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Titel2508

Die Lösung: mehr spekulieren!  (Peter Minor)

Die Finanzkrise läßt manchen am Kapitalismus zweifeln. Ganz falsch. Die Lösung heißt: »Mehr Kapitalismus wagen!« So sagt es der CDU-Politiker Friedrich Merz. Es gebe »keinen besseren Mechanismus zur Steuerung des Marktes ... als den Markt selbst« (Focus online, 17.11.08). Und Markus Sievers, Geschäftsführer eines Hedgefonds-Vertriebs, preist sein Geschäft als die marktgerechte Lösung an (Spiegel online, 15.11.08): »Hedgefonds stabilisieren Volkswirtschaften und Finanzmärkte auch.« Sein Beispiel: Wenn etwa die Lufthansa sich gegen schwankende Kerosinpreise absichert, indem sie an Terminmärkten auf steigende Kurse wettet, »muß es auch Spekulanten geben, die dagegen halten. Sonst gerät der Markt aus dem Gleichgewicht. Das sind die Hedgefonds.«

Wetten und spekulieren kann man im heutigen Kapitalismus auf alles. Und je größer das Risiko, desto größer der Profit – wenn’s klappt.

Nicht auszudenken, welche Profite erzielbar wären, wenn nicht nur auf einzelne Produkte, sondern auf das kapitalistische Finanzsystem insgesamt und dessen Zusammenbruch spekuliert würde. Zugegeben, auch der Preis ist dann wohl höher. Aber etwas davon erleben wir ja gerade. Und wir sehen wieder einmal, daß in diesem Spiel nicht alle gewinnen können. Es kommt also nur darauf an, zu den Gewinnern zu gehören.

Nachdem wir nun gelernt haben, daß Spekulation aus Profitgier nicht Ursache, sondern eine Lösung für die Finanzkrise ist, brauchen wir uns also nur noch umzuschauen, wie man in diesem Spiel gewinnen kann. Entsprechende Lösungsvorschläge zur Finanzkrise sind auf dem Markt der Markt-Ideen schnell gefunden. Nehmen wir zum Beispiel den Londoner Economist, in dem auch Friedrich Merz gern nach Analysen und Rezepten für das Kapital schaut.

Was wir da im Zusammenhang mit der Finanzkrise lesen, beruhigt uns: »Ein allgemeiner Einbruch der Verbraucherpreise würde die Dinge noch schlimmer machen.« Nicht die Inflation gelte es deshalb zu bekämpfen, sondern die Deflation.

So für die großen Zusammenhänge sensibilisiert, können wir uns nun bei jedem Einkauf von Dingen des lebensnotwendigen Bedarfs überzeugen: Da die Verbraucherpreise fast in allen Bereichen ständig steigen, kann es mit der Finanzkrise nicht schlimmer kommen.

Und was, wenn uns das mit den steigenden Verbraucherpreisen nicht gefällt? Dann brauchen wir eben nur ein bißchen Kleingeld für einen Hedgefonds, der den Markt für uns im Gleichgewicht hält.
Alles ganz einfach. Oder?