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Titel317

Keine Gnade für Mumia Abu-Jamal  (Sabine Kebir)

Die letzten Tage seiner Präsidentschaft nutzte Barack Obama für große Gesten. So begnadigte er unter anderem die Wistleblowerin Chelsea Manning und den puertoricanischen Unabhängigkeitskämpfer Oscar López Rivera zur Haftentlassung. Die Hoffnung auf Begnadigung von Leonard Peltier, der für die Rechte der Indianer eingetreten ist, hat sich nicht erfüllt. Und eine Begnadigung von Mumia Abu-Jamal, des weltweit wohl bekanntesten politischen Gefangenen in den USA, der wegen angeblichen Polizistenmords gegenwärtig sein 35. Jahr hinter den Mauern des Mahanoy-Gefängnisses in Frackville verbringt, hat überhaupt nicht zur Debatte gestanden. Weil er von Bezirksgerichten des Staates Pennsylvania und nicht von einem Bundesgericht verurteilt wurde, kann er nur vom zuständigen Gouverneur, nicht aber vom Präsidenten begnadigt werden.

 

Dass ein Gouverneur des permanent konservativen Bundesstaats sich dazu entschließt, ist schwer vorstellbar. Aber weil Bezirksgerichte Bundesgerichtsurteile beachten müssen, hat sich doch eine Chance ergeben, dass Mumia Abu-Jamal mittelfristig seine Freilassung auf juristischem Wege erreichen könnte. Im Sommer 2016 urteilte das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten, dass Richter nicht über Fälle entscheiden dürfen, an deren Beurteilung sie in vorangegangenen Verfahren mitgewirkt haben (s. Ossietzky 20/2016). Dadurch hat Abu-Jamal nun die Möglichkeit, sein gesamtes juristisches Verfahren neu aufrollen zu lassen.

 

Gegenwärtig kämpft Abu-Jamal juristisch mit der Gefängnisbehörde um seine medizinische Behandlung (s. Ossietzky 3/2016). Ende März 2015 hatte er einen lebensgefährlichen diabetischen Schock erlitten und musste monatelang klinisch behandelt werden. Erst Monate später erfuhr er, dass er auch an Hepatitis C litt. Die Gefängnisbehörde wusste das schon lange und weigerte sich auch nach der Bekanntgabe des Sachverhalts, Abu-Jamal mit den aktuellen antiviralen Medikamenten zu versorgen. Daraufhin klagte er, um nicht nur für sich selbst, sondern für alle in Pennsylvania an Hepatitis C erkrankten Gefangenen die adäquate Behandlung durchzusetzen. Es ist wohl der wieder aufgelebten internationalen Unterstützung für Abu-Jamal zu verdanken, dass Bundesrichter Mariani am 4. Januar dieses Jahres anordnete, ihm die verlangte Behandlung zukommen zu lassen. Das kann sich allerdings noch hinziehen, weil mit einer Berufung seitens der Gefängnisbehörde zu rechnen ist, die befürchtet, dass hier ein Präzedenzfall entsteht, der tatsächlich die Behandlung aller an Hepatitis C erkrankten Gefangenen nach sich ziehen kann.

 

Menschen in den USA, die sich für Mumia Abu-Jamal einsetzen, müssen nach wie vor mit üblen Konsequenzen rechnen. Die aus einer peruanischen Einwandererfamilie stammende junge Lehrerin Marylin Zuniga berichtete am 14. Januar auf der XXII. Internationalen Rosa Luxemburg Konferenz, dass sie aus dem Dienst entlassen wurde, weil sie ihren Schülern 2015 von Mumia Abu-Jamals Erkrankung erzählt und die von den Kindern spontan an ihn verfassten Genesungswünsche ins Mahanoy-Gefängnis geschickt hatte. Die ihren Fall beurteilende Kommission warf ihr vor, einen »Cop-Killer« unterstützt zu haben. Als solcher wird Mumia Abu-Jamal noch immer von einem Teil der US-amerikanischen Öffentlichkeit bezeichnet. Die Regel »im Zweifel für den Angeklagten« gilt nicht für ihn – obwohl er die Tat immer bestritten hat und die Justiz ihre Zweifel an seiner Schuld nie ganz verloren hat, weshalb die Hinrichtung immer wieder aufgeschoben und 2011 die Todesstrafe in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Marylin Zuniga klagte gegen ihre Entlassung und hatte Erfolg. Allerdings durfte sie nicht – wie ihre Schüler es gewünscht und gefordert hatten – an ihre alte Schule zurückkehren, sondern muss nun woanders unterrichten.