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Titel2118

Monatsrückblick: Wie man aufsteht  (Jane Zahn)

Die Lösung der Diesel-Krise ist in Sicht: FDP-Chef Lindner hatte die glorreiche Idee, erst mal die Messgeräte zu überprüfen. Es leuchte ihm nicht ein, dass Hamburg dreckiger sein soll als Neapel, meinte Lindner in Bild am Sonntag. Klar, es liegt an den Messstationen, dass in deutschen Städten Fahrverbote ausgesprochen werden müssen. Warum Software- und Hardware-Nachrüstung, wenn einfach nur die Messgeräte justiert werden müssen! Auch wenn Merkel der Autoindustrie vorwirft, »Vertrauen verspielt« zu haben (Podcast der Bundeskanzlerin) und die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket beschlossen hat, das den Autokonzernen neue Umsätze bescheren soll mit Prämien für Neukauf – das eigentliche Übel sind doch die Messungen der Schadstoffe! Ohne Messungen keine Fahrverbote, ohne Fahrverbote kein Dieselgate!

 

Im Hambacher Forst darf nicht weiter geräumt werden. Die Polizei musste abziehen. Der Sieg vor Gericht – der sicher auch auf den politischen Druck der Umweltschützer zurückzuführen ist – wurde von 50.000 Menschen auf einem Acker in der Nähe des Forstes friedlich gefeiert. Schon lange waren nicht mehr so viele Demonstranten für Umweltschutz auf den Beinen gewesen. Und es werden weitere Baumhäuser gebaut – von kriminellen Clans, so sieht es offenbar der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul. »Beim Kampf gegen die Clankriminalität führen wir ja auch nicht jeden Tag eine Razzia durch«, erklärte er dem Kölner Stadt-Anzeiger, dass die Polizei aktuell nicht permanent Baumhäuser räumt (zitiert nach jW vom 12.10.18).

 

Ist es trotz des Einsatzes der Klimaschützer schon zu spät? Mit großen Anstrengungen, so der Sonderbericht des UN-Klimarates, könnte noch eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad erreicht werden. Gegenüber einer Erwärmung auf 2 Grad müssten bei 1,5 Grad etwa zehn Millionen Menschen weniger ihre überschwemmten Küstengebiete verlassen. Dass der Meeresspiegel ansteigen wird, ist nicht mehr vermeidbar, und auch das Ziel von »nur« 1,5 Grad zusätzliche Erwärmung ist nur bei stark vermehrten Anstrengungen erreichbar: Der weltweite CO2-Ausstoß müsste bis 2030 um 45 Prozent gesenkt werden. Die CO2-Beschlüsse der EU vom 10. Oktober aber verfehlen die Klimaziele: nur 35 Prozent Senkung des CO2-Ausstoßes von Neuwagen statt notwendiger 50 Prozent. Hauptbremser ist Deutschland. Selbst bei 50 Prozent würden aber keine Bedingungen geschaffen, um die jetzt vom Weltklimarat empfohlene Begrenzung auf 1,5 Grad Erwärmung zu erreichen.

 

Bei weiterer Verwendung der besonders CO2-intensiven Braunkohle ist nichts zu machen – aber Brandenburgs Regierung lässt sich davon nicht beirren: Braunkohle muss weiter abgebaut und verheizt werden, um Arbeitsplätze zu retten. Wird Brandenburg dann die Klimaflüchtlinge aus Hamburg und den Niederlanden aufnehmen? Wie kurzsichtig kann man sein?

 

Sehr weitsichtig dagegen ist Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident. Auf dem Deutschlandtreffen der Jungen Union stellte er sein Projekt »Bavaria One – Mission Zukunft« vor: Weltraumindustrie in Bayern. Ziel ist die Entwicklung unbemannter, suborbitaler Flugkörper, Erdbeobachtung und Quanten-Sensorik. »Wir starten Bavaria One. Mit unserem Raumfahrtprogramm entwickeln wir aus dem All Lösungen für Probleme der Menschen, bei Medizin oder Ökologie. Wir investieren 700 Mio. €, bauen einen bayerischen Satelliten und gründen die größte Raumfahrt-Fakultät Europas an der TU München.« (Markus Söder auf Twitter am 2.10.18). Klar – er muss nach dem blamablen Wahlergebnis Asyl suchen. In einer Erdumlaufbahn oder auf dem Mars? Die Freien Wähler, mit denen er jetzt koalieren will, haben allerdings schon mal angekündigt, dass die CSU sich »von einigen Größenwahnprojekten« verabschieden müsse (jW vom 16.10.18).

 

Größenwahnprojekte gibt es nicht nur in Bayern: Der bundesdeutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) arbeitet emsig daran, dass Schattenbanken in der Bundesrepublik stärker zum Zuge kommen. »Wir brauchen auch mehr Private-Equity-Finanzierung, als heute in Deutschland und Europa üblich ist«, sagte er dem Handelsblatt. Er kenne da »keine Berührungsängste«. (https://www.bundesfinanzministerium.de)

 

Keine Berührungsängste kannten auch die 240.000 Demonstranten am 13. Oktober in Berlin, die #unteilbar auf die Straße brachten. Die haben gezeigt, was »aufstehen!« heißt – nicht nur im Internet. Frau Wagenknecht hatte übrigens nicht den Aufruf unterschrieben. Vielleicht möchte sie lieber teilen? Im Internet »aufstehen« ist natürlich bequemer, als auf die Straße gehen …