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Hamburger Markenkunsthalle  (Monika Köhler)

Die Hamburger Kunsthalle hat sich – so bekennt sie – zum »Markt« gewandelt, in dessen »verführerischer Atmosphäre« Kunst und Kommerz ununterscheidbar geworden sind und die Künstler sich ganz bewußt selbst als »Marken« bekennen. Im rosafarbenen Flugblatt zur Ausstellung »Pop Life« (vom 12. Februar bis 9. Mai) wird Andy Warhols Spruch »Gute Geschäfte sind die beste Kunst« zum Credo der jungen Künstler erhoben und die Selbstvermarktung und Inszenierung in den Medien als zwingend angesehen. Die Schau, zusammen mit der Tate Modern in London konzipiert, ist folgerichtig Teil des »Hamburg Tourismus«. Sie umfaßt 320 Exponate: Gemälde, Zeichnungen, Fotos, Briefe, Skulpturen, Videos, Rauminstallationen und Merchandising-Objekte. Im nachgebauten »Pop-Shop« von Keith Haring, der Teil der Ausstellung ist, kann man T-Shirts mit Aufdrucken von Harings Graffiti kaufen. Aber das vom Markenkünstler gefertigte Geschirr für die Gräfin Gloria von Thurn und Taxis – es ist wohl zu exklusiv für den Shop.

Dann Andy Warhol in vielen Räumen: Selbstportraits in immer neuen Variationen und dem Militär entliehenen »Tarnungen«. Von ihm lernten alle, besonders, wie man sich selbst vermarktet und im unerläßlichen Kontakt mit den Massenmedien bleibt.

Jeff Koons, ein ehemaliger Börsenbroker, ist unübersehbar durch das 3,17 mal 6,91 Meter messende Sex-Plakat, Werbung für einen Film, den es nie gab: »Made in Heaven«; mit einem Pornostar in weißer Reizwäsche liegt er nackt auf einem Felsen. Einige Räume sind – publikumsheischend – »nicht für Besucher unter 18 Jahren zugelassen«. Kunst von der Sexmesse. Ein Video zeigt Koons über 15 Meter großen silbernen aufblasbaren Hasen hoch über New Yorks Straßen, wie eine Ikone mitten in der Thanksgiving-Parade. Da gehört er hin. Hamburg blieb verschont – die unvergeßbare Kultursenatorin Horakova wollte einst den Spielbudenplatz in St. Pauli mit einem Koons-Produkt krönen.

Gleich am Eingang begrüßt ein Kalb mit goldenen Hufen von Damien Hirst den Besucher, ein Kalb im Glaskäfig. Alles von Hirst ist gold- oder edelstein-überzogen, auf daß es den (Kunst)-Wert steigere. Auf selbstinszenierten Auktionen erzielen seine Werke Millionenbeträge. Im Glas eingesperrt steht auch, von Gavin Turk gebaut, »Che« mit Pistole, als Pop-Ikone. Er kann sich nicht mehr wehren. Genauso wenig wie das lebensechte tote Pferd von Maurizio Cattelan. Im Körper des Tieres steckt ein Plakat, das es als »INRI« ausweist. »Ein wenig mit Ironie gewürzt« sei die Ausstellung, schreibt Kunsthallendirektor Hubertus Gaßner im Editorial.

»Kunst als Dienstleistung« wird in einem der nicht jugendfreien Video-Kabinette zelebriert. Andrea Fraser preist sich als Künstlerin einem Sammler an. Der Meistbietende darf mit ihr Sex vollziehen, der dann gefilmt wird. Kunst als höchste Stufe der Prostitution.

Takeshi Murakamis Plastik »Hiropon«, die japanische Variante des »Pop-Life«: eine blauhaarige Schöne mit Riesenbrüsten, aus denen eine feste Milchmasse strömt, die sie wie ein Hula-Hoop-Reifen umgibt. Murakami hat die Vermarktung seiner Produkte bis zum eigenen weltweiten Unternehmen geführt. Ausgestellt sind viele »Footing Sneaker in Multicolor« – das sind Turnschuhe. Und überall tanzen kleine pop-bunte Japanerinnen. Dagegen das »Selbstportrait« von Ashley Bicerton: Ihr Ich besteht nur aus Marken oder Labels. Diese selbstkritische Sicht bleibt die Ausnahme.

(Auf den Katalog kann ich mich nicht beziehen. Man hatte wohl Gründe, ihn der Presse vorzuenthalten.)