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Titel052013

Syrien: Afghanistan reloaded  (Hans Springstein)

Syriens Präsident Baschar al-Assad hat frühzeitig auf die ausländische Einmischung in den syrischen Konflikt hingewiesen. Meist wird das als Verschwörungstheorie abgetan, und Belege dafür werden ignoriert. Schon im Oktober 2011 warnte Assad in einem Interview mit der britischen Zeitung The Telegraph: »Wollt ihr noch ein Afghanistan – wollt ihr noch zehn Afghanistans?« Seine damalige Warnung vor den Folgen einer Intervention wurde ihm erwartungsgemäß als Drohung ausgelegt.

Längst ist offensichtlich, daß es sich um einen von außen geförderten und zum Teil gesteuerten Krieg in und gegen Syrien handelt. Nachweise dafür gibt es eine ganze Reihe, auf die unter anderen Joachim Guilliard in seinem Blog »Nachgetragen« (jghd.twoday.net) schon frühzeitig hinwies.

Die befürchtete »Afghanisierung« des syrischen Konfliktes scheint bereits Realität, wie aktuelle Berichte über die Einmischung anderer Staaten zeigen. Scott Stewart vom privaten Nachrichtendienst Stratfor schrieb in einem auf der Homepage der Firma im Januar veröffentlichten Beitrag von einer »ausländischen Intervention in Syrien«. Im Gegensatz zu Libyen und Mali habe der Westen mit seinen arabischen Partnern diesmal den »Mittelweg« der indirekten Einmischung gewählt. »Seit mehr als einem Jahr unterstützen Länder wie die Vereinigten Staaten, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und europäische Staaten die syrischen Rebellen.« Das reiche von humanitärer Hilfe wie Unterkunft, Nahrung und medizinische Versorgung für Flüchtlinge bis zu »nichttödlicher« militärischer Ausrüstung wie Funkgeräte oder Schutzwesten. Doch zeige eine Analyse der in Syrien von den »Rebellen« eingesetzten Waffen, daß diese zunehmend nicht nur aus erbeuteten Arsenalen der syrischen Armee stammen können. Sie kommen unter anderem aus Kroatien, Österreich, der Schweiz, finanziert von arabischen Staaten, so Stewart. Die Vielfalt und die Konzentration der Waffen spreche gegen einen Zufall.

Für den Stratfor-Analytiker hat die äußere Einmischung in Syrien das Niveau der Unterstützung für die afghanischen Mudschaheddin gegen die sowjetische Armee erreicht. Es werde nicht nur mit Ausbildung, Geheimdiensterkenntnissen und Unterstützung geholfen, sondern auch mit Waffen, deren Herkunft offensichtlich ist. »Es ist auch interessant, daß in Syrien wie in Afghanistan zwei der wichtigsten äußeren Unterstützer Washington und Riad sind«, die diesmal mit regionalen Mächten wie der Türkei, Jordanien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammenarbeiten. Ähnlich wie in Afghanistan würden in Syrien jene Gruppen mit Geld und Waffen unterstützt, die »am erfolgreichsten auf dem Schlachtfeld« seien. Wie am Hindukusch seien das Dschihad-orientierte Gruppen wie Jabhat al-Nusra, die von den Saudis, aus Katar und den Emiraten Hilfe erhielten.

Saudi-Arabien nutze es, wenn die Dschihadisten in Syrien, darunter Gruppen, die wie die Jabhat al-Nusra im Irak gegen die USA-Truppen kämpften, unterstützt werden. Mit ihrer Hilfe solle der iranische Einfluß in der Region gebrochen werden und ein sunnitisches Regime in Syrien errichtet werden, so Stewart. Zugleich zeige das saudische Königshaus damit, daß interne Kritik, es sei zu weltlich und westlich, falsch sei und daß es Muslimen beim Kampf helfe. Zugleich nutzen die Saudis aus Sicht des Stratfor-Analytiker die Möglichkeit, ihre eigenen Radikalen beziehungsweise Extremisten nach Syrien zu schicken, »wo sie kämpfen und möglicherweise sterben«. Angesichts einer großen Zahl von Arbeitslosen, unterbeschäftigten und radikalisierten jungen Männern biete der Dschihad in Syrien ein Druckventil ähnlich wie bei den letzten Kämpfen im Irak, Tschetschenien, Bosnien und Afghanistan. Die Saudis rekrutieren aber nicht nur »ihre eigene unruhige Jugend«, sondern sorgen nach Stratfor-Informationen auch dafür, Nachwuchs aus dem Jemen in Trainingslagern in der Türkei auszubilden und dann nach Syrien in den Kampf zu schicken.

Stewart warnt vor den Folgen des »taktischen Darwinismus« der Saudis. Die Überlebenden bilden einen militanten Kern. Die »Dschihad-Proxies« bedrohen ebenso die Stabilität Syriens nach dem Krieg wie einst die Mudschaheddin in Afghanistan nach dem Rückzug der Sowjets und dem Sturz der Nadschibullah-Regierung 1992. Ein anderes Beispiel sei Libyen, wo die Dschihadisten nicht nur eine innere Gefahr seien, sondern auch ausländische Interessen bedrohen und ein regionales Problem darstellen, wie die Ereignisse in Mali und Algerien zeigen. »Ähnliche langfristige und weitreichende Auswirkungen sind in Folge der Intervention in Syrien zu erwarten«, meint Stewart.

David Ignatius hatte schon am 5. September 2012 in der Washington Post auf die »schaurigen Parallelen« zwischen Afghanistan in den 1980ern und Syrien heute hingewiesen und dargelegt, wie sich der Westen gegenwärtig wieder einmischt. Selbstverständlich ist er dafür, die »Rebellen« zu unterstützen, warnte aber wie Stewart ebenfalls vor den Folgen.

Es gibt seit Dezember 2012 Informationen darüber, daß Saudi-Arabien Hunderte Kriminelle, die wegen Drogenschmuggel, Mord und Vergewaltigung zum Tode verurteilt waren, freiließ und nach Syrien schickte, damit sie sich dort den bewaffneten Terrorgruppen anschließen. Christof Lehmann berichtete unter anderem darüber auf seiner Website nsnbc.

Über saudische Waffenlieferungen an die »Rebellen« in Syrien gibt es seit längerem Informationen. Schon im März 2012 hatte die Welt gemeldet, daß laut einem hochrangigen arabischen Diplomaten Saudi-Arabien über Jordanien »Militärgüter« an die Freie Syrische Armee liefere. Im Dezember 2012 berichtete die iranische Nachrichtenagentur FARS News, daß die Saudis über die Grenze zum Irak Waffen, Bomben und militärische Ausrüstung nach Syrien bringen.

Daß das saudische Königshaus aktiv im Krieg gegen und in Syrien mitmischt, bestätigte Kronprinz und Kriegsminister Salman Bin Abd al-Asis bei der Konferenz der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC) in Kairo am 6. Februar 2013. Im Auftrag von König Abdullah forderte er von der »internationalen Gemeinschaft« und dem UN-Sicherheitsrat, für einen Regimewechsel in Syrien zu sorgen, »mit allen möglichen Mitteln«. Welche neben den bisher eingesetzten dazu gehören sollen, beschrieb Prinz Turki al Faisal Al Saud gegenüber der FAZ im Januar 2013: »Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrwaffen und Waffen gegen Artillerie«. Dieser saudische Prinz, für den die Dschihadisten in Syrien die »guten Jungs« sind, war übrigens 1977 bis 2001 Chef des wichtigsten saudischen Auslandsgeheimdienstes, der maßgeblich an der Bewaffnung der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion beteiligt war.

All das läuft nicht ohne Unterstützung der führenden westlichen Staaten, vor allem der USA. »Die saudische Politik in bezug auf Syrien wird eng mit den Vereinigten Staaten koordiniert«, stellte die israelische Zeitung Haaretz im Juli 2012 in einem Bericht über den »CIA-Favoriten« Prinz Bandar bin Sultan fest, der die Grundlage für ein Syrien nach Assad gelegt habe und ebenfalls schon in Afghanistan aktiv war. Beide Länder verfolgten wie Israel damit das Ziel, den Iran von seiner »wichtigsten arabischen Basis« zu trennen und die Waffenlieferungen an die Hisbollah einzudämmen. Nachrichtenagenturen meldeten kürzlich, das Pentagon habe laut US-Generalstabschef Martin Dempsey den 2012 ausgearbeiteten CIA-Plan zur Bewaffnung der syrischen Opposition über die US-Verbündeten in der Region gebilligt.

Geschichte wiederholt sich oder wird wiederholt, zum Teil von denselben Akteuren.