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Titel317

Deus ex machina Donald Trump  (Constanze Weinberg)

Das Urteil über Donald Trumps Rolle als Deus ex machina hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Für die einen beendet er eine heillos verfahrene Situation und führt sie zum guten Ende, für die anderen macht er alles nur noch schlimmer. Wie Trump sich in den ersten Tagen seiner Amtszeit als Präsident aufgeführt hat, seine scheinbar spontanen Entscheidungen am laufenden Band und seine Drohgebärden in alle Richtungen, das alles vermittelt den Eindruck, als sei ein neues Zeitalter angebrochen. In Wirklichkeit bleibt alles beim Alten. An den Besitzverhältnissen soll sich und darf sich nichts ändern. Aber wer den Einen nichts nimmt, kann den Anderen nichts geben. Um möglichen Gefahren die Spitze zu nehmen, spielt sich Trump als Anwalt der Opfer des neoliberalen Wahnsinns auf, verspricht ihnen Arbeitsplätze und ein sicheres Zuhause.

 

Sein Machthunger und seine Zügellosigkeit erinnerten den kürzlich verstorbenen Soziologen Zygmunt Bauman bereits während des Wahlkampfes an Stalin und Hitler, ein Vergleich, den hierzulande niemand öffentlich wagen würde. Als Herta Däubler-Gmelin 2002 den amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush in die Nähe von »Adolf Nazi« rückte, war die Sozialdemokratin ihr Amt als Bundesjustizministerin los. Keine einzige Führungsgestalt des europäischen Rechtspopulismus redet so umstürzlerisch daher, wie Donald Trump das in seiner Antrittsrede getan hat. Zu lange habe eine kleine Gruppe in Washington die Früchte der Regierungsarbeit geerntet, während das Volk die Kosten tragen musste. Das klang so, als hätten seine Vorgänger sich an die Macht geputscht und blutsaugerisch den Reichtum der Nation an sich gebracht. Aber nun sei der Erlöser da, ein Erlöser, für den Folter nichts Abstoßendes ist und der die Gleichheit der Menschen für eine Erfindung der Feinde Amerikas hält.

 

Dass so einer zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt worden und damit zum Führer der westlichen Wertegemeinschaft aufgestiegen ist, die dadurch ihren eigenen moralischen Anspruch verlor, ist das eigentlich Beängstigende. Wie groß muss das Elend wohl sein, in dem viele Amerikaner leben, dass sie sich einem Gaukler wie Donald Trump anvertrauen. Anscheinend haben die Unterhaltungsindustrie und die jahrzehntelange Berieselung durch Werbespots ihr Wahrnehmungsvermögen so stumpf gemacht, dass sie nur noch auf die gröbsten Reize reagieren und billigste Versprechungen für bare Münze nehmen. Den Niedergang ganzer Industriezweige und die bedrohliche Lage des Mittelstandes haben nicht die Zuwanderer aus der Karibik oder Mexiko verursacht, sondern die herrschende Klasse der Superreichen, zu der auch Donald Trump gehört.

 

Um davon abzulenken muss ein Feind her, den man greifen kann – das Establishment im eigenen Land und die illegalen Einwanderer. Obwohl die Staatsverschuldung der USA mit rund zwei Billionen Dollar den höchsten Stand aller Zeiten erreicht hat, will Trump die Steuern senken und der Rüstungsindustrie neue Aufträge verschaffen. Dazu passt, dass er Öl ins Feuer des Konflikts im Nahen Osten gießt, indem er die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen will, der erhofften künftigen Hauptstadt eines palästinensischen Staates.

 

Zum Entsetzen der Kenner des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses hat er der Pekinger Führung den Fehdehandschuh hingeworfen. Dabei stehen die USA bei der Volksrepublik mit etwa 1,5 Billionen Dollar in der Kreide. »Wenn es in den nächsten Jahren irgendwo knallt, dann wohl zwischen den USA und China«, hieß es am 26. Januar in einem ganzseitigen Artikel der Süddeutschen Zeitung. Was Russland betrifft, so dürfte die vermeintliche Geistesverwandtschaft zwischen Trump und Putin alsbald in ihr Gegenteil umgedeutet werden; das Fortbestehen der NATO und die transatlantischen Partnerschaft bedürfen schließlich einer Rechtfertigung.

 

Wie konnte all das geschehen? Der Druck, unter dem die Regierungen stehen, kommt nicht von links, wie das angesichts der Kluft zwischen Arm und Reich zu erwarten wäre, er kommt von rechts. Gewachsen ist er ganz allmählich auf dem Boden eines zunehmenden Missvergnügens an den schwergängigen Mechanismen parlamentarischer Demokratien und der Entfremdung zwischen Wählern und Gewählten. Zu lange haben Politiker aller Couleur darüber hinweggesehen, dass sich in der Bevölkerung ein Unbehagen breit macht, dass viele Menschen sich durch die Zuwanderer aus einem ihnen fremden Kulturkreis eingeengt und in ihrer Lebensweise bedroht fühlen, dass sie um ihre Freiheit und ihre eigene Identität fürchten. Ähnliches geschieht im Verhältnis zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der Zentrale in Brüssel. Auch hier spielt die Sorge um den Verlust der Identität eine wichtige Rolle. Niemand möchte sich bevormundet fühlen, weder ein ganzes Land noch der einzelne Mensch. Dagegen wehrt sich ein Instinkt, der der Menschheit in die Wiege gelegt worden ist – der Wunsch frei zu sein. Damit er nicht missbraucht werden kann, wie das durch die Rechtspopulisten in Europa und in den USA geschieht, sollten die gewählten Volksvertreter dem Volk »aufs Maul« schauen und nicht länger über die Köpfe der Menschen hinwegreden. Ehe die singen »Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun«, wird es noch eine Weile dauern.