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Es ist Mord, Mr. President  (Horst Schäfer)

Entsetzt lese ich: »Eine Predator-Drohne bringt auf sehr schnelle Art zwei, drei Kills … Die Atombombe bitte erst freischalten, wenn Ihr schon mehr als einmal eine 20+ Serie geschafft habt.« Es beruhigt mich nicht, daß es sich nur um Werbung für das neueste US-Mordspiel handelt, dessen unmittelbarer Vorläufer 2009 mit 14 Millionen verkauften Exemplaren den Guinness-Weltrekord für »das am häufigsten gespielte Online-Videospiel aller Zeiten« aufstellte. In der Beschreibung steht, es »konfrontiert die Spieler mit einer neuen Bedrohung, welche die Welt an den Rand des Zusammenbruchs bringen könnte«.

Hier werden Millionen von Menschen darauf vorbereitet, daß man mit unbemannten Flugkörpern angeblich gefährliche Terroristen aller Art spielend aus der Luft morden kann – ohne Beweise für deren Schuld vorzulegen, ohne einen lästigen Prozeß zu führen, ohne peinliche Zeugenaussagen über Verwicklungen der US-Geheimdienste befürchten zu müssen, ohne Gerichtsurteil. Das ist auch die Realität der gegenwärtigen US-Kriegsführung in Afghanistan, Pakistan und dem Jemen und möglicherweise bald im Iran.

»Wollen wir wirklich ins Mord-Geschäft zurückkehren? Haben wir eine Lizenz zum Töten?« Diese Fragen des bekannten konservativen US-Publizisten Patrick Buchanan im Jahre 2002 an Präsident Bush II sind von den verantwortlichen US-Politikern längst mit Ja beantwortet worden, leider im vergangenen Jahr auch von dem neuen Präsidenten, der nur deshalb gewählt wurde, weil er Veränderung versprochen hatte: Barack Obama.

Unmittelbar nach dem 11. September 01 hatte Bush unter dem Vorwand einer angeblich weltweiten Bedrohung durch al-Kaida den »Krieg gegen den Terror« ausgerufen. Er verordnete der CIA wieder das, wofür sie berüchtigt war und was ihr 1976, nach Aufdeckung der Mordpraktiken des Geheimdienstes durch den US-Senat, von Präsident Ford entzogen worden war: die Lizenz zum Töten.

Die UN berichteten, daß die Zahl der getöteten Zivilisten allein in Afghanistan im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf 2412 gestiegen ist, darunter viele Frauen und Kinder. An den Morden war auch die deutsche Bundeswehr beteiligt. Die meisten getöteten Zivilisten sind Opfer von Bomben und Raketen, die immer häufiger mittels Drohnen abgefeuert werden.

Gesteuert werden diese Maschinen entweder direkt aus dem CIA-Hauptquartier in den USA oder von CIA-Basen in Afghanistan, Pakistan und Dschibuti. Im Dezember 2009 berichtete die New York Times über den von Bush begonnenen Drohnen-Krieg: »Zum ersten Mal in der Geschichte verwendet ein (einer zivilen Regierung unterstellter) Geheimdienst Roboter, um Militäreinsätze durchzuführen und gezielt Menschen in einem Land zu töten, mit dem sich die Vereinigten Staaten nicht offiziell im Krieg befinden.« Die Regierung von US-Präsident Obama habe den Einsatz der Drohnen noch intensiviert.

53 Drohnenangriffe haben Wissenschaftler von der New America Foundation 2009 allein in Pakistan gezählt, 51 davon wurden von Obama befohlen, so die Financial Times Deutschland. Sein Vorgänger Bush habe im Jahr davor 34 Angriffe angeordnet. »Die USA gehen auf Jagd, rund um den Globus, und sie töten jene, die sie für böse halten.« Außerdem, so die FTD, handele es sich »um ein Milliardengeschäft«, denn der Markt für Drohnen gelte als »äußerst lukrativ«.

Der Drohnen-Einsatz, so die angesehene US-Strafrechtsprofessorin Marjorie Cohn, verletze sowohl die Charta der UN als auch die Genfer Konventionen, die absichtliche Tötungen verbieten. »Vorsätzliche oder politische Morde finden auf Anordnung oder mit Billigung einer Regierung außerhalb jedes gerichtlichen Verfahrens statt.« Die UNO habe ausdrücklich erklärt: »Exekutionen ohne Gerichtsurteil sind unter keinen Umständen gerechtfertigt, auch nicht in Kriegszeiten.« Vorsätzliches Töten, so die Rechtsexpertin, sei ein Kriegsverbrechen, das selbst nach dem US War Crime Act bestraft werden müsse.

Nicht verwunderlich ist, daß auch die deutsche Regierung am tödlichen Spiel mit Drohnen teilnehmen möchte. So vermeldete WELT ONLINE am 29. Januar 2010 unter der Überschrift »Kriegseinsatz – Israel bildet Bundeswehr für Afghanistan aus«, daß deutsche Piloten in mehrwöchigen Kursen in Israel an Drohnen geschult werden. Der Einsatz in Afghanistan stehe unmittelbar bevor. Die Drohne Heron 1 werde vom israelischen Unternehmen IAI in Zusammenarbeit mit dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall gebaut. Vorerst soll sie der Bundeswehr nur zur Aufklärung dienen – vielleicht, um verheerende Luftschläge a la Oberst Klein besser leiten zu können.

Deutsche Medien versuchen, einen Drohnen-Einsatz zu verharmlosen oder zu rechtfertigen. So kann man bei ZEIT ONLINE lesen, Obama schrecke zwar nicht vor gezielten Tötungen mutmaßlicher Attentäter zurück und nehme dabei auch den Tod Unschuldiger in Kauf, »nur wirft er die Moral dabei nicht völlig über Bord«. Was ist denn am Morden moralisch? Panorama läßt den Militärexperten Klaus Naumann unwidersprochen darüber schwadronieren, daß die Politik sich endlich »zur militärischen Seite des militärischen Kerngeschäfts« bekennen solle, und dazu gehöre »auch das Töten von Menschen«. Mord als Kerngeschäft …

Anfang Januar enthüllte die US-Zeitschrift Vanity Fair, daß im Jahre 2005 ein Mordkommando der CIA auch in Hamburg wochenlang die gezielte Tötung eines angeblichen Terroristen vorbereitet hat. »Das ist Mord«, sagte Hans-Christian Ströbele (Die Grünen), die Staatsanwaltschaft kündigte »Prüfung« an, und der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), nannte den Vorgang »atemberaubend«, womit er seine Sprachlosigkeit erklärte. Staatsanwaltschaft und Bundesregierung scheinen auch Anfang Februar noch immer ihrer Sprache beraubt zu sein.

Millionen in aller Welt schöpften Hoffnung, als Obama vor der Wahl sein Credo verkündete: »Yes, we can« – ja, wir können es, wir schaffen den Wandel. Bestürzend ist, jetzt zu sehen, daß der Krieg in Afghanistan ausgeweitet und Krieg gegen den Iran vorbereitet wird, daß der US-Rüstungsetat den neuen Rekord von 742 Milliarden Dollar – davon 192 Milliarden für Afghanistan und Irak – erklimmen soll und daß aus dem Wahlversprechen in kurzer Zeit ein »Yes, we can kill« geworden ist.