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Monatsrückblick: Die Klopapier-Garantie  (Jane Zahn)

»Regierung gibt Deutschen Klopapier-Garantie«, hieß eine BILD-online-Schlagzeile am 19. Oktober. Dabei hatte Bundesverkehrsminister Scheuer wohl auf die Frage des Bild-Vize Paul Ronzheimer, ob es in der Pandemie immer genug Klopapier geben werde, nur mit »Ja« geantwortet. Wieso das – ausgerechnet aus dem Mund von Andreas Scheuer – eine Garantie auf Klopapier-Bezug sein soll, bleibt das Geheimnis von Bild. Im Allgemeinen sind Scheuers Garantien das Klopapier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden.

 

Auch Trump hat keine Garantie, weiter der beste Präsident aller Zeiten bleiben zu können. Der Präsident der USA war an Covid 19 erkrankt und musste seinen Wahlkampf unterbrechen. Für einen Corona-Leugner dumm gelaufen. Aber er wäre nicht Trump, wenn er nicht das Beste für sich daraus gemacht hätte: Er wurde durch die Wunder der modernen Medizin rasch »geheilt« und von den empfangenen Steroiden noch aggressiver als vorher gemacht. Dass dann die Belegschaft des Weißen Hauses in Quarantäne gehen musste – Trump schreckte das nicht. Auch seine neuen Verbündeten schrecken ihn nicht:

 

»Wir hoffen, dass Trump die Wahl gewinnt«, äußerte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid gegenüber dem US-Sender CBS am 10. Oktober, denn »für die Taliban ist er ein kluger und weiser Mann« (junge Welt, 12.10.20).

 

Ein wirklich kluger Mann hat es dagegen schwer, zu Wort zu kommen:

 

Der Gründer und ehemalige Generaldirektor der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), José Bustani, durfte nicht im UN-Sicherheitsrat sprechen. Er war vom turnusmäßig den Vorsitz führenden russischen UN-Botschafter eingeladen worden, um über die Vorwürfe gegen die OPCW zu sprechen, die Inspektoren ihrer Organisation gegenüber erhoben hatten: Sie waren nicht angehört worden bei dem Bericht über den angeblichen Giftgaseinsatz in Syrien, obwohl sie vor Ort recherchiert hatten. Sie hatten aber nicht das gewünschte Ergebnis geliefert: Nach ihrer Aussage gab es keinen Giftgaseinsatz, daher auch keinen Grund für die Bombenangriffe durch die USA, Großbritannien und Frankreich auf Syrien. Bustani ist Wiederholungstäter: Er war 2002 von den USA aus dem Amt gedrängt worden, weil er auf einer unabhängigen Untersuchung der angeblichen chemischen Massenvernichtungswaffen im Irak bestanden hatte – die den Vorwand für den Überfall der USA auf den Irak abgaben und deren Nicht-Existenz viel später bewiesen wurde. (jW, 7.10.20) So einer darf selbstverständlich kein internationales Podium bekommen!

 

Der Bundestag will wieder ein nationales Podium werden. Er will mitreden, wenn es um Grundrechtseinschränkungen durch Pandemie-Maßnahmen geht. Von CDU-Brinkhaus bis Linken-Bartsch äußert sich laut Unzufriedenheit mit den Alleingängen der Exekutive. Wenn dann auch noch immer mehr Gerichte die Beschlüsse der Exekutive als rechtswidrig kippen, dann bröckelt die Corona-Einheitsfront. Dass im Herbst die Infektionszahlen steigen, war zwar vorherzusehen, aber unsere Schönwetter-Regierung trifft so widersprüchliche Maßnahmen, dass der Pegel der allgemeinen Verunsicherung immer höher steigt. Jetzt wollen alle noch mal mitreden. Und nach wie vor wird über Zahlen und Grenzwerte gestritten. Wird es nicht langsam mal Zeit, den Panikmodus zu verlassen?

 

Beziehungsweise das Gesundheitssystem wieder fit zu machen? Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärzteverbandes, beklagt in einem Interview, dass Deutschland für eine Verschlimmerung der Pandemie nicht vorbereitet sei. Es gebe schon heute zu wenig Personal in den Intensivstationen. »Das liegt an dem jahrelangen Kaputtsparen der Krankenhäuser«, erklärte Montgomery. (Märkische Allgemeine Zeitung, 7.10.20)

 

Oder die Arbeitszeit der Krise anzupassen? IG-Metall-Vorsitzender Jörg Hoffmann schlägt eine 4-Arbeitstage-Woche vor, um produktionsbedingte Kündigungen zu vermeiden. »Das ist leider vollkommener Unsinn«, antwortet Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger am 14. Oktober in der Süddeutschen Zeitung. Kein Unsinn, so behauptet er, sei dagegen sein Vorschlag, durch Lohnverzicht einen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten. Mehr produzieren und weniger Geld zum Kaufen haben ist ganz klar sinnvoll – in der »Logik« des Teufelskreises.

 

In dem bewegen sich die Regierungen von Bund und Ländern und beschlossen in Panik Reisewarnungen und Beherbergungsverbote – aber nur für die zivile Bevölkerung. Für Manöver wie »Resilient Guard«, bei denen der Transport von Nuklearwaffen geprobt wird, werden auch Einheiten aus Mecklenburg-Vorpommern in die Eifel verlegt – und wieder zurück. Berlin hat – vorausblickend – gleich gänzlich auf ein Beherbergungsverbot verzichtet, vielleicht damit Polizisten aus anderen Bundesländern in der Stadt übernachten dürfen, wenn es um die Räumung eines besetzten Hauses geht. Mit 1500 Beamten wurden dann 57 Hausbewohner aus der Liebigstraße 34 »entfernt« – damit der Eigentümer frei darüber verfügen kann. (jW 10./11.10.20)

 

»Wir sind in einem Marathonlauf, von dem wir nicht wissen, wann wir das Ziel erreichen«, orakelte Dietmar Woidke, Ministerpräsident in Brandenburg, am 30. September in der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Der erste Marathon-Läufer starb einer Legende nach übrigens bei der Ankunft. Hoffen wir mal, dass Woidke den hinkenden Vergleich nicht wörtlich nimmt. Seine nächste Äußerung war auch nur von eingeschränkter Haltbarkeit: »Es ist am besten, zu Hause zu bleiben. Zweitbeste Variante ist Urlaub in Brandenburg.« Zwei Wochen später gab es das Beherbergungsverbot. Dass es unverhältnismäßig war, hat das Gericht entschieden. Wie war das mit der Garantie auf Klopapier?