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Titel2212

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Thorbjørn Jagland, Preisverleiher. – Daß die Europäische Union, wer immer da im einzelnen gemeint ist, diesmal den Friedensnobelpreis bekommen hat, war Ihre Entscheidung. Als Vorsitzender des dafür zuständigen norwegischen Komitees konnten Sie sich damit gegen Bedenken durchsetzen, so wie schon bei der Würdigung eines gerade kriegführenden Präsidenten der USA als Friedensheld. Nun darf in der Bundesrepublik die CDU den Preis für sich reklamieren – eigentlich, so läßt sie uns wissen, sei mit der Preisvergabe Ex-Kanzler Helmut Kohl gemeint. Und auch die SPD ist hocherfreut – der Hauptadressat des Preises, sagt sie, sei Martin Schulz, der sozialdemokratische Präsident des Europäischen Parlaments. Gar nicht angetan von der Ehrung der EU ist die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Ihres Landes, das seinerzeit den Eintritt in dieses Bündnis abgelehnt hat. Als führender Sozialdemokrat und Ministerpräsident wollten Sie Norwegen zum Mitglied der EU machen – gegen den Willen Ihrer Landsleute. Denen haben Sie jetzt noch einmal, die Nobelgelegenheit nutzend, einen Verweis erteilt und ihnen zu verstehen gegeben, wie politisch dumm sie doch seien. Wir sind sicher, daß der Stifter des Preises noch nicht ahnte, wie dieser zweckentfremdet vergeben werden kann, jetzt an einen Staatenverbund, der Aufrüstung zur Pflicht macht und für Militärexport in alle Welt sorgt. Angestiftet dazu, einen Preis für »Friedensverfechter« (so die Formulierung in Alfred Nobels Testament) auszuloben, hatte die Pazifistin Bertha von Suttner, »Die Waffen nieder« war ihr Aufruf. Eine naive Frau, werden Sie öffentlich nicht sagen, dies aber denken; »si vis pacem, para bellum« wußten doch schon die Politiker im alten Rom. Nur zur Erinnerung: Das römische Imperium ging unter, seine militärische Machtentfaltung erwies sich als selbstzerstörerisch.

Peer Steinbrück, rhetorischer Schläger. – Endlich wieder so ein richtiger »Schlagabtausch« im Deutschen Bundestag, freuten sich die Medien – die Anerkennung galt Ihrer Antwort auf die Regierungserklärung der Kanzlerin zur EU/Euro-Politik. »Angriffslustig« hätten Sie sich gezeigt. Im Ton, das können wir Ihnen bestätigen. In der Sache haben Sie nicht die europapolitische Strategie, sondern die Taktik Angela Merkels unter Kritik genommen. Zu zögerlich habe diese in die öffentliche Debatte eingegriffen, der deutschen Bevölkerung nicht engagiert genug erklärt, was da eigentlich gerettet werden soll. Und »verspätet« habe sie die guten Vorschläge der SPD übernommen. Also: Sozialdemokratische und christdemokratische PolitikerInnen schlagen sich – und sie vertragen sich auch, die Große Koalition bleibt möglich. Aber was würde dann aus Ihnen? Unter Angela Merkel, haben Sie erklärt, würden Sie nicht wieder als Minister dienen. Daß die Kanzlerin Ihnen zu Gefallen ihren Job einer CDU-Kollegin oder -Kollegen übergibt, ist nicht zu erwarten. Ein Dilemma, jedoch ein lösbares, denn im Politikgeschäft können Sie mit einem kurzen Gedächtnis beim Publikum rechnen, der Medienbetrieb sorgt dafür.

Harald Bretschneider, nach eignen Angaben durch und durch Pazifist. – Als evangelischer Landesjugendpfarrer in Dresden fanden Sie in den frühen 1980er Jahren beim Propheten Jesaja für Ihren »Friedens«-Sticker den Slogan »Schwerter zu Pflugscharen«, von dem die Welt am 14. Februar 1982 prophezeite, daß die sich daraus entwickelnde Bewegung »der Anfang vom Ende der DDR sei«. Seit die Prophezeiung eingetreten ist und das neue große Deutschland wieder an imperialen Kriegen teilnimmt und eifrig Waffen schmiedet und exportiert, ist es still um Ihren Sticker geworden. Sie selbst wurden Oberkirchenrat und immer dann in den Medien genannt, wenn eine Ehrung für Sie anstand. 2004 erhielten Sie »für Ihr Engagement als Landesjugendpfarrer« die Sächsische Verfassungsmedaille und in diesem Herbst aus der Hand Ihres Amtsbruders und Rechtfertigers des Afghanistankrieges, Joachim Gauck, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, wobei Sie Ihre Beweggründe von damals, den »Einsatz für eine Veränderung der Verhältnisse in der DDR«, offenbarten. Schon 2011 wurden Sie mit der »Martin-Luther-Medaille« ausgezeichnet, wobei der Minister de Maizière Sie in seiner Laudatio belehrte, daß bei Eingriff »mit Waffengewalt zum Schutz der Menschenrechte« ... »gerade Christen hier in einem Gewissenkonflikt stünden, da militärisches Eingreifen die Möglichkeit des Tötens und Sterbens einschließt«. Bei diesen Worten und Ihrer widerspruchslosen Annahme der Medaille ist Ihr Herr und Friedensfürst Jesus Christus sehr, sehr traurig geworden; Sie aber haben sich dabei vielleicht daran erinnert, daß auch Luther »Waffengewalt« befürwortet hat und sogar den Fürsten in den Bauernkriegen zur Ermordung ihrer zum Teil wehrlosen Gegner ein gutes Gewissen gab. Evangelische Pazifisten.

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