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Titel242013

Auf dem Posten  (Christophe Zerpka)

»Politik ist ein faszinierender Teil meines Lebens, aber Politik ist nicht mein Leben.« Der Zitierte ist inzwischen Vorstandsvorsitzender eines großen Baukonzerns mit einem Jahressalär von 1,5 Millionen Euro. Der ehemalige hessische Ministerpräsident hat offensichtlich nicht nur erkannt, daß man in der Wirtschaft wesentlich besser verdient. Er gehört nun auch zu jener Elite, die diskret und effizient jenen faszinierenden Teil beeinflußt, von dem sich Roland Koch verabschiedet hat. Er war nicht der erste, der aus der Tatsache, daß die Politik nur noch die zweite Geige spielen darf, seine Schlüsse gezogen hat. Andere sind noch auf dem Weg in jenes Schlaraffenland, welches man bekanntlich nur erreicht, wenn man sich durch den zähen Reisbrei Politik durchgebissen hat. Und das schaffen nicht alle. Nicht nur, weil die Wirtschaft für solche »Quereinsteiger« nur begrenzte Kapazitäten vorhält und gewisse Mindeststandards einfordert. Nicht jeder kann Koch werden, womit sich die Frage stellt, wie sich auch der Kellner ein einträgliches Einkommen und eine auskömmliche Altersversorgung sichern kann. Da trifft es sich gut, daß das Faszinosum Politik viele Möglichkeiten bietet, entsprechende Stellen zu kreieren und deren Bezahlung gleich dazu. Es soll hier nicht von den schnöden Diätenanpassungen die Rede sein, welche sich die Parlamentarier ohne jeden gewerkschaftlichen Beistand regelmäßig erkämpfen. Es geht um die politische Bürokratie. Die schwindenden Mitgliederzahlen und das unsichere Spendenaufkommen bringen es mit sich, daß Parteifunktionen nur wenig Anreize zu einer lukrativen Karriere bieten. Interessanter sind da schon Parlaments- und Regierungsfunktionen. Letztere setzen selbstverständlich voraus, daß man an der Regierung beteiligt ist. Einer, der es wissen muß, sagte es in westfälischer Knappheit: Opposition ist Mist.

Die Eitelkeit der Nomenklatura kann es nicht ertragen, fern der Macht – oder das, was man dafür hält – zu sein. Was zählt, ist das Staatsamt. Auch privat steht man da gleich ganz anders da: Minister! Schatz, ich werde Minister! – Wurde aber auch Zeit. Schluß mit den Mühen der Ebene, den Wahlkämpfen, den nervtötenden Touren durch die Ortsverbände, jetzt sind wir staatstragend mit Chauffeur. Es gibt viel zu verteilen. Kein Ministerium mehr übrig? Werd` ich eben Staatssekretär. Oder Bundestagsvizepräsident. Oder Rundfunkintendant. Oder Verfassungsrichter. Vielleicht auch EU-Kommissar. Alles ist möglich, wenn man den Zipfel der Macht ergreift. Prinzipien – wenn man sie denn je hatte – werden dem unbedingten Machtinteresse untergeordnet. Um noch mal den Westfalen zu zitieren: »Daß wir oft an Wahlkampfaussagen gemessen werden, ist nicht gerecht.« Dem Manne kann zumindest zugutegehalten werden, daß er das ausspricht, was man in den anderen Parteien nur »off the record« von sich gibt. Der Bezug zur Basis wird durch den eigenwilligen Plural ersetzt: Die zu erwartenden Bezüge rechtfertigen allemal die Kröten, die man schlucken muß, wenn man bei der Verteilung der Ämter dabeisein möchte. Es liegt auf der Hand: Je mehr die Politik an realer Macht verliert, desto stärker sorgt sie sich um das sichere Auskommen der eigenen Kaste. Was stört, ist diese plumpe Art der Ämterverteilung. Man ahnt, daß es nicht um die beschworenen Inhalte geht, um die »hart gerungen« wird, sondern um die Pöstchen. Wir sind also gespannt. Gespannt auf jene Sachzwänge, die – leider, leider – die Wahlversprechen zu Makulatur machen. Auf die kleinen Fettnäpfchen, die das Amt so mit sich bringt. Ob sich wohl wieder ein Minister als Teppichimporteur betätigen wird? Oder dreistellige Millionenbeträge in den Sand setzt? Man kann sich viel erlauben, wenn man in der richtigen Position ist. Fast wie bei den wirklich Mächtigen, den Köchen dieser Gesellschaft.

Die politischen Kellner haben sich mit den Verhältnissen arrangiert und das Beste daraus gemacht. Für sich. Für die nächsten vier Jahre ist man jedenfalls auf der sicheren Seite. Nur bei den ganz Ehrgeizigen wird man den Eindruck nicht los, daß sie auf jene Wolke streben, auf der Roland Koch, Joschka Fischer und Gerhard Schröder es sich schon bequem gemacht haben.