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Titel317

Monatsrückblick: Lauter Hasen  (Jane Zahn)

Sein Name ist Winterkorn, und er hat von nichts gewusst – ja, er habe gar kein Auto! Und wenn er »frühzeitig und eindeutig« informiert worden wäre, dann wäre er eingeschritten gegen den Abgaswerte-Betrug von VW. Die Bundestagsabgeordneten im Untersuchungsausschuss waren wenig erfreut – der Mann trug nichts zur Aufklärung bei, die er selbst fordert. Wenn Winterkorn wirklich so wenig gewusst hätte, wie er angibt, dann wäre er als Vorstandschef »seinen Aufgaben nicht nachgekommen«, zitierte die Märkische Allgemeine Zeitung den Ausschussvorsitzenden Herbert Behrens (Die Linke).

 

Ein anderer Hase heißt Jäger und ist Nordrhein-Westfalens Innenminister. Und er wusste von nichts, wusste weder was »Nafris« sind noch wie Anis Amri der Ausweisung entging, obwohl Amri nachweislich mithilfe mehrerer Identitäten Sozialbetrug begangen und wegen einiger anderer Delikte auffällig geworden war. Und Heiko Maaß, Justizminister der Bundesrepublik, weiß auch nicht, was die Bundespolizei ritt, als sie Amris freiwillige Ausreise verhinderte. Das Ganze stinkt so zum Himmel, dass sogar unsere liebe Presse misstrauisch wird.

 

Selbstverständlich sind da keine Verschwörungstheoretiker zugange. Sie unterstellen keine Absichten. Polizei und Verfassungsschutz sind einfach überlastet. So ist der Verfassungsschutz unablässig damit beschäftigt, Antifaschisten wie Silvia Gingold zu überwachen und über sie Ordner anzulegen – im Rahmen der Gesetze, selbstverständlich. Also keine persönliche Überwachung, sondern nur »Beifang« (so wörtlich der Verwaltungsrichter in der Verhandlung Silva Gingold gegen den Landesverfassungsschutz Hessen am 12. Januar vor dem Verwaltungsgerichtshof Wiesbaden). Beifang der Überwachung von VVN und DKP, dieser schlimmen Verfassungsfeinde, die gejagt gehören.

 

Thomas de Maizière ist kein Hase, denn er weiß genau, dass wir schärfere Gesetze brauchen, um zukünftige Attentate zu verhindern. Denn wenn wir die jetzt geltenden schon nicht nutzen, dann müssen in Zukunft eben schärfere Gesetze nicht genutzt werden.

 

Nur nicht gegen die NPD. Die darf weiter hetzen und bekommt nach Parteiengesetz Steuergelder. Sie hatte sich in den letzten Monaten eher zurückgehalten, aber aus der hasenfüßigen Defensivhaltung heraus kann sie jetzt wieder zur Jagd auf Flüchtlinge und Linke blasen: Die NPD ist zwar laut Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig und eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, aber so unbedeutend, dass sie nicht verboten werden muss. Steht ja auch so im Grundgesetz: Art. 9 (2) »Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten« – sofern sie bedeutend genug sind. Immerhin sitzt die NPD in 12 von 14 Kreisen in Brandenburg im Kreistag, von Sachsen wollen wir gar nicht reden. Bedeutungslos?

 

Wer die SPD in den Bundestagswahlkampf führt, ist nicht bedeutungslos: Sigmar Gabriel betrachtet sich selbst als chancenlos und übergibt deshalb an Martin Schulz. Der ist zumindest nicht kompromittiert durch die Regierungstätigkeit. Da kann er immer sagen: Mein Name ist Hase!

 

Für bedeutend hält sich der neue Präsident der USA, so bedeutend, dass bei seiner Vereidigung mehr Massen anwesend gewesen sein müssen als jemals zuvor. Die Lügenpresse zeigte daraufhin Luftbilder von Obamas Vereidigung, als die Plätze schwarz von Menschen waren, und stellte sie Luftbildern von Trumps Vereidigung gegenüber, wo die weiter vom Weißen Haus entfernten Plätze menschenleer waren. »Das wird ein Nachspiel haben!« drohte der neue Pressesprecher des Weißen Hauses. Die Presse hätte die »alternativen« Fakten zurückgehalten. Nach Post-Fakten jetzt die Alternativ-Fakten. Und die Fake-Fakten. Wer kann jetzt noch unterscheiden, welche Fakten wirklich Fakten sind? Bildern kann man nicht glauben, Politikern kann man nicht glauben, der Lügenpresse sowieso nicht, dem Internet erst recht nicht. Zurück in die »ungedruckte Glaubenszeit, wo noch keine Zeitung erschienen«? (Heinrich Heine: »Deutschland. Ein Wintermärchen«, Caput III) Da konnte ein Präsident noch alles behaupten, ohne überprüft zu werden. Aber zu Heines Zeiten galten Zeitungen ja auch noch als fortschrittlich. Heute gelten Journalisten als »die unehrlichsten Menschen auf dem Planeten«, jedenfalls für Präsident Trump. Naja, von Politikern kann er das nicht mehr sagen, er ist jetzt einer.

 

Wahrscheinlich haben die Russen die kompromittierenden Fotos manipuliert – ach nee, kann nicht sein, die sind ja für Trump, haben ihm sogar zur Wahl verholfen. Arme USA, in denen russische Hacker die Wähler manipulieren können! Aber uns in Deutschland droht ja das gleiche bei der Bundestagswahl: Alle Netze führen nach Moskau! Raunen Politiker und Presse unisono. Da können wir uns auf etwas gefasst machen.

 

Manchmal kann man nicht mehr unterscheiden, wer hier wen jagt. Vielleicht jagen ja die haken(kreuz)schlagenden Hasen haken(kreuz)schlagende Hasen?