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Titel222013

SPD: Wir brechen Wort  (Otto Köhler)

Der Weg ist frei. Der SPD-Konvent hat mir übergroßer Mehrheit Ja gesagt. Die deutsche Sozialdemokratie ist bereit, alles zu vergessen, was sie vor der Wahl versprach, sie ist willens, Angela Merkel von der mächtigsten, zu allermächtigsten Frau in Europa zu machen.

Die deutsche Sozialdemokratie verhilft der Kanzlerin zu einer mehr als verfassungsändernden Mehrheit im Bundestag. Aus den 41 Prozent der Wähler, die für die Union, und den 25 Prozent, die für die SPD gestimmt haben, und die nicht alle diese Große Koalition wollten, werden so durch Zauberhand 80 Prozent der Parlamentsmandate. Mit einer Opposition, die nicht mal einen Untersuchungsausschuß einsetzen kann. Die Sozialdemokratie leistet damit mehr als Ersatz für jene absolute Mehrheit der Wählerstimmen, die die deutsche Rechte bei den Wahlen erreichte: Union, FDP und AfD haben zusammen 51 Prozent der Wählerstimmen erzielt, dank der Fünfprozentklausel gelangten nur die 41 Prozent Union ins Parlament. Darum braucht Angela Merkel die deutsche Sozialdemokratie, die willig ihr Wort bricht, nie wieder in eine Große Koalition zu gehen. Sie verzichtet damit zugunsten der deutschen Rechten auf jene legitime strategische Mehrheit, die SPD, Linkspartei und Grüne dank der Fünfprozentklausel im Parlament besitzen.

Die staatstragenden, die solch einen Staat tragenden Medien jubeln, an der Spitze Die Welt: »Die SPD, die als Schutzmacht der Armen, Aufstiegswilligen und Bildungshungrigen begann, ist da für das Land, wenn es sie braucht. Welche sozialdemokratische Partei in Europa kann dies in dieser Klarheit von sich behaupten? Es wäre der SPD zu wünschen, daß sie diesen Weg weniger zerknirscht als stolz geht.«

So stolz wie am 4. August 1914. »Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich«, verkündete die SPD im Reichstag, stimmte für die Kriegskredite und eröffnete so Kaiser Wilhelm den Weg in das Abschlachten der eignen Genossen. Das war der erste große Wortbruch der deutschen Sozialdemokratie. 1918 folgte der zweite, der Verrat an der Revolution durch Friedrich Eberts unterwürfige Zusammenarbeit mit der Obersten Heeresleitung, die nicht nur zum willkommenen Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht führte. 1933 bäumte sich die SPD kurz auf und sagte Nein zum Ermächtigungsgesetz, aber nur, um wenige Wochen später, es war ihr letzter Akt im »Dritten Reich«, Ja zu sagen zur »Friedenspolitik« Adolf Hitlers. Und seit 1999 wieder bedeutet für sie Einsatz für derlei Frieden Krieg, Krieg und noch einmal Krieg.

Auf dem Weg in die Übergroße Koalition beschloß der SPD-Konvent zehn »Unverzichtbare Thesen«. Die Verzichtbarkeit wurde sofort eingebaut. Der Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß freute sich schon im rbb für den Fall, daß »wir davon einiges durchsetzen können«.

Zehn Tage nach dem SPD-Konvent können noch tatsächlich unverzichtbare Forderungen erfüllt werden müssen. Am 30. Oktober tagt um 10.30 Uhr in der Berliner Kalkscheune, Johannisstraße 2 (Friedensdemonstranten sind nicht willkommen), der »Friedens- und Sicherheitspolitische Workshop« des DGB, zu dem – wie der außenpolitische Informationsdienst German Foreign Policy feststellt – »fast ausschließlich Befürworter der deutschen Kriegspolitik« als Referenten geladen sind. Die Leitung hat der DGB-Vorsitzende und de-Maizière-Kollaborateur (Ossietzky 5/13) Michael Sommer (SPD). Maßgebend beteiligt Michael Peters von der – das gibt es – ver.di-»Fachgruppe Bundeswehr«; er kommt aus dem Militär und ist Aufsichtsrat der Rüstungsfirma BWI. Und der IG-Metall-Funktionär Jürgen Bühl vom »Arbeitskreis Wehrtechnik und Arbeitsplätze«, der den Ausbau der »wehrtechnischen Kernfähigkeiten« der deutschen Industrie und die Forcierung der deutschen Rüstungsexporte zum Programm hat. Bei dieser Tagung dürften die tatsächlich unverzichtbaren Forderungen der deutschen Sozialdemokratie für die kommende Große Koalition aufgestellt werden.

Wir müssen das alles verstehen. Wir müssen es einsehen: Der Wortbruch vom 20. Oktober, das Ja zu Angela Merkel und die Tagung kommenden Mittwoch in der Kalkscheune, das alles ist die konsequente Fortsetzung des Wegs jener deutschen Sozialdemokratie, die es so im Jahr 2017 nicht mehr geben wird. Schon einmal, vor einem Jahrhundert, brach sie entzwei.