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Eine Mahnung aus der Schweiz  (Volker Bräutigam)

die NATO-assoziierte Schweiz zieht am 1. März ihr Truppenkontingent aus Afghanistan ab. Militärisch ist das ohne Belang – es handelte sich lediglich um vier Offiziere. Bedeutsam ist die Begründung der Berner Regierung: »In Afghanistan vermischt sich die menschlich verheerende, politisch kontraproduktive und völkerrechtlich unzulässige Operation Enduring Freedom (OEF), welche die Taliban stärkt und nicht schwächt, immer mehr mit der International Security Assistence Force (ISAF)«, lautet der erste Satz des Rückzugsbeschlusses.

selbst die friedenserhaltende Mission der ISAF habe sich, heißt es weiter, »schrittweise in eine Operation zur Bekämpfung von Aufständischen verwandelt. Auch dort, wo die Aufständischen erst vereinzelt aktiv sind, kann der Auftrag wegen der nötig gewordenen Selbstschutzmaßnahmen der Truppe kaum mehr wirksam erfüllt werden. In den Gebieten, in welchen die Taliban wieder erstarken, ist die Wiederaufbauarbeit weitgehend unmöglich geworden. Generell liegt das Schwergewicht der Isaf zunehmend beim Aufbau der afghanischen Armee ...«

Die UNO-Mandate (darunter die Resolutionen 1510 und 1776) erlauben der Isaf, den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan zu unterstützen und zu sichern. Von Armeeaufbau, Operation Enduring Freedom und War on Terrorism ist da keine Rede. Auch das eidgenössische Militär hat sich des Mandatmißbrauchs schuldig gemacht. Die vermeintlich neutrale Schweiz hatte seit 2003 ihr kleines, aber feines Truppenkontingent im Raum Kundus mit der deutschen Bundeswehr zusammenarbeiten lassen: hohe Nachrichtenoffiziere, Minenspezialisten, Taktikexperten, bis zu vier Stabsoffiziere aus wechselnden Truppengattungen.

Nur eine symbolische Kriegsbeteiligung? Gewiß nicht. Die Schweiz lieferte über Polen Rüstungsgüter nach Afghanistan und an die NATO-Verbände. Beispielsweise modernste Radpanzer, gebirgstauglich, schnell, mit neuester Aufklärungselektronik ausgestattet und mit leichten, aber leistungsstarken Schnellfeuerkanonen bewaffnet. Es ist deshalb anzunehmen, daß die Schweizer Offiziere nicht nur wegen des zunehmend auftragsfremden, sinnentleerten und mörderischen Tuns der ISAF abgezogen wurden. Die eidgenössischen Spezialisten haben im NATO-internen Erfahrungsaustausch alle militärischen Erkenntnisse gesammelt, die derzeit über neue Formen exterritorialer Kriegsführung und Niederschlagung von Aufständen in schwer zugänglichen Bergregionen zu gewinnen sind. Darüber hinaus können sie dem weltbekannten Kanonenbauer Oerlikon und der übrigen schweizerischen Rüstungsindustrie über Qualität und Verwendbarkeit neuer Waffen und Kampftechniken berichten.

Es kostete die Berner Regierung kaum Selbstüberwindung, Konsequenzen aus dem Wissen von der Unvertretbarkeit des Afghanistan-Krieges zu ziehen, denn auch ohne kriegerische Engagements bleibt die Schweiz Hauptkassenwart des kapitalistischen Imperiums. Scheinbare Neutralität und geschützte Lage des Landes sind Voraussetzungen dafür, daß Blutgeld aus aller Welt, Milliarden von US-Dollar und Euro, auf Nummernkonten Züricher Banken verbleiben und den bürgerlichen Wohlstand der Eidgenossen gewährleisten.

Immerhin hat sich die Regierung in Bern nie zu der Behauptung verstiegen, am Hindukusch müsse die Freiheit der Schweiz verteidigt werden. So dreist und heuchlerisch reden nur Deutsche und US-Amerikaner daher.

Die Schweizer Offiziere waren im angeblich noch friedlichen Nordafghanistan stationiert, im »deutschen Provinzial«. Der Beschluß, sie zurückzuziehen, hätte in Deutschland Diskussionen auslösen können; deswegen bewahrten die Konzernmedien und auch die öffentlich-rechtlichen das deutsche Publikum vor der Kenntnisnahme dieses vernichtenden Urteils einer europäischen Regierung über die Politik ihrer Amtsbrüder und -schwestern in Berlin und in Washington. Das Nichtwissen des Volkes schützt die kriegswillige Mehrheit von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen im Bundestag.