadt möglichst angenehm gestalten könnte und äußert sich vorsichtig über sein sich wandelndes Deutschlandbild: »Die letzten Gäste, ein paar jugendliche deutsche Tramper, wollten die ganze Zeit nur schlafen. Da war nicht viel mit Kultur …«

Und das Dienstpersonal von der Raststätte »Aktin«, 90 Kilometer vor Nowosibirsk, beweist, daß die Lage an der Ost-West-Trasse mit dem erhöhten Kundendurchlauf nicht zwangsläufig zu Gleichgültigkeit und Geldgier führen muß. Freundlich zu denen, die sich zu benehmen wissen, abweisend zu den Anmaßenden oder Ungehobelten, bereit zu Kompromissen, wo es erforderlich ist (zum Beispiel bei meiner Fahrradunterbringung), sind sie noch nicht zu Automaten mutiert.
Uwe Meißner

Zuschriften an die Lokalpresse
Da will ick neulich vom Hauptbahnhof meine Kusine aus Fulda abhol`n – die reist ja nich jerne, müssense wissen, und wird rammdösig, wennse ihr`n Kirchturm nich mehr im Blick hat –, da hat doch det Technikwunder von ICE een paar Stunden Verspätung, und wissense, warum? Der Zug hat sich verfahr`n! Der is doch jleich hinter Fulda uffs falsche Jleis jeschwenkt und statt nach Erfurt nach Jöttingen jedüst! Bloß jut, das det der Lokführer unterweechs noch jemerkt hat, sonst wär` der Brausewind jetzt noch irjendwo im Jange!

Jottseidank konnt` ick meine Brijitte, wat meine leibliche Kusine is, damit wieder abrejen, weil, det is keene Ausnahme. Een andrer ICE nämlich sollte in Köln Hauptbahnhof andocken, nur, er hat det Jleis übern deutschen Rhein uff die Westseite nich jefunden. Det Ende vom Lied war een mächtijer Umweech, und det kostet ja allet Riesensumm`! Keen Wunder, wenn die Bahn im Adventsmonat wieder det Bakschisch für die Tickets kräftig anhebt, und det alleene wejen die Personal- und Stromkosten! Is ja logisch, die Leute vom jeflüjelten Rad komm` später nach Hause!

Hamse ooch schon jeheert, daß die Bahn die Fahrtziele nich mehr auf die Fahrkarten drucken will? Nur die Himmelsrichtung woll`nse noch anjeben! Also, wennse mir fraren: Ehrlich is immer besser als wie unklare Verhältnisse! – Kai-Orje Kulicke (63), Umschüler, 13059 Berlin-Wartenberg
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Nu heer`nse bloß ämal, also sowas is mir ooch noch nich bassierd! Da wohn` ich nu schon ieber 30 Jahre in Berlin, aber daß ein U-Bahnfahrer in einer Kurve vom Sitz purzelt, weil sich eene Schraube geloggert had, das hab` ich ooch noch nich geheert! Das is ja schon richtich beinlich!

Sowas hads frieher in meiner vochtländischen Heimatstadt Rodewisch nich gegähm, weil, da hadden mir ja keene U-Bahn. Nu missen in den Fahrerkabin` alle Schraum nachgezochen wärn! Die rbb-Abendschau hats am 29. Sebdember sogar als Schbitzenmeldung gebrachd und die BVG aufgefordert, ieberall nach loggeren Schrauben zu guggen.

Glaar is nu, daß viele Zieche ausfall`n wer`n und de jungen Leide sich auf den Bahnsteichen ihre Freizeid verdreim missen.

Ganz dichd isses bei der BVG ja sowieso nich! Wenn ich in mein` U-Bahnhof Vinetastraße einsteiche, brauch` ich ooch bei droggnem Wedder mein Schärm, weil, da rieseld schon lange das Wasser und der Kalk von der Degge, und die Fachleide griech`n nich raus, woran das liechd.

Der Berliner Kurier hat ja am 30. Sebdember ooch darieber berichded, daß die BVG »eine undichte Stelle« hat. Woll`n mir nur hoffen, daß es da nich noch mehr gibt, bei den vielen loggeren Schrauben! – Gertrud Mehlhorn (72), 65-plus-Nutzerin, 13189 Berlin-Pankow
Wolfgang Helfritsch


Vertrauen
Ein V-Mann des Verfassungsschutzes, so berichtete die Berliner Zeitung am 3. Oktober, habe eine »Blaupause« geliefert für die Aktivitäten des »Nationalsozialistischen Untergrundes« – NSU. Genaueres über diese Amtshilfe sei aber nicht mehr zu ermitteln, aufgrund der Schredderei der Verfassungsschützer. Ihre eigene Art von Humor scheinen diese zu haben, der besagte vertrauliche Ideengeber hieß in den Akten »Tarif«. Er bekam ein ansehnliches Entgelt, an Fleiß hat es ihm offensichtlich nicht gefehlt.
P. S.