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Titel319

Monatsrückblick: Strahlende Aussichten  (Jane Zahn)

Herzlichen Glückwunsch! Vermutlich haben Sie es noch gar nicht bemerkt, aber seit dem Jahreswechsel gehören allen Bundesbürgern insgesamt 15 Atommüll-Zwischenlager nebst hochradioaktivem Inhalt. Der deutsche Atommüll ist jetzt Staatseigentum, und damit tragen die Bürgerinnen und Bürger des Landes die volle Verantwortung für alle Folgekosten.

 

Der Staat – also jeder Bürger – soll aber nicht nur für radioaktive Strahlung die Verantwortung und die Kosten übernehmen, sondern auch für Mobilfunkstrahlung. Am 13. Januar verabschiedete die Brandenburger CDU ein Wahlkampfpapier, das bei der Versorgung mit Mobilfunkmasten ein Versagen des Kapitals feststellt. Dafür solle jetzt der Staat mit einer eigens zu gründenden Gesellschaft einspringen und Mobilfunkmasten da errichten, wo es für Privatanbieter nicht gewinnbringend erscheint.

 

Die Brandenburger CDU geht also zurück zum Ahlener Programm von 1947. Damals hatte die CDU festgestellt: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.« Diese Erkenntnis ließ die CDU recht schnell in der Versenkung verschwinden, und jetzt stehen auch nicht mehr die altertümlichen »staatlichen und sozialen Lebensinteressen«, sondern das Recht auf Funkverbindung im Programm. Denn wir wollen freie Mobilität im Netz, damit wir strahlend in die Zukunft gehen! (https://www.cdu-brandenburg.de/image/inhalte/file/Chancen%202030%20-%20Brandenburg%20Wachsen%20Lassen.pdf)

 

Keine strahlende Zukunft hat offenbar die Bundeswehr: »Der Truppe fehlt es insgesamt an Attraktivität«, sagt Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter (zitiert nach MAZ, 30.1.19). Besonders die Bürokratie stört das Soldatenleben sehr, meint er. Ist es aber nicht vielleicht doch eher die Aussicht, irgendwo in Afrika oder dem Mittleren Osten zu krepieren, die die Attraktivität dieses »Berufs« niedrig hält?

 

Hoch gehalten wird etwas anderes: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Schuldenstatistik 2017 publiziert. Weltweit beträgt die Verschuldung 184 Billionen US-Dollar, das ist das Zweieinviertelfache des globalen Bruttosozialprodukts. Der Reichtum, den alle Menschen weltweit produzieren, ist also nicht einmal halb so viel wert wie der Schuldenberg, der angehäuft wurde. Die Menschheit ist bankrott! Die ärmere Hälfte ist es noch mehr: Oxfam hat veröffentlicht, dass die Einkommen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung im Jahr 2018 um elf Prozent gesunken seien. Aber: Es gibt die Wirklichkeit und die makroökonomische Realität, und in der seien die Vermögen der unteren Hälfte der Weltbevölkerung nicht zurückgegangen, meint Andreas Peichl vom ifo-Institut. Da kann Oxfam sagen, was es will, das sei nur das »Dauerlamento der Hilfsindustrie« (Wirtschaftsredakteur Philip Plickert in der FAZ vom 21.1.19)

 

Und es gibt Wissenschaftler und Wissenschaftler. 100 Lungenfachärzte (von 4000 organisierten Lungenfachärzten in Deutschland) bezeichnen die Festlegung von Grenzwerten bei Stickoxiden und Feinstaub als »wissenschaftlich fragwürdig«. Das freut Verkehrsminister Scheuer, der sowieso gegen Fahrverbote wegen dauerhafter Überschreitung besagter Grenzwerte ist, und FDP-Chef Lindner, der schon vorher gegen »nicht richtig justierte« Messstationen wetterte. Georg Nüsslein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, glaubt: »Man kann sich nicht einfach einen Wert herausgreifen – frei nach dem Motto: Wer bietet mehr? Wer bietet weniger?« Denn auf diese Weise – meint er – sei die Grenzwertbemessung der EU zustande gekommen. Waren da eher Börsenmakler am Werk als Wissenschaftler? (MAZ, 24.01.19)

 

Und es gibt Meldungen und Meldungen: Stellen Sie sich vor, der Parlamentspräsident der Ukraine hätte sich selbst zum Interimsstaatschef ernannt, weil Präsident Poroschenko nicht in fairen und freien Wahlen gewählt worden sei. Sekunden später erkennt Russland den neuen Staatschef an und fordert die ukrainische Armee auf, ihren Treueeid zu vergessen und dem Neuen zur Seite zu stehen. Das Geheul der »freien« Medien in diesem Fall kann man sich ausmalen. Die freuen sich jetzt, dass ein bisher reichlich unbekannter »Führer« der Opposition in Venezuela sich selbst zum Präsidenten ernannte und die USA sowie ihre südamerikanischen Vasallenstaaten ihn sofort anerkannten und die Armee zum Putsch gegen den gewählten Präsidenten Maduro aufforderten. Endlich geht es dem verhassten »Busfahrer« an den Kragen! Und danach sicher gleich noch dem linken Präsidenten Mexikos, Obrador, der sich der Zustimmung zum Putsch entzieht. Kein Präsident kann mehr sicher sein, gewählt oder nicht: Wenn er sich den USA widersetzt, wird er weggeputscht. Irgendein »Oppositionsführer« findet sich bestimmt. Nur die Sprachregelung ist noch nicht durchgehend eintrainiert: So eröffnete Claus Kleber das ZDF-heute-journal am 23. Januar mit dem Satz: »Offensichtlich findet in Venezuela gerade ein Staatsstreich statt.« Später gibt es eine Schalte nach Rio de Janeiro, wo der Korrespondent Christoph Röckerath von einer »größeren koordinierten Aktion«, die »abgesprochen zu sein scheint«, spricht und Trump, die Organisation Amerikanischer Staaten und Kanada als Mitwisser benennt. »Die Zukunft Venezuelas wird nicht nur in Venezuela selbst entschieden«, schlussfolgert Röckerath. Am nächsten Morgen darf Alexander Graf Lambsdorff (FDP) im Deutschlandfunk die Linie vorgeben: »Das Wort vom Staatsstreich ist hier völlig fehl am Platze. Im Grunde haben wir es dort mit einem seit Jahren institutionalisierten Staatsstreich von Nicolás Maduro zu tun.« Das Wall Street Journal schrieb am 25. Januar, die schnelle Abfolge der Ereignisse zeige »eine seltene Seite von Mr. Trumps Außenpolitik, eine geplante, koordinierte sowie schnell und effizient durchgeführte.« (zitiert nach jW, 29.1.19) Können wir jetzt weitere solche Seiten erwarten? Strahlende Zukunftsaussichten!