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Degussa vergoldet wieder die ganz Rechten  (Ulrich Sander)

Ehemalige Finanziers Hitlers, Ausbeuterbetriebe von Zwangsarbeitern und Kriegsgewinnlerfirmen beziehungsweise ihre Nachfolger, sie gehören zu den Förderern der AfD. Während die NSDAP als Kriegstreiber für die Schwerindustrie willkommen war, so ist die AfD für bestimmte Kapitalkreise heute als »Angstmacher« interessant. Angst vor Abstieg, Unsicherheit der Bankenwelt und Schwinden der Zinsen lösen den Wunsch nach Sicherheit aus, und diese Sicherheit bietet unter anderem die Anlage der Vermögen in Gold. Dieses Gold verkauft die AfD an ihre Anhänger. Die Süddeutsche Zeitung berichtete jetzt über die guten Beziehungen des Bankhauses von Finck und der Degussa zur AfD und ihrer Goldhandelsabteilung. Degussa bedeutete »Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt«; sie vermarktete einst das Zahngold aus den Vernichtungslagern und lieferte über die Tochterfirma Degesch – ausgeschrieben »Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung« – das Zyklon B für die Gaskammern zum Beispiel in Auschwitz. Eine Zeitlang bestand in Deutschland keine Firma mit Namen Degussa mehr, die alte Firma war in dem Essener Chemiekonzern Evonik mit der Ruhrkohle AG verschmolzen worden. Doch dann kaufte August von Finck junior den Namen Degussa, und der prangt nun am Sitz für den Goldhandel in Köln.

 

Die Süddeutsche Zeitung vom 26. Oktober bezieht sich in ihrem Bericht über diese Vorgänge am rechten Rand auf das Buch »Gefährliche Bürger« und nennt es ein Standardwerk über die neuen Rechten. Die Autoren sind Liane Bednarz und Christoph Giesa, ihr Werk erschien im Verlag Carl Hanser. Allerdings mit gravierenden Änderungen, denn die gebotenen Enthüllungen erschienen als riskant. Die Süddeutsche liefert nun Passagen, die im Original des Buches gestrichen werden mussten. Es ergibt sich eine Rezension eines Buches, das es so nicht gibt. Das ist mal etwas Neues.

 

In einem Kapitel in »Gefährliche Bürger« erzählen Bednarz und Giesa von einer Branche, in der ihren Recherchen zufolge dubiose Händler mit Rechtsdrall Finanzprodukte für verunsicherte Menschen anbieten. Die Autoren fällen ein hartes Urteil über die Händler: »Sie sitzen nicht nur neurechten Phantasien des Untergangs des Abendlandes auf«, sondern schürten auch »Vorbehalte gegen den (jüdischen) Zinskapitalismus.«

 

Die AfD betreibt im Internet einen umstrittenen Goldshop. Nach den Recherchen der Autoren ist zu vermuten, dass das Gold für dieses Geschäft wenigstens zum Teil ursprünglich von Degussa kommt. Über Finck, so berichtete die Welt, heißt es außerdem in internen Papieren der CDU, er unterstütze den Wahlkampf der AfD.

 

Unter den »Gefährlichen Bürgern« befinden sich alte Traditionsnamen der Finanzierung der Faschisten, so Thyssen und eben von Finck, die am Treffen zur »Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft« im Februar 1933 teilgenommen haben. Der ehemaligen Thyssen-Chef Dieter Spethmann war als Euro-Hasser ebenfalls unter den Angstmachern unterwegs.

 

Namen wie Thyssen, von Finck und Degussa werden wieder genannt, wo aktuelle profaschistische Bestrebungen gefördert werden. Diese Namen wurden auch als Förderer und Nutznießer des Nazismus bekannt. Wiederholt sich die Geschichte?

 

Nach 1945 wurden einige wenige industrielle Förderer der Nazis als Kriegsverbrecher angeklagt. Sie kamen bald wieder frei; Krupp und Flick bekamen ihr Vermögen zurück. Krupp schwor, nie wieder an der Aufrüstung mitzuwirken, heute bettelt der Konzern Thyssen-Krupp um Aufträge im U-Boot-Bau. Von Finck senior wurde im Krieg und danach einer der reichsten Bankiers mit dem größten Geld- und Grundstücksvermögen. Sein Sohn ist nun wieder dabei, wenn es gilt, ultrarechte Kräfte zu fördern.

 

Die Entnazifizierung der Großen ist gescheitert. Lange Zeit galt dies auch für die kleinen Verbrecher. In der Welt stand am 10. August 2016 ein ausführlicher Bericht über die Operation Last Chance des Simon-Wiesenthal-Zentrums und über die Möglichkeit, Diensttuende in Auschwitz zu bestrafen, auch nach so langer Zeit. So will Oberstaatsanwalt Andreas Brendel von der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in vielen Fällen gegen KZ-Aufseher weiter vorgehen. Gegen acht frühere Mitglieder der Wachmannschaft im Konzentrationslager Stutthof wird seit 2011 ermittelt, nach der Verurteilung des Auschwitz-Wachmanns Reinhold Hanning im Juni nochmals verstärkt. Die Welt stellte dazu die Frage, warum plötzlich so viele greise KZ-Täter angeklagt werden. »Das Prinzip sei einfach: Mord verjährt nicht, und auch nicht Beihilfe zum Mord. Wenn also zum Beispiel ein Mitglied der SS-Sanitätskompanie im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nachweislich zum ›Desinfektionsdienst‹ in einem der Krematorien eingeteilt war, konnte darauf der Vorwurf hundert- oder sogar tausendfachen Mordes gestützt werden. Denn die Sanitätsunteroffiziere der Lager-SS leerten in diesem Dienst die Büchsen mit dem Zyklon B genannten Blausäurepräparat in die mit Menschen vollgestopften Gaskammern.«

 

Dazu sollte aber auch gefragt werden: Wer da die Büchsen mit dem Zyklon B anwandte, kann noch bestraft werden, aber wer sie herstellte und lieferte, der nicht? Es lieferte unter anderem die IG Farben, noch heute gibt es die Nachfolger der IG: Bayer und Evonik. IG Farben und Degussa betrieben gemeinsam Degesch, den Zyklon B-Hersteller; Nachfolger von Degussa ist Evonik (Essen). Und der Name dieses Nachfolgekonzerns der Täter steht auf den Trikots vieler tausend Menschen in Dortmund, wenn der BVB spielt. Niemand denkt sich etwas dabei. Sollte man sich nicht genauer damit befassen? Und sollte man nicht genauer hinsehen, wenn einem die Degussa-Gold-Werbeprospekte ins Haus flattern. Wer dort Gold kauft, fördert die AfD.

 

Mord verjährt nicht – oder doch, wenn der Mörder eine große Firma ist.