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Titel2309

Die Frankfurter (Militär-)Schule  (Otto Köhler)

Es war der Gründungsmythos der Bonner Republik, daß die Bundesrepublik zur Sicherung ihrer Freiheit und ihrer Existenz eine Armee brauche. Einer sah es anders: »Die neue deutsche Armee wurde nicht gegründet, um den Bonner Staat zu schützen, sondern der neue Staat wurde gegründet, um eine Armee gegen die Sowjets ins Feld zu stellen ...«.

Das schrieb Rudolf Augstein 1961 im Spiegel, und er mußte es wissen. Schließlich hatte er schon 1948 eine Rundreise zu maßgebenden Hitlergeneralen unternommen und anschließend ihre Wünsche unangemeldet im Dunkel der Nacht Konrad Adenauer in dessen Privathaus übermittelt. Adenauer war damals im November 1948 noch nicht Kanzler der noch nicht existierenden Bundesrepublik, sondern zunächst Präsident des westdeutschen Parlamentarischen Rates. Die Hitlergenerale forderten dreißig deutsche Divisionen, und Adenauer sagte zu Augstein: »Das ist auch meine Schätzung.« Adolf Heusinger, der General, der Hitlers Angriffsplanungen fachkundig ausgearbeitet hatte, war da schon einen Schritt weiter: 1948 betrieb er aus der vom CIA kontrollierten Organisation Gehlen heraus die, wie er sich unmißverständlich ausdrückte, »Remilitarisierung« Westdeutschlands.

Im Juni 1950, zwei Jahre später, begann der Koreakrieg, und nach vier Jahren, 1952, wurde die Kasernierte Volkspolizei in der DDR aufgestellt.

Nunmehr erfahren wir die wahren Ursachen der westdeutschen Wiederaufrüstung aus einem Buch mit dem programmatischen Titel »Die Frankfurter Schule in Frankfurt. Eine Rückkehr nach Deutschland« (Wallstein Verlag, 301 Seiten, 24,90 Euro), das zugleich einer gleichnamigen, noch bis 10. Januar geöffneten Ausstellung im Frankfurter Jüdischen Museum als Katalog dient. »Unter dem Eindruck des Koreakrieges und dem Aufbau einer kasernierten Volkspolizei in der DDR« habe Adenauer im August 1950 jenes »sicherheitspolitsche Memorandum« dem Hohen Kommissar John McCloy übermittelt, das zur Wiederaufrüstung führte.

Weil das westdeutsche Volk mit 74,6 Prozent jede Remilitarisierung ablehnte, »bemühte man sich um vertrauensbildende Maßnahmen, die eine höhere Akzeptanz für die neue Armee schaffen sollten«. Und dabei verfiel die Dienststelle Blank, wie das Amt für Wiederaufrüstung hieß, auf die Kritische Theorie, die Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrer Frankfurter Schule lehrten. »Das Institut sollte«, so enthüllt die Autorin, »die psychologischen Tests von Offiziersanwärtern vornehmen.« Es lehnte zwar »eine unmittelbare personelle Beteiligung am konkreten Prüfverfahren« ab, es nahm aber »streng vertraulich« – das Amt Blank legte Wert darauf, die Regelungen für Staatsgeheimnisse »strikt einzuhalten« – eine vereinbarte Gesamtsumme von 7.809 DM entgegen für »Beratung und Auswahl derjenigen Offiziere, welche am Ende die Auswahl der Bewerber vorzunehmen hatten«.

Kuratorin Boll: »Solches Trachten nach Einflußnahme im Adenauerstaat ist dem Institut von seinen späteren Schülern öfter als allzu bereitwillige Kooperationsbereitschaft, gar als Verrat der eigenen Position ausgelegt worden.« Doch sie weiß es weit schlimmer: »Dabei läßt sich hinter dem Engagement des Instituts weniger eine opportunistische Kalkulation aufdecken als überzeugtes Einverständnis.«

Das ist, wenn es wahr ist, der Bankrott der Frankfurter Schule kritischen Denkens. Und er wurde 1999 überzeugend bestätigt von Jürgen Habermas, der sich damals mit einem Aufsatz (»Bestialität oder Humanität«) in der Zeit zum Gründungsmythos der Berliner Republik bekannte, der zweiten Bombardierung Belgrads seit 1941. Wobei beim heutigen Nestor der Frankfurter Schule kritischen Denkens allerdings jene opportunistische Kalkulation hinzutrat, die die Kinder von Varvarin nicht überlebten: »Tatsächlich haben die ›chirurgische Präzision‹ der Luftangriffe und die programmatische Schonung der Zivilisten einen hohen legitimatorischen Stellenwert.«