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Titel2409

Wo bleibt der DGB?  (Otto Meyer)

Mit ungewohnt starken Worten wandte sich der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes kurz nach der Bundestagswahl und der Regierungsbildung an die Öffentlichkeit: »Deutschland, ein Horrormärchen?« war die Überschrift eines im Internet verbreiteten Flugblatts, das »klartext« verhieß. Darin wurde Warren Buffet zitiert, der vielleicht reichste Mann der Welt, der 2006 einmal gesagt hat: »Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Krieg führt, und wir sind dabei zu gewinnen.«

»Nach Ausbruch der Krise«, so die vorschnelle Einschätzung des DGB, »waren Buffet und seine Artgenossen dabei, den Krieg zu verlieren«. Heute allerdings seien sie wieder »dabei, ihren Krieg zu gewinnen«. Jetzt drohe »ein Horrormärchen wahr zu werden. Zu Lasten der Armen, Sozialschwachen und Arbeitnehmerinnen und Arbeiter. Zu Gunsten der Reichen und Vermögenden. Zumindest in Deutschland.« Es folgten Warnungen vor den bösen Plänen der Arbeitgeberverbände und der neu ins Amt gewählten schwarz-gelben Regierung. Diese wolle sogar »den Faden der Agenda 2010 wiederaufnehmen«.

Mutig! Mutig! Wir hätten ähnlich kritische Einschätzungen aus dem Munde von Gewerkschaftsvorsitzenden, vor allem aus dem Hause des DGB, gern schon viel früher vernommen. Denn der »Krieg« der Reichen gegen die Armen konnte in diesem Lande nur deshalb so erfolgreich geführt werden, weil die Gewerkschaften bis in ihre Spitzen mit Vertretern der SPD durchsetzt waren (und sind), die ihren regierenden Parteifreunden nicht in die Quere kommen mochten. Hat nun im DGB ein Umdenken eingesetzt? Beginnt jetzt endlich eine schonungslose Auseinandersetzung mit Schröders und Steinmeiers »Agenda 2010«-Politik? Oder will man weiterhin im Windschatten der SPD segeln, die nach ihrer Abwahl aus den liebgewordenen Regierungsämtern eine leichte Wendung nach links verspricht, um die Linkspartei nicht weiter hochkommen zu lassen?

Seien wir nicht nachtragend und nicht argwöhnisch, freuen wir uns, wenn Menschen sich als lernfähig erweisen! Aber hat die DGB-Führung wirklich schon dazugelernt? Sie will jetzt – nach Warren Buffet – sogar erkannt haben, daß die Reichen und die Arbeitgeberverbände einen »Krieg« führen. Eine so starke Formulierung verwenden gewöhnlich nicht einmal die kämpferischsten linken Gewerkschafter, wenn sie davon sprechen, daß in der »Freien Marktwirtschaft« ein permanenter Kampf zwischen Kapital und Arbeit stattfindet und daß all jene, die von Lohnarbeit leben, den ihnen aufgezwungenen Klassenkampf der Situation entsprechend führen müssen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten, weil sonst immer mehr Not und Elend drohen.

Wenn jetzt der DGB endlich zur Kenntnis nimmt, daß sich die sozialen Auseinandersetzungen zuspitzen, und vor zunehmendem »Horror« warnt, dann sind wir gespannt, wie er zumindest seinen Part als Koordinator notwendiger Gegenwehr aufnehmen will. Im »klartext«-Aufruf verheißt er: »Wenn Hundt und FDP … Sozialkürzungen und Abbau von Arbeitnehmerrechten« planten, würden »Gewerkschaften sich »zur Wehr setzen«. Kündigt der DGB damit politische Streiks bis hin zum Generalstreik an? Aber nein, solche Erwartungen in seine Lernfähigkeit stutzt er sogleich zurecht. Am Schluß des Textes teilt er nämlich genau mit, was er vorhat: »Wir werden die Kanzlerin daran messen, wie ernst sie sich gegen FDP und Arbeitgeberseite als Kanzlerin aller Bürgerinnen und Bürger durchsetzt.«

Der DGB will die Kanzlerin messen – wie schrecklich! Ob Angela Merkel noch ruhig schlafen kann?