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Titel316

Neue Hoffnung am Tejo?  (Urte Sperling)

Syriza setzt die EU-Auflagen mit geballter Faust in der Tasche um. Aber im Südwesten gibt es neue Bewegung: Bei den Wahlen in Portugal und Spanien verloren 2015 die Troika-frommen Konservativen ihre absolute Mehrheit. Was in Madrid daraus folgen wird, steht noch nicht fest. In Lissabon hingegen geschah schon Überraschendes: Die drei Parteien der Linken – die Sozialisten (SP), der Bloco da Esquerda (BE) und ein von der Kommunistischen Partei (PCP) geführtes Bündnis – wählten den Sozialisten António da Costa zum Ministerpräsidenten einer Minderheitsregierung. Sie versprachen ihren Wähler_innen, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten, Rentner_innen, verschuldeten Wohnungseigentümer_innen, Verarmten und die alleinerziehenden Eltern mit etwas Geld für die Zumutungen entschädigt würden, die ihnen durch die Exekution der Troika-Auflagen aufgezwungen worden waren. Auch eine gerechtere Besteuerung wurde vereinbart.

Der Präsident der Republik, Anibal Cavaco Silva vom Partido Social Democrata (einer liberalkonservativen Partei, die sich in der Revolutionszeit aus taktischen Gründen einen sozialdemokratischen Namen zugelegt hatte), wollte wegen angeblich drohender Instabilität den Machtwechsel verhindern, aber das Bündnis hielt.
Erste Maßnahmen der Regierung machten Rentenkürzungen, Mindestlohnabsenkung, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst rückgängig und stoppten den weiteren Ausverkauf von staatlichen Unternehmen.


Gegenüber Brüssel stellte Ministerpräsident Costa klar, dass er nicht die Konfrontation suche, sondern vorhandene Spielräume nutzen wolle. Anders als Griechenland ist Portugal die Troika los. Die Konservativen argumentieren, dies sei ihre Leistung, deren Ergebnisse jetzt verspielt würden.


Scharnier der neuen Konstellation ist der linkssozialistische Bloco de Esquerda unter seiner Vorsitzenden Catarina Martins. Als Vorbild nennt sie Podemos in Spanien. Martins hat keine Berührungsängste gegenüber dem PCP, und umgekehrt scheint dies seit jüngster Zeit auch zu gelten. Letzteres wäre ein wichtiger Unterschied zu Griechenland.


Die Kommunistische Partei unter Jerónimo de Sousa hat wie der »Bloco« zugesagt, die Regierung eine Wahlperiode lang zu stützen, wenn diese die vereinbarten Maßnahmen umsetze. Costa allerdings hat sich bei der Abstimmung über die Art und Weise der Rettung der kleinen Bank BANIF gegen die linken Verbündeten durchgesetzt, indem er die Stimmenthaltung der rechten Opposition nutzen konnte: Schaukelpolitik als Überlebensstrategie. Das ist die parlamentarische Ebene. Außerparlamentarische Bewegungen, darunter zahlreiche Generalstreiks, in den vergangenen Jahren immer wieder ins Leere gelaufen, sehen sich jetzt ermutigt.


Der Vorsitzende des größten Gewerkschaftsverbandes Portugals CGTP (Confederação Geral de Trabalhadores de Portugal) hat bereits erklärt, man verlasse sich nicht auf Wahlversprechen, sondern auf die eigene Kraft. Ein Streik soll der Forderung nach Wiedereinführung der 35-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst Nachdruck verleihen, und es sieht so aus, als ob die der SP nahestehende kleinere Gewerkschaftszentrale UGT (União Geral de Trabalhadores) mit dabei sein werde.


Die Präsidentschaftswahlen Ende Januar brachten bereits im ersten Wahlgang dem von den Konservativen und den Rechtsparteien unterstützten Marcelo Rebelo da Sousa die absolute Mehrheit. Der ehemaliger Herausgeber der Wochenzeitschrift Expresso präsentierte sich als unabhängig. Er war und ist allerdings mit der Wirtschaftselite und Politikerkaste des Landes eng verbandelt.


Die Sozialistische Partei steckt in einer Zerreißprobe. Einige prophezeien ihr, sie werde am Linksruck unter Costa zugrunde gehen. Andere sehen die Linkswende angesichts der Verständigung von KP und Bloco sowie der Stimmung im Lande vor allem als Schachzug, wieder an die Macht zurückzukehren. Die nächste Herausforderung, die Verabschiedung eines Haushalts, der in Brüssel durchgeht, steht bevor. Der neue Präsident hat im Wahlkampf erklärt, er erwarte, dass die rechte Opposition den Ministerpräsidenten unterstütze, wenn es keine Mehrheit gibt. Anders als sein Amtsvorgänger betrachte er die Minderheitsregierung als Ausdruck des Wähler_innenwillens und denke nicht an vorzeitige Neuwahlen.


Das portugiesische Beispiel strahlt auch auf das Nachbarland Spanien aus. Pablo Iglesias von Podemos trat in Lissabon auf und unterstützte die Präsidentschaftskandidatin des Bloco, der Vorsitzende der spanischen Sozialisten hat erklärt, er werde sich mit dem neuen portugiesischen Ministerpräsidenten über die Erfahrungen und Möglichkeiten eines Linksbündnisses austauschen. Und angesichts der Krise der EU, deren Potentaten zur Zeit wohl anderes zu tun haben, als sich um die Innenpolitik der südeuropäischen Peripherie zu kümmern, ist der Spielraum für Kämpfe hin zu einer moderaten Kurskorrektur vielleicht doch ein ganz klein wenig breiter geworden. Ein blasser Hoffnungsschimmer am Tejo!?