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Titel2512

Antworten

Wolfgang Schäuble, plaudernd. – Der Zeit verdanken wir die Wiedergabe eines Gespräches, das Sie mit dem Altaltkanzler Helmut Schmidt führten. Der sagte raunend: »Wir sind am Vorabend der Möglichkeit einer Revolution in Europa.« Als Aufforderung haben Sie das verstanden, Ihre Befürchtungen oder Ihre Absichten zu offenbaren, beließen es aber bei dem Satz: »Sie können nicht erwarten, daß ein Regierungsmitglied nun gerade die Revolution vorbereitet, selbst wenn er es tut, wird er es nicht sagen.« Vor revolutionärem Schwung von unten ängstigen Sie sich offenbar nicht, aber der zweite Teil Ihrer Aussage läßt uns Böses ahnen.

Firma »Unsere Buchempfehlungen«, Berlin, werbend. –
Nicht nur Druckwerke bieten Sie zu Weihnachten an, auch andere Geschenkartikel, darunter Salz- und Pfefferstreuer in drei figürlichen Varianten: Erich und Margot, Karl und Rosa, Karl und Friedrich. So könne man, empfehlen Sie, linke PolitikerInnen, Aufrührer und Theoretiker »dekorativ« verwenden, »für den Frühstücks-tisch«, »zum Würzen«. Haben Sie auch den prominentesten deutschen Elder Statesman auf diese Offerte aufmerksam gemacht? Es könnte ihm die Sorge vor revolutionären Flutwellen nehmen.

Gerhard Schröder, gefühlvoll. –
Der Sonntags-FAZ haben Sie ein großes Interview gegeben, mit einem Rückblick auf Ihre Zeit als Bundeskanzler. Ein »einsamer Job« sei das gewesen, die Entscheidungen hätten Sie »ganz allein mit sich selbst ausmachen müssen«. Die schwierigste derselben: »Soldaten in den Krieg zu schicken«. Beim Einsatz der deutschen Tornados im Jugoslawienkrieg sei jeden Morgen Ihre Frage gewesen: »Sind alle wieder zurück?« Sind sie dann, die teuren Dinger, mitsamt ihren Besatzungen. Nach Meldungen darüber, was diese Luftwaffe zivilistisch unter den Serben angerichtet hat, werden Sie nicht gefragt haben. Jugoslawischer Regierungschef waren Sie ja nicht. Jeder Staatsmann kümmert sich halt um seine eigenen Leute. »Der Feind hatte Verluste« – so muß es sein im Völkerringen. Schon Bismarck wußte das, der eiserne unter Ihren Vorgängern. Auch er fühlte sich manchmal einsam.

Juan Carlos Alfonso Víctor María de Borbón y Borbón-Dos Sicilias, königlich. – Sie verdanken Ihren Posten dem Diktator Francisco Franco, der Sie bereits im Jahr 1969 per Gesetz zu seinem Nachfolger bestimmt hat. Seit dessen Tod im Jahr 1975 sind Sie König. Außerdem sind Sie das Oberhaupt der Organisation der Ibero-Amerikanischen Staaten. Bei deren 22. Gipfeltreffen am 16. November in Cádiz haben Sie die Vertreter Ihrer früheren lateinamerikanischen Kolonien um Unterstützung bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise gebeten, da vor allem die progressiven Länder dort wirtschafts- und sozialpolitisch deutlich besser dastehen als Ihr von der konservativen Volkspartei (Partido Popular/PP) regiertes Königreich. Sie haben dabei scharfe Kritik der Lateinamerikaner an der neoliberalen Politik in Ihrem Land ertragen und offensichtlich Fortschritte gemacht. Denn auf einem früheren Gipfeltreffen – im Jahr 2007 in Santiago de Chile – hatten Sie nach einer Kritik an der Unterstützung eines Putschversuchs in Venezuela durch Ihren früheren Ministerpräsidenten José Maria Aznar noch völlig die Contenance verloren. Ganz König von Francos Gnaden hatten Sie den von einer großen Mehrheit seines Volkes gewählten Präsidenten Hugo Chávez angeherrscht: »Warum hältst Du nicht den Mund?« Wenn es Ihre Zeit – vielleicht zwischen zwei Elefantenschlachtungen in Botswana – erlaubt, möge Ihre Majestät einmal darüber nachdenken, ob die unterschiedliche Situation der Menschen in Spanien und Lateinamerika etwas mit den unterschiedlichen Gesellschaftsmodellen zu tun haben könnte, für die Ihre PP-Freunde auf der einen und Präsident Hugo Chávez auf der anderen Seite stehen.

Verlagssprecher und Medienexperten, allwissende. – Das landauf, landab kommentierte »Zeitungssterben« in der Bundesrepublik führen Sie auf zunehmende Unlust der Konsumenten zurück, Geld für »Qualitätsjournalismus« auszugeben. Das Internet stelle viele Informationen kostenlos zur Verfügung und wirke daher zerstörerisch auf die Marktstrukturen der Medien. Durch Ihre dünne Analyse schimmert die Reklame für eine Gebührenpflicht für »Qualitätsjournalismus« im Internet. Die wäre zweifellos markt- und systemkonform. Ein anderes, besseres, kritisches Informationsangebot von Freien für Freie wäre hingegen revolutionär. Der Gedanke daran liegt Ihnen deshalb fern.

Ossietzky-Leserinnen und Leser. – Mit Heft 25-12 ist der 15. Ossietzky-Jahrgang komplett. Beim Aufheben hilft der Ossietzky-Schuber aus stabiler roter Pappe, in dem die Hefte aufrecht stehen. Zwei Schuber für 5 Euro zuzüglich 1,50 Euro Versandkosten gibt es beim Verlag Ossietzky in Hannover (Fax: 0511–2155126, E-Mail: ossietzky@interdruck.net). Im Dezember vertiefen wir das Thema »Kapitalismus vs. Demokratie« in einem Sonderheft über Griechenland mit Beiträgen von Karl-Heinz Roth, Otto Köhler, Annette Groth und anderen. Und dann? Geht es im Januar weiter.