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Titel0311

Am Anfang war der Kommunismus  (Carsten Schmitt)

In der »Kommunismus«-Debatte zitierte Ulrich Maurer (Partei Die Linke) am 21. Januar aus der Bibel: »Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein. (...) Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wie viel ihrer waren, die da Äcker oder Häuser hatten, die verkauften sie (...) und man gab einem jeglichen, was ihm not war.« (Apostelgeschichte, 4,32–35)

»Kommunismus pur« werde da beschrieben, meinte Maurer und handelte sich umgehend ein »Unerhört!« des CDU-Abgeordneten Hermann Gröhe ein. Unerhört? Wohl eher: Selten gehört. Wie auch vermutlich diese Erläuterungen Rosa Luxemburgs, einen noch nicht bekehrten Zeitgenossen der ersten christlichen Gemeinden zitierend: »Diese Leute hängen nicht am Vermögen, sie predigen Gemeinbesitz, keiner von ihnen besitzt mehr als der andere. Wer ihrem Orden beitreten will, bringt sein Vermögen als Gemeineigentum ein. Deswegen herrscht unter ihnen weder Armut noch Luxus.« Luxemburg erklärte: »Das Geld kam in eine Gemeinschaftskasse, und ein Mitglied der Gemeinde, das für dieses Amt ernannt worden war, teilte das kollektive Vermögen unter alle auf. Unter den frühen Christen wurde der Kommunismus so weit getrieben, daß auch wirklich alles Gemeineigentum war. Die Familie wurde aufgehoben, alle christlichen Familien in einer Stadt bildeten eine einzige große Familie. (»Der Sozialismus und die Kirchen«, Krakau 1905)

Freilich ist bekannt, und Rosa Luxemburg verschweigt es in ihren Artikeln nicht, daß auf den kurzen Frühling des urchristlichen Kommunismus die lange Diktatur des Pontifex folgte. An die Stelle des Kollektiveigentums der Gemeinde trat die Kollekte für den Kirchenfiskus, später die Zwangsabgabe des »Zehnten«, noch später die staatlich eingetriebene Steuer. Inzwischen scheint die Kirche – das steht noch nicht bei Luxemburg –, endgültig im neoliberalen Kapitalismus angekommen zu sein: Kirchliche Dienstleistungen gibt es nur noch dann, wenn sie sich betriebswirtschaftlich »rechnen«. Läuft die Geschichte verkehrt herum?

Maurer erinnerte daran, daß einst im Kreise der Apostel, der unmittelbaren Gesandten Jesu, ein unsterblicher Traum geträumt und vielleicht für eine kurze Zeit auch praktiziert wurde – kurz schon deswegen, weil man Äcker und Häuser nur einmal ans nichtkommunistische Umland verkaufen kann? Starb, als die Kirche staatstragend wurde, ihre kommunistische Ursprungsidee? Ich meine: Selbst in dem gereizten »Unerhört« Hermann Gröhes, eines »christlichen« Apologeten des herrschenden Wirtschaftssystems, schwingt unbewußt der anfängliche Impetus, zielend auf eine gerechte Gesellschaft, noch nach. Warum sonst die laut hörbare Entrüstung?
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Sozialismus oder Kommunismus? (1847)
»Der Begriff Sozialismus ist so wenig scharf bezeichnend, daß man alle Gefängnis-Verbesserungs-Erfinder, Armenhäuser, Spitäler- und Suppenanstalten-Errichter unter die Sozialisten zählen kann; und eben darum, weil das Wort Sozialismus eigentlich gar keinen festen Begriff ausspricht, sondern alles und nichts heißen kann, flüchten sich alle seichten Köpfe, alle Liebesduseler, alle Kerls, die gern etwas tun möchten, aber keinen Mut zur Tat besitzen, unter seine Fahne und schimpfen über die Kommunisten, die nicht mehr am alten flicken, sondern ein ganz neues Gebäude aufführen wollen ...; wir dürfen nicht schweigen, wenn man ... uns auffordert, den Namen Kommunisten, an dem sich noch manche schwache Geister stießen, für den Namen Sozialisten zu vertauschen ...«, schrieb 1847 der Bund der Gerechten, Vorläufer des Bundes der Kommunisten, der Marx und Engels beauftragte, das Kommunistische Manifest zu verfassen.

Red.